Eine der gewagtesten und interessantesten Inszenierungen des heurigen Festspieljahrs ist die Zusammenführung zweier Werke, die eigentlich wie Gegensätze erscheinen. „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók, gekoppelt mit Carl Orffs „De temporum fine comoedia“, in der Regie von Romeo Castellucci und unter der bekanntlich nicht unumstrittenen musikalischen Leitung von Teodor Currentzis. Bartóks Werk gilt als einer der musiktheatralischen Höhepunkte des frühen 20. Jahrhunderts und entwickelt sich gänzlich aus dem Dialog seiner beiden Protagonisten. Dem von Mika Kares gesungenen Blaubart und der von Ausrine Stundyte interpretierten Judith. Sie hat Familie und ihren Verlobten verlassen, um sich mit ihm zu vermählen. In seiner steinernen kalten fensterlosen Burg befinden sich sieben verschlossene Türen.

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Die junge Frau will erfahren, was sich hinter diesen verbotenen Pforten verbirgt und entdeckt schließlich Foltergeräte, Waffen, Schmuck, Schätze, einen Garten und überall auch Blut. Hinter der letzten, siebenten Tür macht sie eine besonders bizarre Entdeckung: Blaubarts frühere Frauen, in reiche Gewänder gehüllt und, anders als in der dem Libretto zugrunde liegenden Sage, durchaus lebendig: die Frau des Morgens, des Mittags und des Abends. Judith selbst wird schließlich, gekleidet in einen Sternenmantel und ebenfalls mit Juwelen behangen, zur Frau der Nacht. „Und immer wird nun Nacht sein … Nacht … Nacht …“ Ende.

Ausrine Stundyte – Bizarres Geheimnis hinter verschlossener Tür
Ausrine Stundyte als Judith in „Herzog Blaubarts Burg“ bei den Salzburger Festspielen 2022.

Foto: SF/Monika Rittershaus

Helle Freude mit dunklen Seiten

Für eine Darstellerin vom gesanglichen Rang einer Ausrine Stundyte, die um interessante Frauenfiguren noch nie einen Bogen gemacht hat, ist diese auch durch Kindesverlust traumatisierte Judith ein Glücksfall. Sie erforsche gerne die dunklen Seiten der Seele, meinte die Sopranistin in einem Interview. Damit hatte sie in Salzburg schon als „Elektra“ unter Franz Welser-Möst großen Erfolg, und auch „Herzog Blaubarts Burg“ brachte ihr ob der Intensität ihres Spiels und Gesangs hervorragende Kritiken und anhaltenden Premierenapplaus ein.

Geboren in Vilnius, studierte sie Gesang an der litauischen Musikakademie sowie an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig. Hier begann auch ihre Laufbahn mit Auftritten an der Oper Leipzig, dem ein Festengagement an der Oper Köln folgte, ehe ihre internationale Karriere Fahrt aufnahm. Heute singt sie an allen namhaften Häusern zwischen Antwerpen, München, Berlin, Paris, Venedig, Helsinki, Amsterdam, Florenz und Madrid.

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Immer wieder Wien

2019 feierte sie als „Salome“ ihr Hausdebüt an der Wiener Staatsoper, wo sie 2021 als „Elektra“ mit großer Wucht überzeugen konnte und 2023 in eben dieser Rolle wiederkehrt. Auch am Theater an der Wien – als Renata in Sergei Prokofjews „Der feurige Engel“, Regie: Andrea Breth –, im Wiener Konzerthaus – als Titelheldin in Paul Hindemiths Kurzoper „Sancta Susanna“ – und an der Volksoper – als Leonore in „Fidelio – war sie schon zu erleben. Wien bezeichnete sie einmal als ihre „Liebesstadt“, immerhin habe sie hier ihren Ehemann und ihren Agenten kennengelernt.

Als Konzert- und Liedsängerin trat Ausrine Stundyte u.a. im Gewandhaus Leipzig, der Kölner und Essener Philharmonie sowie mehrfach in Tokyo auf.

Zur Person: Ausrine Stundyte

Geboren in Litauen, studierte die Sopranistin Gesang in Vilnius und Leipzig. Zu ihrem Repertoire zählen die Titelrollen in „Elektra“, „Salome“, „Tosca“ und „La Gioconda“ ebenso wie Cio-Cio-San in „Madama Butterfly“, Judith in „Herzog Blaubarts Burg“, Katerina Ismailowa in „Lady Macbeth von Mzensk“, Marietta in Korngolds „Die tote Stadt“, oder Venus in „Tannhäuser“. Ausrine Stundyte arbeitete u.a. mit den Dirigent*innen Franz Welser-Möst, Fabio Luisi, Kent Nagano, Julia Jones, Ingo Metzmacher oder Zubin Mehta zusammen und stand in vielen Inszenierungen von Calixto Bieito auf der Bühne.