Theater im Theater: Il turco in Italia in Kirchstetten
Im kleinsten Opernhaus Österreichs steht heuer Rossinis Opera buffa „Il turco in Italia“ auf dem Programm. Wir haben mit Regisseur Richard Panzenböck über seine Inszenierung gesprochen.
BÜHNE: Welche besonderen Elemente gibt es in „Il turco in Italia“?
Richard Panzenböck: Eine Besonderheit der Oper ist die Figur des Dichters, er führt durch das Spiel aus Liebe, Macht und Intrigen, verpackt in ein Theater im Theater. Diese zweite Handlungsebene schien für die damalige Zeit neu aufgrund der Erzählstruktur. Aus heutiger Sicht betrachteten sich Komponist und Librettist damit auch vermutlich selbst ironisch.
Was kann man über den Aufbau der Oper sagen?
„Il turco in Italia“ nimmt die Grundkonstellation Rossinis kurz zuvor erfolgreich aufgeführten Oper „L’Italiana in Algeri“ auf, nur dass nicht eine Italienerin in Algerien strandet, sondern, dass ein Türke nach Italien reist. Einige Stücke komponierte Rossini aus Zeitgründen nicht selbst. Hierfür beauftragte er vermutlich Vincenzo Lavigna, welcher sich für die Secco Rezitative, die Arie Geronio und des Albazar, sowie für das Finale des zweiten Akts verantwortlich zeichnen soll. Rossini verarbeitete außerdem einige Musikstücke in seinen anderen Opern.
Was zeichnet das Schloss Kirchstetten als Spielort aus?
Der historische Saal stellt das Team jedes Jahr wieder vor die Herausforderung eine große Oper auf kleinem Platz zum Leben zu erwecken. Da das Publikum, den Sänger*innen und der Bühne nicht näher sein könnten, muss jedes noch so kleine Detail durchdacht werden. Wir versuchen jedes Jahr das Publikum und uns mit neuen Ideen, passend zur jeweiligen Oper, zu überraschen.
Wieso greifen Sie auf analoge Technik zurück?
Analog statt digital! Projektionen sind heutzutage meistens digital, wir haben uns bewusst dazu entschieden hier einen analogen Ansatz zu verfolgen. Die Sänger*innen erschaffen alle Bilder und Projektionen selbst live auf der Bühne. Hierfür konnten wir noch funktionierende Overheadprojektoren besorgen, auf welchen mit unterschiedlichsten Techniken gearbeitet wird.
Wie gehen Sie in der Produktion mit historisch veralteten Wörtern um?
Wir haben viele Gespräche geführt und uns schließlich dazu entschieden, den Begriff „Zigeuner“ („Zingarilla“) im Libretto von „Il turco in Italia“ zu behalten, ihn aber durch Anführungszeichen sichtbar zu machen. Der Grund dafür ist, dass unter dem Titel „Zigeuner“ bereits vor und während des Mittelalters u.a. Rom*nja und Sinti*zze verfolgt und ermordet wurden. Diese historische Tatsache wollen wir nicht durch die Entfernung des darauf hinweisenden Wortes unsichtbar machen – vielmehr soll diese gezeigt und aufgezeigt werden. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass „Zigeuner“ eine Fremdbezeichnung ist, unter der im Nationalsozialismus mehr als 500.000 Rom*nja und Sinti*zze ermordet wurden.
Zur Person: Richard Panzenböck
Der gebürtige Wiener absolvierte seine Ausbildung zum Puppenspieler in London und studierte u.a. Theater-, Film-, Medienwissenschaft an der Universität Wien. Er war sieben Jahre Hauptpuppenspieler des ORF, wo er auch das Puppendepartment leitete. Seine Arbeiten führten ihn quer durch Europa an die unterschiedlichsten Theaterhäuser und Fernsehsender. Am Burgtheater inszenierte er „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ von Sibylle Berg. Im vergangenen Sommer führte er in Kirchstetten bei „Il Signor Bruschino“ Regie.