Mein Theatersommer: AntoN Widauer
Zum Zeitpunkt des BÜHNE-Interviews befindet sich der Schauspieler AntoN Widauer im Garten eines kleinen Häuschens in Reichenau. Seit 5. Juli steht er als „Anatol" bei den Festspielen Reichenau auf der Bühne. Über Proben im Sommer und einen Lesetipp, den er auch seiner Figur Anatol ans Herz legen würde.
Wie geht es dir und wo erwischen wir dich gerade?
Ich sitze gerade im Garten eines mir sehr lieb gewonnenen kleinen Häuschens in Reichenau. Und trotz äußerst ereignisreichen letzen Wochen bin ich jetzt sehr ausgeglichen und freue mich schon auf unsere Premiere und das Publikum. Vielleicht bin ich auch so gut gelaunt, weil ich bei dieser Bergluft nachts immer unfassbar gut und tief schlafe.
Wie ist es, zu proben, während alle in Urlaubsstimmung sind?
Wenn ich mich auf die Proben konzentriere, bekomme ich meist gar nicht mit, wer sonst alles in Urlaubsstimmung ist. Deshalb kann ich das so gar nicht vergleichen… Ich probiere ja auch wirklich sehr gerne. Und wenn das Ensemble und die Regie so gut und gerne zusammen an einer Vision arbeiten, wie hier, ist das ja auch fast wie Urlaub von manch anderen Theaterprozessen.
Wie sehen deine Strategien für einen kühlen Kopf aus?
Gute Planung ist wichtig. Ich bin ein ziemlicher Tausendsassa und habe meist mehrere Projekte nebeneinander laufen. Während unserer Proben habe ich beispielsweise zusätzlich für die ORF-Serie „Biester“ drehen dürfen. Da ist es dann sehr wichtig, mit allen offen zu kommunizieren, gut zu planen und alles früh vorzubereiten. Und dann muss ich vertrauen, dass ich immer einen Schritt nach dem anderen machen kann und mir für diese Schritte auch Zeit nehme.
Wie schaut ein typischer Theatersommer bei dir aus?
In den letzten Jahren eigentlich immer sehr voll. Haha. Während der Vorstellungszeit in Reichenau genieße ich aber meist die Zeit mit den Kolleg*innen und freue mich wirklich jedes Mal aufs Neue, unserem Publikum etwas mitzugeben. Ich denke, auch dieses Jahr mit Anatol wird es viel geben, über das danach sinniert oder diskutiert werden kann.
Bleibt da noch Zeit für Freizeit?
Mal mehr, mal weniger. Bei einem sehr vollen Kalender versuche ich mir immer, die kleinen Pausen ganz groß zu denken. Und auch wenn ich mir nicht sehr viel von Anatol fürs Private abschauen werde - die Fähigkeit im Moment zu genießen, ist doch etwas, was ich mir immer wieder vornehme.
Wie würdest du die Atmosphäre in Reichenau beschreiben?
Proben, wenn man danach direkt ins Grüne spazieren gehen und den Kopf auslüften kann, ist eine große Freude! So geht es mir tatsächlich auch bei den Vorstellungen, davor und danach. Die frische Luft hier zu genießen hat eine ganz besondere Wirkung. Ich hoffe, das transportiert sich auch im Spiel. Aber das muss das Publikum dann beurteilen.
Wie reagiert das Publikum im Sommer? Anders als sonst?
Ich denke, grundsätzlich ist das Publikum im Sommertheater besser aufgelegt. Was nicht heißt, dass man sich hier zurücklehnen darf; im Gegenteil. Wenn das Publikum den Aufwand einer Anreise und vielleicht sogar einer Nacht oder länger nicht scheuen und wir das große Highlight sind, geht damit auch eine gewisse Verantwortung einher. So empfinde ich das zumindest. Ich bin aber grundsätzlich ein Freund davon, dass Theater seiner Verantwortung dem Publikum gegenüber auch nachkommt. Und ich freue mich jedes Mal, wenn uns das Feedback zeigt, dass wir damit am richtigen Weg sind.
Dein Lese-, Musik- oder Podcasttipp für den Sommer?
Passend zu unserem Stück würde ich allen „The Will to Change: Man, Masculinity and Love“ von Bell Hooks empfehlen. Wenn wir uns die Worte dieser tollen Denkerin zu Herzen nehmen, gäbe es vermutlich viel weniger Kriege; im Großen, wie im Kleinen. Da können wir alle viel lernen. (Auch Anatol könnte von diesem Buch sehr profitieren und vielleicht die ein oder andere Veränderung einleiten, die er für seine Beziehungen dringend benötigte.)