Ab in die Box: Den Hasen aus dem Sack lassen
Im Kosmos Theater staunt man dieser Tage alles andere als schlecht, denn „Ab in die Box“ verbindet Zaubershow und Theatermagie zu einem Abend, der sich unter anderem mit Fake News und Klassismus beschäftigt. Wir haben Michaela Bilgeri und Raphael Macho kurz vor der Premiere ihrer magischen Stückentwicklung getroffen.
Raphael Macho spielt keinen Zauberer, er ist Zauberer. Das bedeutet jedoch nicht, dass er im Stück „Ab in die Box“ nicht einen solchen spielen darf. Und kann. Aber ist es nicht die viel größere Lüge, jemandem vorzuspielen, dass man etwas kann, obwohl man es ja tatsächlich kann? Was heißt „tatsächlich“ überhaupt? Und wer entscheidet eigentlich, wo die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit verläuft? In „Ab in die Box“ nähern sich Raphael Macho und Michaela Bilgeri diesen Fragestellungen auf spielerische Weise. „No na“ könnte man jetzt sagen, schließlich handelt es sich dabei ja um ein Theaterstück. Um ein verdammt zauberhaftes noch dazu, denn in „Ab in die Box“ werde Zauberkunst und Theatermagie zu einem Abend verbunden.
Die Idee zum Stück kam Schauspielerin Michaela Bilgeri und Raphael Macho, der sowohl Schauspieler als auch Zauberer ist, im Zuge der Arbeit an „Die große Show“, einem Stück des aktionstheater ensembles. Ihnen sei dann sehr schnell klar gewesen, dass sie noch eine weitere spielende Person dabeihaben wollen – und diese hätten sie mit Edwarda Gurrola auch gefunden, so Michaela Bilgeri. „Außerdem war es unser Wunsch, diese Stückentwicklung gemeinsam mit einer Regisseurin zu machen“, fügt sie hinzu. Sie wandte sich an Anna Marboe, die sie bereits von zwei anderen Veranstaltungen kannte. „Wir haben ihr etwas vorgezaubert und sie war sofort dabei“, sagt Bilgeri lachend.
Alle Sorgen in die Box
Gemeinsam mit der verzauberten Anna Marboe machten sich die beiden schließlich auf den Weg nach Blackpool, zur größten Zaubermesse der Welt. Sie sahen sich Zaubershows an, sprachen mit Leuten vor Ort und kauften ein paar Dinge für ihren Theaterabend. Außerdem kamen sie zu einer für Michaela Bilgeri überraschenden Erkenntnis: „Es gibt dort keine Frauen. Und es fällt niemandem auf.“
Raphael Macho ergänzt: „In der Zauberwelt macht sich niemand Gedanken über solche Dinge. Man schiebt die Realität beiseite und ist dann in einer Welt, in der es darum geht, zu staunen und das Kind in sich wiederzuentdecken.“
Wie unpolitisch dieser Raum sei, hätte sie wiederum zum Staunen gebracht, fügt Michaela Bilgeri hinzu und setzt nach: „Daher kam auch die Idee, das Stück damit zu beginnen, dass alle Zuschauer*innen ihre Sorgen und Probleme in eine Box schmeißen. Denn vermeintlich ist das hier ein vollkommen problemfreier Raum.“
Im Gegensatz dazu seien Inhalte, sobald sie auf einer Theaterbühne verhandelt werden, immer irgendwie politisch aufgeladen, merkt Michaela Bilgeri an. „Mit dieser Erwartungshaltung spielen wir auch. Bei Zaubershows erwartet niemand, dass etwas Politisches passiert, da möchte man nur Staunen. Wenn wir dieses Staunen auf eine Theaterbühne bringen, bekommt das plötzlich eine politische Komponente.“
Auch Veronika Steinböck, künstlerische Leiterin des Kosmos Theater, sei sofort Feuer und Flamme für den Abend gewesen, erzählen die beiden im Interview. „Wenn man so ein Stück in einem feministischen Haus macht, erscheint es im ersten Moment natürlich naheliegend, einfach zwei Assistentinnen zu haben, die sich gegen einen Zauberer auflehnen – die ihn in die Box stecken und gewinnen. Aber das wäre ein bisschen zu einfach gewesen“, erinnert sich Michaela Bilgeri lachend.
