Eigentlich heißt es ja: Wenn es einen vom Pferd geschmissen hat, sofort wieder aufsteigen und weiter geht’s. Weiter geht es auch für „Horses – das Musical“, jedoch ohne vorherigen Absturz. Ganz im Gegenteil. Als die Produktion nach mehrmaligen, pandemiebedingten Verschiebungen im Oktober 2022 endlich Premiere feierte, sorgte sie für Lobenshymnen seitens der Kritiker*innen und zügellosen Jubel seitens des Publikums. (Warnung an dieser Stelle: In diesem Artikel wird tief in die Metaphernkiste gegriffen.)

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Nun geht es also in gestrecktem Galopp in die zweite Runde – vom Petersplatz ist das Musical allerdings ins Kabelwerk umgezogen und dort bis 14. März zu sehen. „Es ist keine klassische Wiederaufnahme“, hält Regisseur Imre Lichtenberger Bozoki fest und verweist dabei auf die größere Bühne und eine Umbesetzung im Ensemble. „Außerdem sind uns vier bis sieben neue Gags einfallen“, fügt er lachend hinzu.

Ein Pferdeflüsterer muss her

Ansonsten sei der Stoff, der sich rund um einen fahrerflüchtigen, rechtskonservativen Redenschreiber mit Burn-out entspinnt, immer noch topaktuell, so der Regisseur und Musiker. „Die große Qualität des Stückes ist, dass es keine eindeutigen Lösungen anbietet und auch keine politische Eindeutigkeit mitbringt.“ Kurz: Alle, egal ob sie sich politisch eher links oder rechts der Mitte verorten würden, kriegen in diesem Musical ihr Fett ab. „Wir versuchen deutlich zu machen, dass eine überhebliche Haltung in Zusammenhang mit der eigenen Position keine gute Sache ist. Ich finde, dass man sich bei jeder Entscheidung, die man trifft, fragen sollte, was denn wäre, wenn ich nicht im Recht bin. Am Ende lassen wir deshalb auch alle Figuren auflaufen“, erklärt Imre Lichtenberger Bozoki.

Der rechtskonservative Redenschreiber landet im Übrigen auf dem „Gut Mensch“, wo eine linke Erbin, ihre beste Freundin aus Punkzeiten und ein Verschwörungstheoretiker namens Walter ihr Ding machen. Als ihnen das kranke Pferd Che Guevara einen Strich durch ihren Business Plan zu machen droht, ist klar: ein Pferdeflüsterer muss her. Das alles klingt im ersten Moment so gar nicht nach Musical, das ja vor allem von emphatischen Gefühlen, Heldenreisen und großen Happy Ends zu leben scheint. Und dann klingt es wieder doch sehr danach – denn musikalisch bietet „Horses“ so ziemlich alles auf, was man sich so vorstellen kann. Und das ist, wie Imre Lichtenberger Bozoki betont, doch eine der größten Stärken dieses Genres: „Im Musical kann und darf alles sein. Man muss sich musikalisch nicht kompromittieren lassen. Mir war es wichtig, eine Story zu haben, aber Genre-Grenzen gab es nie.“

Zwar wird das Pferd hin und wieder durchaus von hinten aufgezäumt, ein Anti-Musical ist „Horses“ aber keineswegs. Obwohl sie im fliegenden Galoppwechsel von einem Genre ins andere springt, nimmt die Produktion das Genre an sich ernst. „Nichts macht mir größere Freunde, als wenn Leute nach der Vorstellung sagen: Eigentlich mag ich keine Musicals, aber …“, hält der Regisseur lachend fest. Bei ihm selbst sprang der Funke im Jahr 2016 über, erinnert er sich. „Ich habe Jimmy Fallons ‚Tonight Show‘ gesehen. Lin-Manuel Miranda, der Komponist des Musicals ‚Hamilton‘ war zu Gast. Als die Begriffe Musical und Hip-Hop in einem Satz fielen, bin ich neugierig geworden, habe mir das online angesehen und war total begeistert. Danach habe ich alle Klischees über Bord geworfen.“

Horses das Musical
Suse Lichtenberger und Claudia Kottal in „Horses – das Musical“.

Foto: Apollonia Theresa Bitzan

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Reise durch die Genres

Eine weitere Besonderheit der Produktion ist, dass alle, die spielen, auch singen und umgekehrt. Für den in Amstetten geborenen Komponisten und Kontrabassisten Georg Breinschmid eine ganz neue Erfahrung. „Ich bin zum ersten Mal als Schauspieler bei einer Theaterproduktion dieser Art dabei. Aus dem Jazz und der klassischen Musik kommend habe ich außerdem noch nie für ein Musical komponiert“, sagt er lachend. Für „Horses“ hat er sowohl das eine als auch das andere gemacht. Und widmet sich obendrein auch noch seinem sogenannten Kerngeschäft – dem Kontrabassspielen. „Ich habe vor einigen Jahren einen Laienschauspielkurs gemacht und hatte, nachdem ich Imres Stück ‚Familie Tot‘ gesehen hatte, Lust mich schauspielerisch ein bisschen auszuprobieren. So kam diese Zusammenarbeit zustande, die dann rasch ein Eigenleben bekommen hat.“

Den einzelnen Nummern hat er sich vollkommen intuitiv genähert, so der Musiker, der zu den besten und bekanntesten Kontrabassisten des Landes zählt. „Ich habe mich mit der Bassgitarre hingesetzt und zwischen Punksong, Ballade und Polka herumprobiert“, erinnert sich Breinschmid, der es schade findet, wenn sich Menschen von Genre-Bezeichnungen abgeschreckt fühlen. „Neugierig und offen sein“, lautet sein Appell.

Neugierig ist auch Imre Lichtenberger Bozoki weiterhin. „Ich befinde mich immer noch auf meiner Reise durch die Musiktheater-Genres. Gerade schreibe ich eine Oper für die Rabtaldirndln und habe eine Förderung für eine Operette mit dem Titel ‚Die Fledermaus – eine zoonotische Operette‘ bekommen. Da wird es um eine Tierärztin mit dystopischen Zukunftsvisionen gehen.“ Klingt nach einem wilden Ritt. Und auch nach vorfreudig scharrenden Hufen. Wir sind gespannt.

Zu den Spielterminen von „Horses – das Musical“ im Theater am Werk