13 Fragen an Regisseur Calixto Bieito
Er gilt als Regie-Genie und verstörte – bis selbst konservative Opernfans erkannten, dass Calixto Bieito Geschichten einfach nur so gerade wie möglich erzählt. An der Staatsoper inszeniert er jetzt „Tristan und Isolde“. Uns hat der Spanier erzählt, wie er das angeht.
Er trägt Glatze und Schwarz. Calixto Bieito kommt gerade von den letzten Proben zu „Tristan und Isolde“. Im Teezimmer des Kaisers soll das Interview stattfinden. Bieito ist es dort aber zu dunkel. Wir landen im leeren Marmorsaal der Wiener Staatsoper. Eine Putzfrau saugt gerade. Bieito spricht langsam, leise. Manchmal greift er einen dabei an. Er springt gerne von einem Thema zu anderen.
Er kann sehr, sehr einsilbig sein, wenn er will. Viel Schalk blitzt da in seinen Augen. Es ist nie ganz klar, was er ernst meint und was nicht. Ein Buster Keaton des Interviews. Das ist also der Mann, dessen Inszenierungen das Opernpublikum schockten, bis es letztendlich verstand, dass Bieito Opern und ihre Geschichten einfach nur auf das Wesentliche komprimiert. Am Ende des Gesprächs werden wir über griechisches Essen reden und unsere Kinder. Davor aber sprechen wir mit dem Spanier über Richard Wagner, reine Liebe und was er als Student von George Tabori gelernt hat.
Wird Ihr Tristan die reine Liebe finden?
1. Sie haben doch einmal gesagt: „Ich versuche, Energieverschwendung
zu vermeiden.“ Wie machen Sie das? Kiffen? Wissen Sie, ich weiß nicht, wie ich meine Energie dosieren soll. Ich weiß nur: Ich hasse es, Energie für nichts zu verschwenden. Davon sind die Menschen, mit denen ich arbeite, ausgenommen. (Er lächelt.)
2. Tristan und Isolde“ ist doch eigentlich nichts anderes als ein Liebesgedicht. Ich verstehe – Sie wollen es einfach. (Er grinst und beginnt, wie ein Jahrmarktschreier zu reden.) Meine Damen und Herren, kommen Sie! Wollen Sie die Liebe und den Tod von Tristan und Isolde kennenlernen? Treten Sie ein! (Er lacht.) Aber es stimmt: Es ist ein Gedicht über Liebe und Tod und über die Unmöglichkeit, sich zu lieben.
3. Die Oper birgt viele Träume, Illusionen Ja, und das Stück ist voller Nebel und voller Verlangen, das nie mit der Liebe zusammenfindet. Es ist voller Nacht. Es ist voller Demut und Flüssigkeiten.
4. Wird man am Ende in Ihrer Inszenierung die reine Liebe finden?
Ich habe keine Ahnung, was die „reine Liebe“ ist, aber – warten Sie: Es ist, wenn man für seine Liebe nichts erwartet und nichts erfragt. Die Liebe in „Tristan und Isolde“ ist die Geschichte einer verrückten, romantischen Liebe. Es ist eine Amour fou. Warum also nicht?! Das ist doch fantastisch.
5. Warum sind Wagners Geschichten immer so unglaublich verwirrend? Möglicherweise, weil Wagner einfach zu viel sagen wollte, zu viele Sachen gleichzeitig erzählen wollte. Es scheint, dass er zu viele Worte um sehr einfache Dinge machte. Aber dann sind da plötzlich seine sehr klaren Sätze. Er hat mit der Idee der „versteckten Ecken“ gearbeitet – er hat seine ganz privaten Geschichten darin versteckt. Und über all dem ist diese fantastische Musik.
Tristan und Isolde von Richard Wagner
Mit Tristan und Isolde schuf Wagner erneut ein wirkmächtiges Operndrama. Jedoch war es kein Leichtes, sein Werk auf die Bühne zu bringen. Weiterlesen...
6. Wie kann man sich als Südländerin die Musik Wagners verlieben? Mein Bruder und ich haben die Musik als Kinder gehört, sind mit ihr aufgewachsen und haben uns wie Superhelden gefühlt. Wir haben dazu gekämpft. Wir wollten lieben und sterben. Diese Musik hat uns Kinder in ein Fantasiereich entführt.
