Sommer.Hunds.Traum: Lauer Sommerabend? Fehlanzeige!
In „Sommer.Hunds.Traum“, einer Verschmelzung von Shakespeares Komödienklassiker „Ein Sommernachtstraum“ und Ulrich Seidls Kultfilm „Hundstage“ geht es heiß her. Ernst Kurt Weigel, Gründer des bernhard.ensembles, lässt sein Stück an einem Speckstandl spielen. Wir haben mit ihm und der Schauspielerin Sophie Resch gesprochen.
„Sommer.Hunds.Traum“ – dieser Theaterabend ist ein Schmelztiegel. Nicht nur deshalb, weil darin Shakespeares Komödienklassiker „Ein Sommernachtstraum“ und Ulrich Seidls Kultfilm „Hundstage“ miteinander verschmolzen werden, sondern auch, weil die in beiden Stoffen vorkommende Sommerhitze als verbindendes Element fungiert. Im Angesicht heißer Sommernächte schmilzt man liebestechnisch schließlich deutlich einfacher dahin als bei Schnee und Regen. Seit 2011 verbindet Ernst Kurt Weigel, Gründer des bernhard.ensembles, Stücke und Filme zu sogenannten Mash-ups und bringt seine Spieler*innen mit seinem sehr intuitiven, körperlichen Theaterverständnis auch abseits der sogenannten Hundstage ordentlich ins Schwitzen. „Die Grundidee war, einen österreichischen Bühnenklassiker mit einem Blockbuster zu verschränken. Mit ‚Sommer.Hunds.Traum‘ mache ich einen Turn und verbinde einen österreichischen Kultfilm mit einem internationalen Bühnenklassiker“, so Weigel.
In seinem allerersten Mash-up verschränkte der gelernte Schauspieler, der später auch ins Regiefach wechselte, Arthur Schnitzlers „Das weite Land“ mit David Lynchs ikonischem Film „Lost Highway“. Ernst Kurt Weigel erklärt: „Es gibt immer etwas, das die beiden Geschichten zueinander führt. Bei unserem aktuellen Stück waren die Liebespaare ein wichtiger Ausgangspunkt. In beiden Stoffen geht es um Abhängigkeitsverhältnisse und Fleischeslust, aber auch um Liebe. Die verschiedenen Paare sind zwar anders strukturiert, trotzdem gibt es Ähnlichkeiten.“
Anna = Puck
Zudem erkannte Weigel in der von Ulrich Seidl geschaffenen Figur der Anna, die auf Supermarktparkplätzen mit wildfremden Leuten ins Gespräch kommt, eine dem Puck sehr ähnliche Figur. „Mit ihrer direkten, ungefilterten Art trifft sie stets jene Punkte, die wehtun. Außerdem entlockt sie den Menschen, mit denen sie spricht, unfassbare Wahrheiten“, fasst der Theatermacher zusammen. Sophie Resch, die in „Sommer.Hunds.Traum“ die Figur der Anna verkörpert, stimmt ihm zu. „Sie meint diese Dinge überhaupt nicht böse, sondern spricht einfach radikale Wahrheiten aus. Anna sagt Dinge, die sich die anderen verkneifen, was eine schöne Parallele zur Figur des Hofnarren ist. Wie der Puck ist auch Anna eine Art von Störfaktor. Darüber hinaus glaubt sie in unserem Stück, dass sie zaubern kann. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es am Ende des Stücks vielleicht Zuschauer*innen gibt, die sich nicht ganz sicher sind, ob Anna vielleicht nicht tatsächlich magische Fähigkeiten hat.“
Dass seine Mash-ups immer in Wien spielen, begründet Ernst Kurt Weigel mit seiner großen Hassliebe für die österreichische Hauptstadt. „Ich liebe Wien und hasse es zugleich“, sagt der Theatermacher lachend. Er fügt hinzu: „Mir ist es wichtig, die Stadt abzubilden. Und gerade unter den sogenannten Underdogs, zu denen ich als gebürtiger Liesinger auch einmal gehörte, spielt sich am allermeisten ab. Mir geht es aber niemals darum jemanden bloßzustellen. Mein Blick ist stets ein liebevoller.“
Ich darf hier immer Dinge spielen, für die ich typmäßig woanders vielleicht nicht besetzt werden würde.
