BÜHNE: Wer musikalisches Talent hat, kann aus einer Fülle an Möglichkeiten schöpfen. Warum haben Sie sich für die Gitarre als Instrument entschieden?

Julia Malischnig: Ich habe mich schon als Vierjährige in das Instrument sprichwörtlich verliebt. Mein Herzenswunsch, die Gitarre zu meinem Wegbegleiter zu machen, hat sich erfüllt.

Was inspiriert Sie im Besonderen an der Gitarre? Und was löst ihr spezieller Klang bei Ihnen aus?

Die Gitarre hat so viele Facetten, und man kann durch ihren einzigartigen Klangfarbenreichtum eine ganz besondere intime Atmosphäre erzeugen. Durch die umarmende Haltung des Instruments nahe beim Herzen nehme ich als Gitarristin die Schwingung des Klanges sehr intensiv in mir auf, bevor diese sich dann wie eine Welle auf das Publikum überträgt. Mit dem Klang meiner Gitarre vermag ich das Publikum und mich immer wieder aufs Neue zu überraschen, zu begeistern und zu berühren.

Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, wann man Gitarre spielen möchte? Und wo liegen die Herausforderungen dieses Instruments?

Die Freude und Begeisterung für das Instrument sind die Grundvoraussetzungen. Weiters sind für das Erlernen des Gitarrenspiels die motorischen Fähigkeiten entscheidend. Musikalität, eine große Sensitivität für Zuhören und Hören sind dabei ebenso wichtig. Ein Melodieverständnis und auch das eigene Singen sind von Vorteil, wenn die Gitarre beispielsweise als Begleitinstrument eingesetzt wird. Die Herausforderung beim Erlernen und späteren Perfektionieren des Gitarrenspiels liegt in der Feinmotorik und in der Klanggestaltung. Freude, Talent, Fleiß und Ausdauer sind wichtige Begleiter auf diesem Weg.

Die Gitarre hat vor allem in der Rockmusik eine große Bedeutung. Sie haben klassische Gitarre studiert. Ist sie Ihrer Meinung nach in der Klassik unterrepräsentiert?

Wie bei allen Instrumenten, gibt es auch bei der Gitarre große Unterschiede hinsichtlich Wahrnehmung und Status zwischen den Genres. Ich bin der Meinung, dass jeder Musiker und auch Gitarrist seine eigene Authentizität vertreten und präsentieren muss. Es gibt unzählige großartige klassische Gitarristen, und ich denke nicht unbedingt, dass die Gitarre in der Klassik unterrepräsentiert ist. Vielmehr hat sie die Gabe, weit mehr als die Klassik zu bedienen, und gerade dank ihrer Vielfalt an musikalischen Richtungen, Saitenströmen und Klangfarben die Menschen zu erreichen.

Später kam in Ihrem Fall auch die Stimme als Ausdrucksmittel hinzu. Sind Gitarre und Stimme bei Ihnen künstlerisch gleichberechtigt?

Ich sehe mich als Gitarristin mit Stimme. Die Gitarre ist mein Herz, die Stimme meine Seele.

Neben Ihrer Interpretationstätigkeit komponieren Sie auch selbst. Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?

Meine Kompositionen entstehen immer intuitiv und unvorhersehbar. Die größte Inspiration nehme ich von Reisen mit, von besonderen Begegnungen und berührenden Erlebnissen mit Menschen und Momenten. Meine Musik gibt Einblick in meine Seele, sie ist stets authentisch und erzählt immer Geschichten voller Leidenschaft und Poesie.

Sie sind bekannt für stilistische Vielfalt. Behandeln Sie alle musikalischen Genres gleichrangig oder gibt es auch Musik, die Sie nicht spielen würden?

Ich bin generell sehr offen für alle Musikstile, Strömungen und Kulturen. Kompositionen müssen mich aber in meinem Inneren erreichen, nur dann kann ich sie spielen.

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Antonio Rey
Für Fans der musikalischen Ekstase ein Muss: Das Konzert des international gefeierten Flamenco-Gitarristen und Latin-Grammy-Gewinners Antonio Rey.

Foto: Willi Pleschberger

Das von Ihnen initiierte und geleitete „Art of Guitar Festival Wien“ findet heuer zum zweiten Mal in der Seestadt Aspern statt. Welche Idee steckt hinter diesem Musikevent?

Meine Idee, Vision und gleichzeitig Mission war und ist mit dem „Art of Guitar Festival Wien“ ein hochkarätiges Festival mit internationalen Musikern und Künstlern in der Seestadt zu etablieren, das mit höchster künstlerischer Qualität der Gitarre als Gastgeberin, im Zusammenspiel mit anderen Künstlern, die Menschen begeistert und dabei auch mit großer Strahlkraft einen unverzichtbaren Beitrag zur Kulturentwicklung und Positionierung von Musik, Kunst & Kultur in Europas größtem Stadtentwicklungsgebiet leistet.

