Moritz Mausser: Held von heute
Er ist 23, studiert noch, war schon Fräulein Rottenmeier und hat ein Faible für 3D-Drucker. Mit seiner Rolle des komplexen Grenzgängers Hans Hölzel in „Rock Me Amadeus – Das Falco-Musical“ wurde Moritz Mausser schlagartig zum adorierten Bühnenstar.
Leben auf der Hochschaubahn. „Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung“, formulierte der Psychoanalytiker Erich Fromm. Und Talent keine Form passiven Verharrens in der Hoffnung auf Entdeckung, sondern die Begabung, im richtigen Moment auf sich aufmerksam zu machen, möchte man anfügen. Moritz Mausser wusste diesen Wimpernschlag zu nutzen und ist nun im Begriff, eine langfristige Karriere darauf zu bauen.
„Man hat 2022 bei den Workshops für das geplante Falco-Musical einen Einspringer gebraucht und ist über eine Empfehlung auf mich gekommen. Ich habe mich sofort mächtig ins Zeug gelegt, alle Biografien gelesen, die ich bekommen konnte, mir sämtliche Videos angeschaut und auf Spotify nur noch seine Musik gehört.“ Diese Rundumbefruchtung fiel so positiv auf, dass der junge Student an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) auch für den zweiten Workshop engagiert wurde. Danach lud man ihn zu den Auditions ein, aus denen er am Ende als strahlender Weltstar namens Falco hervorging. Sich auch den verunsicherten, labilen und selbstzerstörerischen Hans Hölzel zu erarbeiten war Akt einer langen, intensiven Probenzeit.
Denn Autor Christian Struppeck war es in seiner Hommage wichtig, „nicht nur den ruhmreichen Sänger und Musiker, sondern auch den sensiblen, manchmal sogar schüchternen Menschen hinter der überlebensgroßen Kunstfigur zu beleuchten. Wie geht man damit um, sehr jung über Nacht berühmt zu werden und dann in einer Maschinerie festzustecken, die einen dazu zwingt, abzuliefern? Er hatte ja schon bei seinem zweiten Album, ‚Junge Römer‘, eine Blockade, weil er so perfektionistisch war und meinte, er könne nicht auf Bestellung schreiben. Dazu kamen seine privaten Konflikte – und irgendwann die Alkohol- und Drogenprobleme.“
Und auch Regisseur Andreas Gergen interessiert genau diese Zerrissenheit in der Biografie von Hans Hölzel. Hier der Wunsch nach Erfolg. Dort die Sehnsucht nach einer funktionierenden Beziehung. „Er hat sich, nachdem er in den USA Nummer eins war, ja auch eine Zeit lang ins Privatleben zurückgezogen, Isabella geheiratet und mit ihr eine Tochter bekommen (die, wie sich später herausstellte, nicht seine leibliche war; Anm.). Aber ein innerer Dämon hat ihm eingeflüstert, auf die Bühne zurückzukehren und mit allen Mitteln zu funktionieren. Das waren eben auch Alkohol und Drogen, die zu Exzessen und Abstürzen führten.“
Das Musical sei natürlich bei aller biografischen Genauigkeit eine Interpretation, schließlich habe in Wien jeder eine Meinung zu Falco. „Bis hin zum Taxifahrer, was im Vorfeld auch viele Rätsel aufgeworfen hat, weil die Sichtweisen manchmal sehr divergent waren“, so Andreas Gergen. Aber auch das passt zu Falco, war doch auch sein Charakter nicht stringent.
Standing Ovations
Moritz Mausser gelingt es in seiner Darstellung, Hans Hölzel mit Falco zu versöhnen und beide Charakterbündel nachvollziehbar zu machen. Die Premiere am 7. Oktober war nicht nur, aber besonders für ihn ein enormer Erfolg, wie sich sowohl an der Publikumswahrnehmung als auch an den publizierten Diagnosen diverser Kritiker ablesen ließ.
„Die erste Preview war allerdings viel schlimmer“, erzählt Moritz Mausser, „denn da wusste man noch gar nicht, wie die Reaktionen ausfallen würden. Als aber nach der letzten Nummer alle aufgestanden sind, hat mir das sehr viel Selbstvertrauen gegeben. Mich hat der Gedanke, dass es also auch bei der Premiere gut ankommen könnte, total beruhigt.“
Wiewohl ihm immer klar gewesen sei, dass dieser Abend wahrscheinlich sein Leben verändern würde, sei er nicht nervöser gewesen als vor jedem anderen Auftritt auch. „Unmittelbar bevor ich auf Position gehe und die Vorstellung beginnt, denke ich immer: ‚Wie, zur Hölle, soll ich das schaffen?‘ Dann geht aber alles sehr schnell, plötzlich ertönt der Schlussapplaus, und man denkt an den weißen Spritzer, den man sich gleich gönnen wird.“ Moritz Mausser lacht offenherzig, was einen daran erinnert, dass dieser Mann erst 23 Jahre alt ist. Deshalb, so erzählt er, hätten ihm viele auch nicht zugetraut, dass er diesen Monsterpart tatsächlich stemmen könnte. Dass er zu überraschen vermochte, freut ihn.
