Vielleicht ist das ja die Lösung: Wir fliegen alle (also alle minus aller Unsympathler) zum Mond, lassen die Welt hinter uns, verlieben uns dann neu am Mond, und alles ist gut.

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Geht nicht? Stimmt. Aber die Volksoper spielt ab 14. Oktober „Die Reise zum Mond“ von Jacques Offenbach. Laurent Pelly – in Wien gut bekannt und geschätzt für seine Arbeiten an der Staatsoper und am Theater an der Wien – hat das Stück 2021 für die Opéra-Comique in Paris inszeniert und einen Hit bei Publikum und Regie gelandet.

Eines kann garantiert werden: Es wird ein Kostümfest, ein bunter Show-Abend mit rasanten Offenbach-Melodien, Witz und viel Tiefgang. Wie das zusammengeht? Wie das nicht platt wird? Wir haben Regisseur Laurent Pelly gefragt.

Ach ja, eines noch: Nein, es ist kein Stück für Kinder. Es geht uns alle an.

Ich mache es mir einfach mit der ersten Frage: Was erwartet das Wiener Publikum?

Zunächst einmal die Entdeckung eines selten aufgeführten Stücks von Offenbach, das im Entfernten eine Adaption von Jules Vernes Roman ist. Dann die Teilnahme an einem Werk, das auch eine Zauberoper ist, und eine Aufführung, die von sehr jungen Sänger*innen interpretiert wird. Der gesamte erste Teil, der auf der Erde spielt, wurde von der Tatsache inspiriert, dass wir mit jungen Interpreten arbeiten. Es ist eine Erde, die von Plastik geflutet ist, von fröhlichem, buntem Müll – eine riesige Plastikdeponie, in der die jungen Menschen feiern.

Laurent Pelly Volksoper
Laurent Pelly, 61. Der Regisseur und Kostümbildner hat über hundert Opern inszeniert und wird demnächst auch an der Staatsoper und am Theater an der Wien Regie führen. Bei welchen Stücken? Das ist noch geheim.

Foto: Carole Parodi

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Warum funktionieren Offenbachs Werke heute überhaupt noch?

Offenbachs Werke sind immer subversiv, immer lustig und im Allgemeinen politisch engagiert, während sie gleichzeitig völlig verrückt sind. Dieser Wahnsinn übertrifft schließlich die Leichtigkeit des Werkes, deshalb liebe ich Offenbach. Ich habe 14 seiner Stücke inszeniert, ein bisschen zufällig und auch, weil einige von ihnen sehr erfolgreich waren.

In den bekannten großen Stücken von Offenbach gibt es interessante Hauptrollen für Heldinnen, die auch heute noch gut zu hören sind. Dies sind Werke, die letztendlich ziemlich feministisch sind. Es gibt immer eine harte Gesellschaftsvision, in der die Charaktere oft ziemlich dumm sind, sei es in „Die Großherzogin von Gerolstein“, „Die schöne Helena“, „Orpheus in der Unterwelt“ oder „Pariser Leben“. Alle Charaktere sind ziemlich karikiert, mit einer sarkastischen Sicht auf die Welt und gleichzeitig einer Raserei, einer Energie, einem Wahnsinn, den man bei recht wenigen Komponisten findet. Was mich in der Komödie immer interessiert, ist das Dunkle und die ständige Gratwanderung zwischen Komödie und Drama.

Mag man deshalb seine Stücke auch heute noch?

Ja, natürlich. Es gibt immer noch eine Mischung aus Humor, die auch heute funktioniert, obwohl wir in allen unseren Offenbach-Projekten Anpassungsarbeit geleistet haben, damit der Humor auch heute noch verständlich ist. Diese Dinge müssen nicht unbedingt aktualisiert werden, aber es ist wichtig, dass das heutige Publikum sie versteht.

Dann gibt es die Musik, denn er ist wirklich ein außergewöhnlicher Komponist, ein genialer Komponist, der auch darunter gelitten hat, als Komponist der leichten Muse klassifiziert zu werden. Er ist ein herausragender Künstler, der sich auch stark der Parodie bediente. In seinen Werken gibt es musikalisch betrachtet absolutes Genie, aber auch Parodie, ständige Zitate, darunter viel von Rossini und sogar Gluck, und am Ende weiß man nie, ob er sich über diese Komponisten lustig macht oder sie bewundert.

Volksoper
Alexandra Flood: Geboren in Cowes, Australien, wird sie die Prinzessin Fantasia spielen. Hier sehen wir die junge Sopranistin bei der Kostümprobe. Alle Kostüme wurden im Übrigen von Laurent Pelly entworfen, dem Regisseur des Stücks.

Foto: Jenni Koller

Wirklich zeitlos ist seine Musik ja nicht. Es ist alles so Cancan …

Na ja. Sie riecht schon ein wenig nach dem 19. Jahrhundert. Aber ich glaube, das Geniale liegt in der Energie, der Poesie und der Orchestrierung, denn Offenbach hat seine Orchestrierungen selbst gemacht, und sie sind oft beeindruckend. Was ich großartig finde, ist, dass er Humor in die Musik selbst einbringt. Wenn Dirigent und Regisseur diesen Humor nutzen können, entsteht etwas ganz Besonderes von großer Poesie. Das hat etwas Ungewöhnliches, etwas ziemlich Absurdes, insbesondere in „Die Reise zum Mond“: Es ist ein völlig absurdes, völlig verrücktes Werk, und ich mag diese Energie des Absurden sehr.

Ihre Inszenierung ist mehr Theater als Oper, schrieb die Kritik nach der Premiere in der Opéra-Comique. Lag sie richtig?

Für mich ist die Operette eher wie Broadway oder das West End in London, eine Art großes Musical, bei dem man sich die bekannten Arien merkt. Für mich ist deshalb die Operette und diese Show genauso sehr Theater wie Oper. Als wir das Stück an der Opéra-Comique aufgeführt haben, waren etwa sechzig junge Leute, Kinder und Jugendliche, dabei, und ich finde, dass es für ein altes Werk aus dem 19. Jahrhundert eine offensichtliche Kraft und einen Charme versprüht hat.

Sie machen bei allen Ihren Regiearbeiten auch immer die Kostüme, sind Sie unausgelastet?

Für mich ist es sehr wichtig, beides zu machen. Ich mache das immer lange vor Beginn der ersten Probe. Das Zeichnen der Charaktere ermöglicht es mir, in das Werk und sogar in den Kopf der Figur einzutauchen.

Volksoper Kinderchor
Das Stück – der ChorHier sehen Sie den Kinderchor und Jugendchor der Volksoper hfolgen, hat aber keine Lust und fliegt stattdessen zum Mond, wo er sich in die Mondprinzessin Fantasia verliebt. Aber! Halt! Liebe ist am Mond eine Krankheit.

Foto: Barbara Pálffy/Volksoper Wien