Unisono: Die Gleichförmigkeit aus dem Gleichgewicht gebracht
„Unisono“, eine Performance für alle ab 12, zeigt, was passiert, wenn sich Einstimmigkeit plötzlich unheimlich anfühlt und kollektive Kraft in Instrumentalisierung zu kippen droht. Wir haben mit Choreografin Martina Rösler und Musikerin Katharina Ernst über das Stück gesprochen.
Wann kippt Einklang in Gleichklang? Wie gelingt es, mit einer Gruppe von Menschen zu verschmelzen und gleichzeitig man selbst zu bleiben? Wie sehr muss man sich Vorgaben tatsächlich hingeben und wie erkennt man den richtigen Zeitpunkt für Ausbruch? All diesen Fragen rund um das Spannungsverhältnis von Kollektiv und Individuum widmet sich makemake produktionen in der Performance „Unisono“. Die Idee zu dem Stück trug Tänzerin und Choreografin Martina Rösler schon einige Jahre lang mit sich herum.
„Im Tanzstudium war es Teil der täglichen Praxis, eine Bewegungsabfolge unisono zu tanzen“, erzählt sie wenige Tage vor der Premiere des Stückes. Parallel zum Tanzstudium studierte Rösler Theaterwissenschaft und begann sich mit der Ästhetisierung von Massenbewegungen zu beschäftigen. Die Ambivalenz, die dem Begriff „Unisono“ innewohnt, trat dabei immer deutlicher zutage. Auch in dem von ihr choreografierten Stück geht es unter anderem darum, wie schnell die Kraft des Kollektivs in Instrumentalisierung kippen kann. „Unisono kann beides bedeuten: Die Verstärkung der eigenen Stimme, aber auch ihre Auflösung und Anonymität.“
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Die Vielschichtigkeit des Themas wurde unter anderem in einem zweitägigen Workshop mit Jugendlichen ausgelotet, erzählt sie. „Wir haben viel improvisiert und auch schon mit ersten Textentwürfen aus dem Stück gearbeitet. Interessant fand ich außerdem die gemeinsame Auflistung jener Gruppen, denen sich die Jugendlichen zugehörig fühlen. Sie wurde im Laufe des Diskutierens immer länger. Immer wieder kam auch die Frage auf, in welchen Gruppen man feststeckt, obwohl man eigentlich nicht dazugehören möchte.“
Kollektive Prozesse
Dass man sich dem musikalischen Sog der Performance nicht entziehen kann, ist Katharina Ernsts zwischen analogen Klängen und elektronischen Beats oszillierendem Schlagzeugspiel geschuldet. Ähnlich wie im Tanz sind auch in der Musik Gleichklang und Harmonie wichtige Themen, mit denen bestimmte Erwartungen seitens der Hörer*innen verbunden sind, erklärt die Musikerin. „Häufig wird von einem erwartet, dass man ein metronomisches Tempo hat und alle Schläge gleich klingen, weil dadurch ein Gefühl von Kontrolle vermittelt wird. Für mich ist das eine ambivalente Sache, weil es einerseits gut ist, das zu üben, man es andererseits aber auch beleben muss“, sagt Katharina Ernst, die im Alter von neun Jahren zum ersten Mal auf einem Schlagzeughocker saß. Dem Schlagzeug immer die Rolle des Taktgebers zuzuweisen, hält sie für problematisch. „Ich beschäftige mich seit vielen Jahren damit, dass es in den Sachen, die ich mache, keine automatischen Rollenzuweisungen gibt. Es mag zwar vielleicht Momente geben, in denen das Schlagzeug den Rhythmus vorgibt, allerdings muss man diesem nicht zwingend folgen.“
Womit wir auch schon wieder beim Thema des Stücks und in gewisser Weise auch bei den Arbeitsprozessen wären, die dem Performance-Abend zugrunde liegen. „Für uns ist es immer ein kollektiver Prozess“, hält Martina Rösler fest. Die Tänzerin und Choreografin wurde 1985 in Klagenfurt geboren und ist Teil des Theaterkollektivs makemake produktionen. „Ziel der Zusammenarbeit ist es, all die unterschiedlichen Ebenen – wie Tanz, Text und Musik – so miteinander zu verschränken, dass es eine Gleichwertigkeit zwischen den Elementen gibt“, fügt sie hinzu. Die Textelemente in „Unisono“ stammen aus der Feder der Salzburger Autorin und Dramaturgin Theresa Seraphin.
Spielerischer Umgang
Viele der Kompositionen, wie sie nun in „Unisono“ vorkommen, brachte die in Berlin lebende Katharina Ernst schon in die Proben mit. „Für mich war es eine extrem luxuriöse Situation“, erinnert sie sich lachend. Wie sie das meint, wollen wir wissen. „Es gab eine sehr gute und geordnete Dokumentation der Vorproben aus dem vergangenen Jahr, auf deren Basis ich schon viel vorbereiten konnte. Außerdem hatte ich auf Anhieb viele Ideen dazu, weil das ja Themen sind, die einen ein Leben lang beschäftigen.“ Dieser Aspekt ist auch Martina Rösler wichtig.
Sie betont, dass es zwar eine Performance für Jugendliche ab 12 sei, darüber hinaus aber allen Altersschichten offen stünde. In Situationen, in denen der Spaß an einer gemeinsamen Bewegung plötzlich in bitteren Ernst und in den Wunsch sich freizustrampeln kippt, kann man schließlich nicht nur als Teenager*in hineingeraten. Gemeinsam mit den vier Performer*innen haben Martina Rösler, Katharina Ernst und der Rest des Teams, einen spielerischen Umgang mit diesen Themen entwickelt, der rasch eine soghafte Wirkung entfaltet und eine Fülle von Anknüpfungspunkten bietet.