„Ich bin in Proberäumen aufgewachsen.“ Wahrscheinlich nicht der schlechteste Spielplatz für einen angehenden Sänger, der David Jakobs bereits als Teenager war. Als Sohn leidenschaftlicher semiprofessioneller Musiker, die mit ihrer Band bis heute durch Nordrhein-Westfalen touren, debütierte der gebürtige Mönchengladbacher mit zwölf Jahren als Gavroche in der deutschsprachigen Erstaufführung von „Les Misérables“.

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„Ich war in einer Kindertheatergruppe, meine Mutter hat in einem Regionalblatt vom Casting gelesen, ohne zu wissen, wofür genau dieses sein sollte. Erst als ich die Rolle des Gassenjungen bekommen hatte, wurde mir klar, dass unter anderem für diese Produktion ein eigenes Theater in Duisburg gebaut wurde“, erinnert er sich amüsiert. „Meine Augen haben wahrscheinlich dermaßen geleuchtet, dass mir meine Eltern den Wunsch dabeizusein nicht mehr abschlagen konnten.“

Er sang die Premiere und blieb für weitere eineinhalb Jahre Gavroche, ehe der Stimmbruch mit seinen bekanntlich sprunghaften Tücken das temporäre Karriereende bedeutete. „Danach habe ich mich mehr für Theater und Film interessiert als für Musical. Ich bin mit dem Geld, das ich als Kinderdarsteller verdient habe, viel gereist und war zum Beispiel als Entwicklungshelfer in Südafrika tätig.“

Erst eine „Elisabeth“-DVD mit Serkan Kaya als Luigi Lucheni brachte ihn zu seinen Ursprüngen zurück. „Er war so echt und frech. Ich dachte, wenn man beim Musical das machen kann, was er macht, dann will ich da auch hin.“ Also begann er mit 23 Jahren doch noch eine einschlägige Ausbildung und machte sich schon während des Studiums in mehreren Rollen einen Namen. Zu seinen späteren Produktionen zählen u. a. „Hair“, „Jesus Christ Superstar“, „Das Wunder von Bern“, „Catch Me If You Can“, „Evita“ oder zuletzt „Ku’damm 56“ im Theater des Westens in Berlin – und natürlich das Musical „Der Glöckner von Notre Dame“, dessen Titelrolle er vor Wien bereits in Berlin, München und Stuttgart verkörperte.

Der Glöckner von Notre Dame
Introvertierte Haltung – expressive Darstellung. Sechsmal pro Woche schlüpft David Jakobs in das Kostüm seiner Quasimodo-Figur und damit auch in eine unnatürliche Körperhaltung. Das „Anderssein“ der Rolle beschäftigt den Schauspieler und Sänger sehr.

Foto: Deen van Meer

Alle anders – alle gleich

„Für die Figur des Quasimodo ist wichtig, sie lebendig zu halten“, so David Jakobs. „Auch wenn die Geschichte gleich bleibt, hat die Rolle viel Spielraum, was für ihre Nachvollziehbarkeit essenziell ist. Quasimodo wird von der Gesellschaft als andersartig erlebt, er bewegt sich anders, sieht anders aus. Aber wer hat hier eigentlich die Beurteilungshoheit? Genauso gut könnte er behaupten, wir seien anders. Je verständlicher sein Charakter ist, desto eher können sich die Zuschauer mit ihm identifizieren.“ Die Faszination an ihm sei das Pure, Kindliche, Ungefilterte.

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„Eigentlich sind alle in der Geschichte Outlaws. Sie gehören nicht dazu, werden beurteilt, an den Pranger gestellt. Am Ende gibt es das wunderschöne Requiem, wo Quasimodo aus seiner Figur heraustritt und alle anderen in die Verformung hineingehen. Sie zeigen damit: Wir sind wie du. Dass wir alle anders sind und somit alle gleich, ist für mich der Kern des Stücks.“

David Jakobs tut viel, um diese auch körperlich diffizile, anatomisch nach innen gekehrte und mit einem Buckel versehene Figur auszufüllen. „Man braucht Kraft in den Armen, um sechs Mal die Woche an einem Glockenseil zu hängen. Mir kommt zugute, dass ich in meiner Freizeit ohnehin gerne klettere und auch sonst sehr agil bin“, erklärt er den physisch anspruchsvollen Faktor seines Berufs. „90 Prozent aller Musical-Darsteller*innen trainieren täglich im Fitnesscenter. Ich nicht mehr so oft, aber ich habe eine zweijährige Tochter, die es liebt, hochgeworfen zu werden, was einem die Hanteln ein wenig ersetzt.“ Nach jeder schweißtreibenden Show müsse er 45 Minuten lang Yoga und Stretching machen, um den Körper wieder in seinen Originalzustand zu bringen. „Es ist wie Hochleistungssport, zu dem man einen Ausgleich braucht.“

Ein Tipp für Fans: Wer David Jakobs vor einer Vorstellung anspricht, hat wahrscheinlich mehr Chancen auf ein Selfie oder eine Unterschrift als danach …

Zur Person: David Jakobs

spielte mit zwölf Jahren in „Les Misérables“, studierte Musical in Essen, war am Düsseldorfer Schauspielhaus engagiert und verkörperte an zahlreichen deutschen Theatern große Musicalrollen. Quasimodo in „Der Glöckner von Notre Dame“ stellte er in Berlin, München und Stuttgart dar. Ende Juni ist er als solcher zum letzten Mal im Ronacher zu sehen.

Offene Zukunft

Was tut man als Musical-Darsteller mit 60, wenn der Kräfteraub eventuell nicht mehr möglich ist? „Das weiß ich nicht, weil ich’s noch nicht bin. Aber bei mir verändert sich gerade generell etwas. Ich arbeite seit 15 Jahren, und es macht mir nach wie vor Freude, aber ob ich es in dieser Intensität weitermache, weiß ich noch nicht. Auf lange Sicht glaube ich nicht, dass ich sechs bis acht Shows pro Woche spielen möchte.“

David Jakobs interessiert sich seit geraumer Zeit für Regie, knüpft Kontakte zum Film und schreibt seine eigene deutschsprachige Musik. „Es geht in die Richtung Singer-Songwriter, ich habe an die dreißig Songs in der Schublade, die darauf warten, dass etwas mit ihnen geschieht.“ Dafür brauche er allerdings Zeit, die im Moment noch Mangelware sei.

Ende Juni läuft „Der Glöckner von Notre Dame“ aus. Welche Projekte im Herbst anstehen, weiß er natürlich längst, hatte er doch bereits bei Vertragsunterzeichnung in Wien fixe Anschlussengagements in Deutschland. „Nur was ich mache, kann ich nicht sagen, weil die Spielpläne erst präsentiert werden. In Wien ist – abseits vom Sommer in Schönbrunn mit ‚Elisabeth‘ – erst einmal nichts Weiteres geplant, aber ich komme immer wieder gerne hierher zurück.“