7. Was ist für Sie der Kern der Geschichte? Sie handelt davon, dass man manchmal nicht zueinanderfindet. Vielleicht ändere ich ja das Ende. Es ist doch besser und schöner, wenn man sich findet, oder? (Bieito fängt sehr herzlich zu lachen an. Kann sein, dass er einen Witz gemacht hat; kann aber auch sein, dass wir ihn gerade auf eine Idee gebracht haben.) Ich komme zwar immer mit einer sehr klaren Idee in die Proben, aber währenddessen entwickeln sich Dinge, die ich nicht steuern will. Ich bin kein Polizist, der Künstler*innen Anweisungen gibt. Wissen Sie, das Stück wirkt sehr komplex – ist es aber nicht. Es ist eigentlich sehr einfach.
8. In welcher Zeit wird Ihr „Tristan“ spielen?
Er ist zeitlos. Sagen wir: in den 1970er-, 1980er-Jahren. Zeitlos. Ich liebe die Geschichten von François Truffaut.
9.... bedeutet: Es wird leicht, beschwingt, voll schöner Frauen und Bücher und schwarz-weiß?
Ich habe Kunst und Geschichte studiert und Meisterklassen bei Peter Zadek gemacht und bei Giorgio Strehler. Und ich habe hier in Wien George Tabori bei der Arbeit zugesehen. Mein großer Mentor war aber Adan Kovacsics, ihm verdanke ich viel. Ich habe damals auch gemalt und Gedichte geschrieben. Sie wären fast veröffentlicht worden. Der Verlag wollte den Titel „Die Kunst der Provokation“.
Aber das war so dumm, dass ich ihnen den Vorschuss zurückgezahlt habe. Wissen Sie, ich liebe Francis Bacon – er inspiriert mich. Ich komme aus der Tradition von Goya, Velázquez. Ich liebe Fotografie, und ich liebe es, Installationen zu machen. Gerade eben habe ich mit François-Xavier Roth rund um Bernd Alois Zimmermanns Musik eine Installation an der Elbphilharmonie gemacht. Wir haben es „Canto di speranza“ genannt. Ich war auch Kurator für die Ausstellung „Roaring Twenties“ im Guggenheim Museum in Bilbao. (Ich merke, Calixto Bieito entschwindet gerade thematisch. Zeit, ihn mit einer Frage zurückzuholen.)
10. Wie viel Mord und Blut wird es in Ihrer „Tristan“-Inszenierung geben? Keine Ahnung. Manchmal sagen mir Sänger: „Lass uns morden, lass uns morden.“ Oder sie sagen: „Lass mich mit Blut spielen.“ Ich denke mir dann: Wieso nicht? Wir sind doch alle gerne Kinder.
11.Wird es nackte Sänger geben, so wie Sie es in Ihrer „Freischütz“-Inszenierung gemacht haben?
Nein. Ich denke, nicht. Wenn Menschen nackt sind, dann sind sie völlig frei, und dann gibt es keinen Konflikt mehr. Das wäre für das Stück nicht gut.
12. Meine Schwiegermutter sagt, dass Sie ihre „Carmen“ zerstört haben ... Das tut mir leid. Aber es gibt einen verbreiteten Irrtum: „Carmen“ ist keine Liebesgeschichte – es geht um Obsession! Um Menschen, die sehr, sehr schnell leben müssen. Um Menschen an Grenzen. Da- her ist das eine sehr ehrliche Inszenierung, die hier vergangenes Jahr ins Repertoire gekommen ist. (Lächelt.)
13. Was wird das Neue an Ihrer „Tristan und Isolde“-Inszenierung sein?
Ich denke nicht in solchen Kategorien. Ich versuche, authentisch zu sein. Ich schiele nicht nach Provokationen. Ich denke erst an das Publikum, wenn ich zum Schlussapplaus rausgehe. Vorher denke ich nur an die Menschen, mit denen ich arbeite, an das Werk, an die Musik und an den Frieden, den wir bei den Proben haben. Das ist es.