Stefan Ottrubay: Vom Opernfan zum Opernproduzenten
Zehn Tage vor der Premiere rettete er 2014 die Oper im Steinbruch vor der Pleite. Jetzt ist sie das Nonplusultra der Freiluftopern-Festivals. Hier schreibt Stefan Ottrubay, wie es dazu kam.
Ich habe die Oper mit etwa 16 Jahren in einer sehr persönlich gestalteten Produktion von Bizets „Carmen“ in meiner Heimatstadt Luzern entdeckt. Die Hauptdarstellerin war eine reizende blonde Schwedin, und spätestens bei der „Habanera“ war ich in die junge Dame und damit auch in die herrliche Oper verliebt.
Unser Musikprofessor empfahl uns dann einige Jahre später, an der Zürcher Oper den Zyklus der Opern von Monteverdi zu besuchen, den Jean-Pierre Ponnelle inszeniert und Nikolaus Harnoncourt dirigiert hat. „Il ritorno d’Ulisse in patria“ war für mich dann der Zugang zu den Ursprüngen dieser Kunstform in Italien. Von da an hat mich das „Faszinosum Oper“ nie mehr losgelassen.
Nie hätte ich allerdings gedacht, dass ich 20 Jahre später selbst in die Rolle eines Verantwortlichen von Opernproduktionen würde schlüpfen dürfen.
Um 2011 herum haben wir begonnen, im Schloss Esterházy die Aufführung von halbszenischen Formaten der verspielten Opern von Haydn zu unterstützen. 2014 mussten wir, bedingt durch eine wirtschaftliche Krise des damaligen Veranstalters, zehn Tage vor der Premiere im Steinbruch, die riesige Produktion von Verdis „Aida“ mit Robert Dornhelm als Regisseur retten.
Es war ein wirklicher Kraftakt, von dem mir viele schlaflose Nächte in Erinnerung geblieben sind. Ich erinnere mich aber auch sehr gut an die großartige Unterstützung, die wir von den Medien erhalten haben. Der ORF war fast mit der ganzen Geschäftsleitung und vielen Stiftungsräten in der ersten Reihe vertreten. Von Seiten des Landes war die Unterstützung sehr dürftig – nun, es war die Zeit der langen Konflikte mit der Spitze der Landesregierung. Das ist längst vorbei: Das Format der Oper im Steinbruch ist bestens etabliert und wird auch von den politischen Stellen mitgetragen. Man kennt die Oper in St. Margarethen nicht nur in Europa, sondern weltweit.
Mein Kollege Daniel Serafin sprach vor einigen Tagen in New York mit Peter Gelb, dem Intendanten der Metropolitan Opera. Gelb lobte St. Margarethen und bezeichnete unsere Spielstätte als eine der interessantesten für Freilichtopern in Europa, wenn nicht sogar weltweit.
Wie kann sich die Live-Oper gegenüber Film, Fernsehen und Streaming in Zukunft behaupten? Nachdem ich mich als ausgebildeter Laie seit über zehn Jahren intensiv mit Oper befassen darf, sehe ich folgende wichtige Elemente:
Zum einen ist Live-Erfahrung von Oper viel unmittelbarer, als es in Film, Fernsehen und im Internet je sein kann. Im Graben und auf der Bühne wird jetzt, im Moment, gesungen und gespielt, wir erleben es direkt, mit allen Sinnen. Auch und gerade wegen aller Risiken und Unwägbarkeiten ist es so aufregend: Wird das Zusammenspiel vom Orchester mit den Sängern und dem Chor gelingen, welche Stimmungen schaffen die einzelnen Stimmgruppen und das Orchester als Ganzes? Wie arbeitet der Dirigent Melodie, Harmonie und Rhythmus heraus, den großen Bogen, wie folgen ihm alle? Welche Emotionen bringen die Stimmen in uns zum Vibrieren? Man erlebt alles hautnah im selben Raum.
Zur Person: Stefan Ottrubay
ist Vorstandsvorsitzender der Esterhazy Privatstiftung. Kulturell engagiert sich Esterhazy u. a. bei der Oper im Steinbruch und beim Festival Herbstgold. Zur Esterhazy-Gruppe gehören Weingüter, Hotels u. v. m. Ottrubay gilt als sachlicher, aber wenig konfliktscheuer Visionär und Querdenker.
