Peter Simonischek über Unterhaltung und Erkenntnis im Theater
Mit „The Party" und „The Who and the What“ ist Peter Simonischek in dieser Spielzeit im Wiener Burgtheater in zwei Wiederaufnahmen zu sehen, die mit viel Witz und Tiefgründigkeit überzeugen.
In Sally Potters „The Party“ gibt er den todkranken Materialisten Bill, in „The Who and the What“, einer tiefgründigen Tragikomödie über eine muslimische Kleinfamilie, spielt er den Taxiunternehmer Afzal, der konsequent zwischen Konservativismus und Aufgeschlossenheit hin und her springt. Mit der BÜHNE hat er über flüchtige Theaterkunst und seine neuen Stücke gesprochen.
Was meinen Sie damit, wenn Sie die Theaterkunst als ein "Fest des Augenblicks“ bezeichnen?
Zunächst lautet so der Titel eines Buches von Luc Bondy. Aber schon der Begriff „Theaterkunst“ ist geeignet zu polarisieren. Bei den Hervorbringungen des Theaters handelt es sich nicht zwingend um Kunst. Einige Definitionen des Kunstbegriffes würden das Theater sogar außen vor lassen.
Der Vorhang fällt und die Erinnerung ist alles, was bleibt."
Peter Simonischek über die materielle Flüchtigkeit des Theaters.
Ob nun Kunst oder nicht, eine Theatervorstellung ist ein zeitlich begrenztes Ereignis, die sich vor Publikum vollzieht. Sie hinterlässt nichts Konservierbares und auch nichts Materielles. Der Vorhang fällt und die Erinnerung ist alles, was bleibt. Der Augenblick, in dem diese „Kunst“ sich ereignet, ist flüchtig. Findet statt und geht vorüber. Das macht den Augenblick besonders kostbar. Außerdem ist er individuell. Nicht jeder Zuschauer empfindet das Gleiche zur selben Zeit.
Besonders das gute Theater, wie ich es mag, nötigt mich nicht dazu, kollektiv zu empfinden. Theater soll durch Unterhaltung zu Erkenntnis verführen. Das Theater in Basel hatte zu Zeiten des Intendanten Werner Düggelin folgenden Werbespruch: „Jeden Abend live“. Dieser Spruch ist ebenso banal wie wahr. In Parenthese zu dem Spruch „Nichts ersetzt den Augenschein" ist also das Prinzip definiert, in dem das „Fest des Augenblicks", das Theater, sich ereignet.
Mit was für einem Charakter haben wir es bei „Bill“, dem Gastgeber und Ehemann der Schattenministerin Janet, zu tun?
Er ist, wie er sich selbst ausführlich definiert, ein Materialist, ein Atheist und ein Todeskandidat. Bill klammert sich an den Rotwein und den Strohhalm den ihm „Gottfried“ der Heiler hinhält. Und er hat eine Geliebte mit der er sein Ende plant. Allerdings ohne ihr Wissen.
Können Sie sich noch an ihre ersten Gedanken beim Lesen von Ayad Akhtar's Theatertext „The Who and The What“ erinnern?
Ich dachte mir, dass das Stück sehr überzeugende Konflikte enthält, die klug und humorvoll geschrieben sind. Außerdem kommen für uns Schauspieler sehr ergiebige Charaktere darin vor. Aber unter dem Eindruck der diversen Anschläge und Amokfahrten von 2018 und davor, dachte ich, islamistische Fundamentalisten könnten etwas dagegen haben.
Zu den Stücken
The Party basiert auf dem gleichnamigen Spielfilm der britischen Regisseurin und Drehbuchautorin Sally Potter, dessen Drehbuch sie selbst für die Bühne adaptiert hat. In Anne Lenks gefeierter Inszenierung spielt Dörte Lyssewski Bills Ehefrau Janet. In weiteren Rollen sind Regina Fritsch, Markus Hering, Barbara Petritsch, Katharina Lorenz und Christoph Luser zu sehen.
The Who and the What ist ein Stück des US-amerikanischen Autors Ayad Akthar. Mit ebenso viel Humor wie Tiefgründigkeit beleuchtet es auf pointierte und spannende Weise das Verhältnis des Islam zur Rolle der Frau in der Gesellschaft. In der Inszenierung von Felix Prader sind Peter Simonischek, Aenne Schwarz, Irina Sulaver und Philipp Hauss zu sehen.
The Party, Burgtheater FR 18.09.2020, 20 Uhr / MO 21.09. 2020, 20 Uhr
The Who and the What, Burgtheater. SA 19.09.2020, 20 Uhr / MI 23.09.2020, 20 Uhr