Sophie Resch, Schauspielerin
Spiel im Spiel
Das Setting des Stücks: ein Speckstandl vor einem Baumarkt in der Wiener Vorstadt. Ein Hochzeitsjubiläum wird gefeiert. „Es geht uns nicht darum, Shakespeare zu verwienern“, wirft Ernst Kurt Weigel ein. „Unser Anspruch ist, das Stück im Hier und Jetzt spielen zu lassen. Aber es liegt auch eine Magie über dem Stück, die wir uns von Shakespeare genommen haben.“ Ebenfalls von Shakespeare inspiriert: das Spiel im Spiel. „Bei uns ist es eine Gruppe von Heimwerker*innen, die versucht eine Szene aus ‚Hundstage‘ nachzuspielen – nämlich jene mit der Kerze im Hintern. Anlässlich des Hochzeitstages mit seiner verstorbene Frau möchte sich Walter diese Szene vorspielen lassen.“
Ob sie es als Schauspielerin auch als limitierend empfunden hätte, sich so genau mit dem Film zu beschäftigen, wollen wir von Sophie Resch wissen. Die gebürtige Wienerin schüttelt den Kopf und antwortet: „Ich finde schon, dass man sich die Filme sehr genau und ruhig auch öfter anschauen sollte, um eine gute Basis für die Improvisationen zu schaffen. Es gibt dann ohnehin diesen Moment im Probenprozess, wo sich das Mash-up verselbstständigt und etwas eigenes wird.“ Im besten Fall sei es ohnehin so, dass sich aus den Improvisationen eine eigene Geschichte ergibt, wirft Ernst Kurt Weigel daran anknüpfend ein.
Für Sophie Resch ist es die vierte Zusammenarbeit mit Ernst Kurt Weigel und das dritte Mash-up. Über die Zusammenarbeit sagt sie: „Ich finde es schön, mitgestalten zu können und mich so sehr in etwas reinschmeißen zu dürfen. Ich darf hier außerdem immer Dinge spielen, für die ich typmäßig woanders vielleicht nicht besetzt werden würde, auf die ich schauspielerisch aber große Lust habe. Dadurch entsteht eine ungemeine Spielfreude und man lernt neue Facetten an sich kennen.“
„Das Schöpferische ist das wichtigste für mich“
Der Theatermacher, der zu Beginn seiner Schauspielkarriere am Theater in der Josefstadt spielte, dann aber seine prägenden Theatererfahrungen beim Serapions Theater von Erwin Piplits machte, bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Ich betrachte Schauspieler*innen als Künstler*innen und nicht nur als Handwerker*innen. Das Schöpferische ist das wichtigste für mich. Ich kann nur ein Beet bereiten, in dem die Schauspieler*innen ungebremst wachsen und sich entwickeln können. Am Beginn der Probenzeit habe ich noch keine Vorstellungen von den einzelnen Rollen, sondern ich versuche der Intuition der Spieler*innen zu folgen. Es interessiert mich nicht, jemandem etwas zuzumuten, das er oder sie nicht in sich trägt. Viel wichtiger ist mir, jene Dinge, die sie mir anbieten, so richtig zum Blühen zu bringen.“ Sein Wunsch, Regie zu führen, war auch davon motiviert, genau der Regisseur zu werden, den er damals selbst gerne gehabt hätte.
Bevor es für die beiden wieder in die Probe geht, hält Sophie Resch noch fest: „Ich finde es super, dass du keine Angst vor Lücken, Unfertigem und Stille hast. Denn in Momenten der Stille entstehen oft Improvisationen, aus denen sich wieder Neues ergibt. Wenn man diese Art zu arbeiten einmal liebgewonnen hat, traut man sich plötzlich viel mehr und es entstehen scheinbar aus dem Nichts heraus prägnante Ideen.“