Beruflich erfolgreich, verheiratet, zwei Kinder. So weit, so ungewöhnlich. Wäre da nicht schon früh der Drang, sich in den Kleidern der Mutter vor dem Spiegel zu bewundern. Klaus verdrängt, verheimlicht, verzichtet. Bis sich eines Tages sein wahres ich Bahn bricht und er den Entschluss fasst, zukünftig als Frau zu leben. Rory Six, aus dessen Feder „Ein wenig Farbe“ stammt, ließ sich von vielen Gesprächen mit Transfrau Sophie Giller zu diesem Stück inspirieren.

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Mark Seibert steht dabei nicht nur mehr als zwei Stunden solo auf der Bühne, sondern fungiert auch als Co-Produzent. Wie kam es dazu? „Mir wurde ‚Ein wenig Farbe‘ schon zu einem früheren Zeitpunkt vorgeschlagen, und ich fand es auf Anhieb berührend, spannend, toll, habe es aber zeitlich nicht hinbekommen. Zwei Jahre später gab dann auch mein Terminkalender grünes Licht, und ich habe Rory Six vorgeschlagen, es selbst zu produzieren, weil ich bei meinen Konzerten gute Erfahrungen damit gemacht habe, auch als Veranstalter zu agieren. Wir haben im Mai 2024 drei Vorstellungen angesetzt, aus denen schließlich sechs wurden, die allesamt ausverkauft waren. Weil die Nachfrage so groß war, haben wir beschlossen, am 7. September noch eine Aufführung im Theater Akzent und danach zwei weitere Abende in Deutschland zu spielen“, erzählt Mark Seibert gut gelaunt im Interview.

Der Titel des Stücks stehe für Vielfalt, Toleranz und eine offene Community, wie sie auch die Regenbogenflagge symbolisiere, andererseits nähme sie auch Bezug auf den jungen Klaus, der heimlich das Make-up seiner Mutter benutzt habe. „Ein wenig Farbe im Gesicht hat ihn in eine neue Welt gebracht und seine wahre Identität ausleben lassen.“

Mark Seibert
Ein Seidenpyjama reicht Mark Seibert als Kostüm. Innere Konflikte werden nur durch seine intensive Darstellung nach außen getragen.

Foto: Iris Hamann

Pure Präsenz

„Ich finde es spannend, mich mit diesem Stück in eine Welt zu begeben, mit der ich privat keinerlei Berührungspunkte habe“, erklärt Mark Seibert seine Motivation, die Rolle anzunehmen. „Für mich war es eine Herausforderung, in die Transgender-Thematik eintauchen zu dürfen. Und weiterführend war es auch mein Ziel, das Mark-Seibert-Publikum, das ich mir in 25 Jahren aufbauen konnte, mit einer Materie zu konfrontieren, die ihm bisher vielleicht fremd war. Ich will mich nicht moralischer machen, als ich bin, und ich weiß, dass Unterhaltung manchmal einfach nur unterhalten sollte, aber in diesem Fall denke ich schon, dass Toleranz nur dann möglich ist, wenn man die andere Seite auch versteht. Jene Seite, mit der man nichts zu tun hat, die einem unverständlich erscheint, die man eventuell sogar ablehnt, weil man sie abstoßend findet. Ich bin sicher, dass jeder, der das Stück gesehen hat, etwas davon mit nachhause nimmt, an das er sich vielleicht später im persönlichen Zusammentreffen mit einer von der Thematik betroffenen Person erinnern kann.“

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Mark Seiberts maskuline Optik macht den anfänglichen Konflikt von Klaus noch viel stärker nachvollziehbar. Er benötigt dazu auch kaum Kostüme und erst spät im Stück eine Perücke. Die innere Zerrissenheit und das folgende Aufbegehren gegen biologische und gesellschaftliche Zustände werden ausschließlich durch sein intensives Spiel gegenwärtig. Zudem stellt er zwölf weitere Personen dar: vom Therapeuten über Klaus‘ Söhne bis hin zu seiner Ehefrau. „Das Stück spielt in der Nacht vor der geschlechtsangleichenden Operation, in der Helena, wie sie sich nun bereits nennt, nicht schlafen kann und einer Krankenschwester ihre persönliche Geschichte erzählt.“ Die Musik sei im Folk-Chanson-Bereich angesiedelt und werde von einer fünfköpfigen Band, bestehend aus Klavier und Streichern, instrumentiert, so Mark Seibert. „Die musikalische Qualität war ebenfalls ein großes Argument für mich, ‚Ein wenig Farbe‘ machen zu wollen.“

Mark Seibert
„Ich finde es spannend, mich mit diesem Stück in eine Welt zu begeben, mit der ich privat keinerlei Berührungspunkte habe“, erklärt Mark Seibert seine Motivation, die Rolle anzunehmen.

Foto: Iris Hamann

Banale Brutalität

Mark Seibert traf Sophie Giller, deren persönliche Geschichte das Stück maßgeblich beeinflusste, ohne es zu ihrer Biografie zu machen, in der Vorbereitung mehrere Male. „Aber eigentlich hatte sie alles, was wichtig war, ohnehin schon Rory Six erzählt, sodass ich unsere Treffen gar nicht als Recherche empfand.“ Gelernt habe er dabei dennoch einiges. „Zum Beispiel wusste ich nicht, dass man sich vor einer Laserbehandlung zur Haarentfernung die Haare erst einmal wachsen lassen muss. Das ist für jemanden, der seine Barthaare für immer loswerden will, natürlich absurd, aber unumgänglich.“ In einer Szene sei ihm auch die Gnadenlosigkeit der Außenwelt gegenüber Transgender-Personen besonders bewusst geworden. „Da schlüpfe ich in die Rolle einer Frau, die Helena anschreit, sie könne doch nicht, nur weil sie ein lächerliches Kleid trage, auf die Damentoilette gehen. Das ist brutal. Du fichst mit Dir selber einen Kampf aus, der über Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte geht, musst dein ganzes Leben verändern, um dort anzukommen, wo du dich zuhause fühlst, deine Freunde wenden sich ab, deine Angehörigen wollen nichts mehr mit dir zu tun haben, du verlierst möglicherweise deinen Job. Das sind Dinge, die wirklich zum Nachdenken anregen.“ Und hoffentlich auch das empathische Empfinden aktivieren. Für Sophie Giller – Helenas Blaupause – ging übrigens alles gut aus. Sie konnte, trotz anfänglicher Widerstände, sogar ihre Familie zusammenhalten und führt weiterhin ein selbstbestimmtes Leben.

Mark Seibert hat vor, „Ein wenig Farbe“ auch in Zukunft immer wieder auf die Bühne zu bringen. „Schon allein deshalb, weil es viel Arbeit war, das Stück einzustudieren“, lacht er. Wer Interesse daran hat, sollte öfter auf seiner Homepage vorbeisurfen. Aktuell spielt er „Elisabeth“ in Shanghai. Danach stehen u.a. „Musical Moments“, „Hollywood Classics“ und „Die Große Weihnachtsgala der Musicalstars“ an. „Auch im nächsten Jahr werde ich zwischen Konzerten und Theater pendeln. Das ist eine gute Mischung, die mir Spaß macht und familienfreundlich ist.“ Schließlich ist er heuer im Juli zum zweiten Mal Vater geworden.

Termine & Infos: mark-seibert.com