Opernneuland: „I pazzi per progetto” als österreichische Erstaufführung in Kirchstetten
Als Richard Panzenböck Donizettis Oper „I pazzi per progetto” fand, begann eine aufregende Reise ins Ungewisse. Die opera buffa wurde nämlich noch nie Österreich aufgeführt. Wir haben den Regisseur im kleinsten Opernhaus Österreichs getroffen.
Wie findet man ein Werk von Donizetti, das noch nie in Österreich aufgeführt wurde?
Als wir letzten Sommer über die diesjährige Produktion gesprochen hatten, machten sich alle auf die Suche nach einer passenden Oper. Ich habe viel recherchiert und als ich durch die Werke Donizettis blätterte, bin ich auf I pazzi per progetto gestoßen. Nun begann eine aufregende Reise. Als wir die Noten vom Verlag erhielten, waren wir überrascht, dass diese nur handschriftlich existieren. Der Verlag teilte uns dann auch mit, dass es eine österreichische Erstaufführung ist. Dies konnten wir nicht glauben. Eine Oper eines der bekanntesten Komponisten wurde noch nie in Österreich aufgeführt? Das klang unvorstellbar. Nach weiteren Recherchen und Gesprächen mit Expert*innen erhielten wir die Bestätigung. Das war sehr aufregend! Wann hat man schon die Gelegenheit, eine österreichische Donizetti-Erstaufführung zu inszenieren, bzw. wer hätte gedacht, dass es überhaupt noch ein Werk von Donizetti gibt, das noch nie in Österreich aufgeführt wurde?
Ist es herausfordernd, wenn es keine Referenzproduktion gibt?
Dass es keine Referenzproduktion hierzulande gibt, finde ich persönlich erfrischend, da man vollkommen unvoreingenommen an das Werk herangehen kann. Jedoch erschwert es auch die Arbeit, denn die Noten sind alle handgeschrieben, es gibt keine Übersetzung etc. Das gesamte Ensemble und Team betritt quasi Neuland, wir begeben uns gemeinsam auf eine Entdeckungsreise und alle scheinen abenteuerlustig zu sein. Für das Publikum ist es auch spannend, denn es gab in Österreich bisher keine Produktionen, die man als Vergleich gegenüberstellen könnte.
Was hat Sie an der Oper gereizt?
Ich finde es großartig, dass die Oper in einem Irrenhaus spielt. Die Frage, wer für verrückt gehalten wird, ist meiner Meinung nach auch eine zentrale in unserer Gesellschaft. Was ist die „Norm", wer setzt diese fest und wieso werden Personen außerhalb dieses Spektrums oft als verrückt bezeichnet. Meiner Meinung ist jeder Mensch ein wenig verrückt, manche mehr, manche weniger. Verrückt sein muss nicht immer etwas Negatives sein, es kann sich auch einfach um persönliche Züge von Personen handeln, mit denen andere nicht umgehen können – oder wollen – und so ist es einfacher diese Person als verrückt zu erklären, damit man sich nicht weiter mit ihr oder den eigenen Problemen auseinandersetzen muss. Es ist auch ein Spiel von Macht – wer hat überhaupt die Autorität jemanden für verrückt zu erklären und auf welcher Grundlage? Vielleicht erkennt sich die eine oder andere Person auch in den Figuren wieder, wer weiß. Lassen wir uns überraschen!
Sie sind nun seit fünf Jahren Hausregisseur des Festivals, was bedeutet das für Sie?
Ich persönlich finde es immer schön und erstrebenswert, eine längerfristige Zusammenarbeit anzustreben. Intendant Stephan Gartner und Eva Drnek sind hier immer offen für meine verrückten Ideen und gewähren mir und meinem Team viel Freiraum in der Umsetzung, die musikalisch von Hooman Khaltbari verantwortet wird. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten für das Vertrauen und die Unterstützung bedanken.
Was ist das Besondere im vermutlich kleinsten Opernhaus Österreichs zu inszenieren?
Die Intimität des Ortes gepaart mit großer Oper ist einfach wunderbar. Besonders spannend finde ich immer die Möglichkeit, die Spielfläche so zu gestalten, dass das Publikum mittendrin ist, und kein Orchester zwischen ihnen den Sänger*innen ist. Dies funktioniert, da der historische Saal eine wunderbare Akustik hat, die das Orchester klar erklingen lässt und sich einzigartig mit den Stimmen der Sänger*innen mischt. Große Oper auf kleinem Raum bedeutet auch, dass wenige Personen hier viel leisten müssen und somit das ganze Team und Ensemble sehr eng miteinander arbeitet.
Was ist der rote Faden, der sich durch die Arbeit beim Festival durchzieht?
Mein persönlicher roter Faden ist Veränderung. Mit meinem Team versuche jedes Jahr das Publikum (und uns selbst) wieder zu überraschen, sei es mit einem neuen Konzept, einer anderen Aufstellung der Bühne oder einer spannenden Lesart der Geschichte, die wir erzählen. Mittlerweile haben wir auch ein kleines Ensemble aus Sänger*innen aufgebaut, die immer wieder bei den Produktionen mitmachen und mit Freude nach Kirchstetten zurückkommen. Dies ist für mich selbst auch immer ein schönes Kompliment, wenn Sänger*innen von sich aus aktiv auf einen zukommen und im nächsten Jahr wieder dabei sein möchten.
Wie war die Probenzeit?
Die Proben waren sehr konzentriert und spaßig. Wir immer mit einer Konzeptionsprobe und im Anschluss haben wir bereits die erste Kostümanprobe, damit die Sänger*innen eine Vorstellung davon haben, was sie alles in dem Kostüm szenisch machen können und wo es vielleicht noch Adaptionen braucht. Oft hat man die Melodien der Produktionen bereits im Ohr, oder einige Sänger*innen haben ihre Partie bereits einmal gesungen, bei der diesjährigen Rarität ist dies nicht der Fall. Unser musikalischer Leiter Hooman Khalatbari musste das handgeschriebene Notenmaterial, welches wir vom Verlag erhalten hatten, vorbereiten und adaptieren, sodass er mit den Sänger*innen das Werk einstudieren konnte. Das Werk ist für alle neu, alle sind sehr konzentriert und motiviert. Sobald wir auf Schloss Kirchstetten proben, kommen die Sänger*innen meist nachmittags hinzu, da es untertags viel zu heiß im Schloss ist und sie auch nicht zehn Stunden am Tag singen können. Man kann es mit Hochleistungssport vergleichen: Die Sänger*innen haben sich die Technik hart erarbeitet, um auf einem so hohen Niveau performen zu können. Deswegen gibt es vor wichtigen Proben, wie der Generalprobe, oder vor der Vorpremiere und Premiere immer einen Tag Pause, damit die Sänger*innen ihre Stimme schonen können, damit sie auch auf diesem Niveau bleibt. Ich habe größten Respekt vor ihrer Arbeit.
Dürfen Sie schon verraten, was nächstes Jahr gespielt wird?
Ja, ich freue mich, mit dem ganzen Team, Rossinis L’occasione fa il ladro auf die Bühne bringen zu dürfen.
Zur Person: Richard Panzenböck
Der gebürtige Wiener studierte u.a. Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien, seine Puppenspielausbildung erhielt er in London bei Nigel Plaskitt. Sieben Jahre lang war er als Hauptpuppenspieler für verschiedene Sendungen des ORF tätig. Seine Theaterarbeit führte ihn an Häuser wie das Burgtheater, wo er fester Regieassistent war. Nun arbeitet er als freier Regisseur, u.a. bei den Opernproduktionen des KlassikFestival im Schloss Kirchstetten.