Ein Abend wird von Ihnen und Ihrem PROJECT ¡ALEGRÍA! bestritten und als „opulentes Gesamtkunstwerk“ beworben. Was darf man darunter verstehen?

Mein PROJECT ¡ALEGRÍA! zelebriert in einer einzigartigen Musik-Tanz-Kunst-Performance mit einem hochkarätigen Ensemble die Fülle und Vielfalt an Klangfarben und Emotionen als Hymne an das Leben. An meiner Seite musizieren und performen unter anderem Gitarrist Cecilio Perera, Saxophonist Wolfgang Puschnig, Akkordeonvirtuose Klaus Paier, Cellistin Asja Valčić und die international gefeierten Tänzer*innen Maria Shurkhal, Elías Morales Pérez und Marina Razumovskaja. Projektionen der berühmten Marmorköpfe des bildenden Künstlers Harald Schreiber bereichern unsere Aufführung um eine zusätzliche Dimension, die in seelische Tiefen führt. Das Publikum erwartet ein leidenschaftliches Konzert der Lebensfreude, bei dem faszinierende Spiegelbilder zum Staunen, Verweilen, Genießen und Tanzen einladen.

Der zweite Abend ist Antonio Rey und seinem Programm „Historias de un Flamenco“ gewidmet. Zu erwarten ist höchste Virtuosität und Emotionalität. Warum haben Sie gerade diesen Künstler ausgewählt?

Antonio Rey zählt neben Vicente Amigo und Tomatito zu den größten Flamenco-Gitarristen unserer Zeit. Seine Musik ist einzigartig und spricht ihre eigene Sprache. Sein Klang zieht in den Bann, sein Spiel fesselt, und seine Hingabe begeistert und berührt. Er ist höchst authentisch und dabei immer überraschend, voller virtuoser Höchstleistung und gleichzeitig voll spielerischer Leichtigkeit. Mehr als genug Gründe für mich, diesen außerordentlichen Gitarristen und Latin-Grammy-Gewinner 2020, der übrigens für sein aktuelles Album „Historias de un Flamenco“ neuerlich für den aktuellen Latin-Grammy nominiert ist, zum ersten Mal in die Seestadt nach Wien Aspern zu bringen.

An welches Publikum richtet sich das Programm generell?

Das „Art of Guitar“-Festivalprogramm ist so vielfältig, dass es sich an jeden richtet und Menschen jeder Altersgruppe und mit jedem kulturellen Hintergrund anspricht. Unser Programm ist so konzipiert, dass jeder Besucher das Festival in vollen Zügen genießen kann und sicherlich reich beschenkt wird mit zwei einzigartigen Konzertabenden für alle Sinne.

Ist geplant, das Festival hinkünftig eventuell auf mehr als zwei Abende auszuweiten?

Es ist eine große Herausforderung Musik auf höchstem Niveau außerhalb des Zentrums von Wien anzubieten, bekanntzumachen und zu etablieren. Wir befinden uns erst im zweiten Festivaljahr und sind noch damit gefordert, die Basis aufzubauen. Erst wenn die Wurzeln fest verankert sind, werde ich über eine Ausweitung nachdenken.

Ihr Kollege Marcin hat heuer den Opus Klassik gewonnen und bei der Preisverleihung das Publikum live begeistert. Wie wichtig sind solche Auszeichnungen in Ihrem Genre?

Auszeichnungen wie diese sind sehr wichtig, weil sie großartige Musiker und Newcomer wie Marcin auszeichnen und wertschätzen und gleichzeitig dabei auch die Gitarre als Instrument eine größere internationale Präsenz und mediale Aufmerksamkeit erhält.

Was kommt bei Ihnen als Nächstes? Welche Projekte stehen an?

Nach dem „Art of Guitar Festival“ bereite ich mich mit meinen Musikerkollegen auf das Silvestergalakonzert von „La Guitarra esencial“ in Millstatt vor. Parallel laufen bereits die Festival-Vorbereitungen 2025 für das 18. „La Guitarra esencial“-Festival, das von 5.–10.8.2025 in Millstatt am See stattfinden wird, sowie für das 7. „La Guitarra Erl“-Festival, auf das man sich von 14.–16.8.2025 im Festspielhaus Erl in Tirol freuen darf. Für 2025 habe ich bereits auch neue eigene künstlerische Projekte in Planung – neue Spielräume mit unbändiger Spielfreude zu erschließen, ist meine Vision und Mission.

ART OF GUITAR FESTIVAL WIEN
¡ALEGRÍA!
8. – 9. November 2024
Kulturgarage Seestadt Aspern
Am Ostrom-Park 18 | 1220 Aspern
Infos & Tickets: https://wien.gitarrenfestival.at