Dank dem Live-Erlebnis eines real anwesenden Publikums wird die Oper auch zu einem gesellschaftlichen Ereignis, und ich denke hier nicht an große Politik- und Society-Aufzüge bei Premieren etwa der Salzburger Festspiele. Selbst im Freundeskreis kann ein Opernabend ein tiefes gemeinsames Erlebnis bedeuten, vor allem bei überdurchschnittlicher Qualität. Eine solche Aufführung liefert endlosen Gesprächsstoff in der Gruppe.
Wir befassen uns bei Esterhazy mit zwei besonderen Formaten von Opernproduktionen. Die eine ist die große, spektakuläre Open-Air-Oper im Steinbruch St. Margarethen, mit circa 5.000 Zuschauern pro Abend. Hier lebt das Spektakuläre der Oper des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit den neuen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts weiter. Schöner, größer, mächtiger: So lautet die Devise, ganz wie sie in den großen Werken des Kanons entwickelt und umgesetzt wurde. Durch die große Anzahl der Besucher, die aus allen gesellschaftlichen Schichten stammen, löst sich das Formelle, das sich in den klassischen Opernhäusern herausgebildet hat, fast gänzlich auf.
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Etwas ist faul im Staate Österreich, findet Julya Rabinowich. In ihrer Kolumne wagt sie es, frei zu träumen. Denn wenn sie träumt, kann sie Utopien fordern. Weiterlesen...
Erst seit vielleicht 25 Jahren gibt es die technischen Voraussetzungen, von der Bühnenmaschinerie bis zur hochwertigen Tonwiedergabe, die solche Open-Air-Erlebnisse möglich machen. In St. Margarethen kommt noch dazu, dass die eindrückliche Geländeszenerie, die über Hunderte von Jahren im Steinbruch entstanden ist, eine einzigartige Lebendigkeit und Emotionalität schafft, die in neu errichteten Arenen aus Beton fehlen muss. Viele Kenner der Musik- und Opernszene loben die Oper in St. Margarethen als das Nonplusultra der Freilicht-Oper in Europa und vielleicht der Welt. Die große Bereitschaft hervorragender Regieteams, Dirigenten und Solistinnen wie Solisten, hier aufzutreten, unterstreicht diese Einzigartigkeit des Gesamtkunstwerkes Oper im Steinbruch.
Ein Opernabend ist ein tiefes gemeinsames Erlebnis.
Stefan Ottrubay
Ähnlich wie Verona und Bregenz orientieren wir uns am Kanon der etwa 13 bis 15 Werke im Opernrepertoire. Für 2025 planen wir mit dem „Fliegenden Holländer“ zum ersten Mal den Schritt zu Richard Wagner. Da in unserem Team sehr viel Erfahrung mit der Bühne und dem spektakulären Raum des Steinbruches besteht, können wir die Regieteams bei den szenischen Lösungen optimal unterstützen.
Das zweite Opernformat, dem wir im Burgenland verbunden sind, ist die intime halbszenische Produktion, die seit etwa 30 Jahren im wunderbaren historischen Haydnsaal im Schloss Esterházy in Eisenstadt fast jährlich gepflegt wird.
Hier ist der Fokus ein ganz anderer: Das Publikum ist dem Geschehen sehr nahe; Orchester, Gesang und Darstellung sind überaus direkt erlebbar. Es ist nicht überraschend, dass sich vor allem junge Sänger und Sängerinnen in diesem Format sehr wohlfühlen.
Dazu kommt, dass die Regisseure mit wenigen guten Einfällen den Stücken eine sehr spezielle Ausstrahlung geben können. Weiter ist die Qualität der Musik mit der genauen Abstimmung zu Sängern und Chor sehr präzise und intim erlebbar. Verschiedene Produktionen wie zum Beispiel Haydns „Lo speciale“ (Regie: Martin Traxl) und Mozarts „Bastien und Bastienne“ (Regie: Cornelius Obonya und Carolin Pienkos) haben im Haydnsaal wahre Begeisterungsstürme ausgelöst.
In Summe: zwei hervorragende Möglichkeiten, die Kunstform Oper den Menschen von heute attraktiv und zeitgemäß darzubringen. Im nördlichen Burgenland bieten wir beide sehr prominent und in hoher Qualität.