Das Falco Musical: Helden von heute
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Jetzt sei er gespannt, wie es ist, jeden Tag eine Show abzuliefern. „Gerade auch jetzt im Herbst, wo man schnell eine leichte Rachenentzündung oder eine erkältete Nase haben kann. Das sind die Herausforderungen, mit denen ich zu jonglieren haben werde.“
Tatsächlich ist sein Part gesanglich ein Energie-Parcours. So, als müsste man jeden Tag ein Popkonzert absolvieren. Sechsmal die Woche. Beinahe ein Jahr lang. Wie hält er dabei sein Arbeitsinstrument, die Stimme, fit? „Ich versuche, mich vor jedem Auftritt einzusprechen und einzusingen, denn ich brauche das Gefühl, dass meine Stimme aktiviert ist. Manchmal inhaliere ich, danach muss man eine Stunde lang schweigen, weil es wichtig ist, seine Stimmbänder ruhen zu lassen. Zur Befeuchtung der Stimme nehme ich manchmal Ipalat, das sind kleine Pastillen, die beim Musical wirklich jeder kennt. Und man kann kurz vor einer Vorstellung sogenannte Vernebler benutzen. Das ist wie kaltes Inhalieren und befeuchtet die Stimmbänder direkt.“ Moritz Mausser klopft auf Holz. Das sollte auf jeden Fall helfen.
Falcos Odeur
Apropos Aberglaube: Hat er vor seinen Auftritten eigentlich ein spezielles Ritual? „In meiner Imagination hat Falco gut gerochen“, gesteht er. „Ich habe mich im Vorfeld sogar darüber informiert, welche Parfums er verwendet hat.“ Er habe dann viele Düfte ausprobiert und sich schließlich für einen entschieden, der gar nichts mit Falcos Präferenzen zu tun habe.
„Das Letzte, was ich mache, bevor ich rausgehe, ist, mir zwei Spritzer Parfum aufzutragen. Dann stehe ich auf der Bühne, schließe die Augen, versuche, mich zu zentrieren, und habe das Gefühl: Ich rieche wohltuend, ich bin in der Rolle, jetzt kann es nur noch gut laufen.“
Bei der Premiere und den darauffolgenden Abenden lief es jedenfalls so gut, dass der Postler an Moritz Maussers Adresse nun mehr zu tun hat. „Ich habe viele Briefe bekommen. Die meisten mit Gratulationen und Autogrammwünschen.“ Wirklich, das war’s? „Okay, das eine oder andere Mal fiel auch die Bemerkung ‚Ich liebe dich‘, was wahrscheinlich nicht ernst gemeint ist.“
Eher schon, so die evidenzbasierte Mutmaßung. Ein Heiratsantrag war noch nicht dabei, aber auch der wird wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Frag nach bei älteren Kollegen …
Zeitliche Parallelen
Hans Hölzel war, als er ins Rampenlicht trat, ungefähr so alt, wie Moritz Mausser heute ist. Was hätte Falco seiner Meinung nach gebraucht, um Halt im Leben zu finden? „Das zu beurteilen möchte ich mir nicht anmaßen. Er hat künstlerisch ja auch aus seinem Schmerz geschöpft, Teile seiner Kunst sind an sehr dunklen Orten entstanden, er war also auch abhängig von seinen negativen Seiten und Exzessen. Wie man weiß, kann das sehr produktiv sein. Viele Künstler*innen haben ein Problem, wenn sie glücklich sind, weil ihnen dann der kreative Drive fehlt. Auch in unserem Stück wird sehr gut herausgearbeitet, dass er dieses dekadente, exzessive Leben bis zu einem gewissen Grad gebraucht hat, um inspiriert zu werden. Das ist eben das Problem. Er war in solchen Phasen happy mit seinem künstlerischen Output, saß dann aber allein zu Hause und hat sich niedergesoffen, weil er mit seinem einsamen Leben nicht klarkam. Das ist ein zerstörerisches Hin und Her.“
Ist ihm Falco sympathisch? „Als Figur wäre sympathisch allein langweilig, denn man möchte ja einen Menschen darstellen. Und zu einem Menschen gehört eben auch, dass man mitunter missliebig sein kann. Ich finde ihn auch deshalb interessant, weil ihn seine Konflikte zu dem gemacht haben, was er war. Seine Kunst ist voller Wut auf diese Gesellschaft, auf das Wienerische. Er hat Österreich geliebt, hat es aber nie patriotisch überhöht. Damit kann ich mich identifizieren, denn ich bin auch davon überzeugt, dass es kein fanatisches Level braucht.“
Print at home
Dass auch Moritz Mausser abstürzen könnte, ist nicht zu befürchten. Dafür ist er zum Glück zu gefestigt. Anstatt sich mit dubiosen Substanzen abzulenken, zockt er am Computer, um sich zu entspannen. Und er besitzt einen 3D-Drucker, mit dem er etwa Objekte aus Filmen, die ihn faszinieren, reproduziert. „Entweder ich finde Modelle davon im Internet und drucke sie aus, oder ich modelliere sie selber nach. Dadurch zolle ich der Kunst meinen Respekt.“ Zuletzt hat er kleine Falco-Konterfeis ausgedruckt und bei der Premierenfeier an alle Cast-Mitglieder verschenkt.
Moritz Mausser wird nun für eine ganze Spielzeit Falco sein. Beschäftigt er sich schon mit der Zeit danach? „Ja. Ich wäre aber auch sehr glücklich, wenn ich im nächsten Sommer freihätte. Dann könnte ich aus meiner kleinen Studentenwohnung aus- und vielleicht in einen Palast aus purem Gold einziehen. (Lacht.) Den müsste ich mir natürlich selber ausdrucken.“
Zur Person: Moritz Mausser
ist gebürtiger Wiener und wuchs in Baden bei Wien auf. Er stand schon mit 9 Jahren auf der Theaterbühne, studiert aktuell an der MUK, war Mitglied des Musicalvereins teatro und trat an der Bühne Baden – u. a. in „Peter Pan“ – auf. Heuer im Sommer war er als Kronprinz Rudolf in „Elisabeth“ zu sehen. Am 7. Oktober feierte er mit „Rock Me Amadeus – Das Falco-Musical“ in der Titelrolle Premiere im Ronacher.