Eine spannende Frage ist ja auch, ob die Zauberei ihren Wert verliert, wenn man weiß, wie ein Trick funktioniert.
Raphael Macho
The show must go on
Worum es dann tatsächlich geht, ist gar nicht so einfach zusammenzufassen. Im ersten Teil des Abends werden Zaubertricks präsentiert. Ganz im Sinne von „the show must go on“ folgt ein trickreiches Highlight dem nächsten. Im zweiten Teil entscheiden sich die Protagonist*innen dazu, nur noch die Wahrheit zu sagen. Vermeintlich. Denn wie wir bereits wissen, sind Spiel und Wirklichkeit häufig gar nicht so einfach voneinander zu unterscheiden. Und dann gibt es auch noch den Hasen. Doch dazu gleich mehr.
Zwischen dem Theater und der Zauberei gebe es viele Parallelen, sind sich Raphael Macho und Michaela Bilgeri einig. Aber eben auch einige Unterschiede, wie die Schauspielerin hervorhebt: „Wenn ich in einer Zaubershow sage, dass ich ein Telefon in der Hand habe, erwarte ich mir, dass sich dieses Telefon vor meinen Augen materialisiert. Im Theater würde fast jeder Gegenstand als Telefon akzeptiert werden.“
„Eine spannende Frage ist ja auch, ob die Zauberei ihren Wert verliert, wenn man weiß, wie ein Trick funktioniert. Ist man mehr am Geheimnis interessiert als am Trick? Als Zauberer nehme ich einen Trick sowieso immer komplett anders wahr als das Publikum“, sagt Raphael Macho, der sich seit dem Jugendalter mit Zauberei beschäftigt. Er erklärt, was er damit meint: „Als Zauberer versuche ich 90 Prozent der Dinge, die passieren, zu verbergen. Eigentlich ist das das genaue Gegenteil vom Theater, wo man sich ja öffnen und nicht verschließen sollte.“
Auf der Schauspielschule sei dieser Widerspruch durchaus manchmal Thema gewesen, fügt er hinzu. „Ich habe es dann aber irgendwann so betrachtet, dass sich Textlernen und das Lernen eines Zaubertricks gar nicht so sehr voneinander unterscheiden. Denn im Schauspiel sollten die Zuschauer*innen ja auch nicht mitbekommen, dass die spielende Person an den Text denkt. Der Text muss im Körper sein – genauso wie die Technik, die ich brauche, um einen Zaubertrick auszuführen.“
Obwohl „Ab in die Box“ auch eine Dekonstruktion einer Zaubershow ist, sei es nicht ihr Ziel gewesen, eine ganze Branche durch den Kakao zu ziehen, sind sich die beiden einig. Der Blick auf diese Welt bleibt daher stets ein liebevoller und lustvoller. „Wir spielen ja auch damit, dass wir Dinge scheinbar erklären und dann wird plötzlich wieder ein Trick daraus“, so Macho. „Auch im zweiten Teil, wo alle erwarten, dass wir die Wahrheit sagen, präsentieren wir eigentlich wieder Lügen. Das Publikum wird also ständig an der Nase herumgeführt“, fügt Michaela Bilgeri hinzu. Dadurch ergebe sich auch eine Parallele zum Thema Fake News und dadurch eine spannende politische Ebene.
Diese wird im Übrigen auch vom bereits erwähnten Hasen auf entscheidende Weise mitgetragen. Seine Kommentare drehen sich um die Themen Klassismus und Marginalisierung – die er als Hase in Zaubershows am eigenen Leib erlebt hat.
Seine Texte wurden von Vincent Sauer und Anna Marboe geschrieben, hält Michaela Bilgeri fest. Überhaupt sei „Ab in die Box“ eine schöne, gemeinschaftliche Arbeit gewesen. „Niemand von uns hat so einen Abend schon einmal gemacht. Aber von der Bühnenbildnerin Tanja Maderner über Musikerin Paula Langthaler bis zu den Akteur*innen auf und hinter der Bühne waren alle total into it und haben sich absolut darauf eingelassen.“