We can work it out: „Work Body“ von Michael Turinsky im TQW
„Work Body“, die neue Arbeit des Tänzers und Choreografen Michael Turinsky, ist mehr als nur eine Antwort auf den Rechtsruck im Arbeiter*innenmilieu. Die Performance ist ein Gegenentwurf, der den arbeitenden und den behinderten Körper in den Vordergrund rückt und eine andere Taktung als jene des kapitalistischen Systems vorschlägt. Wir waren bei einer Probe dabei.
Körper und Geist seien für ihn zwei völlig gleichwertige Quellen, die auch immer gleichzeitig präsent sind, erzählte uns Michael Turinsky bei unserem letzten Treffen, das anlässlich der Österreich-Premiere seiner Arbeit „Soiled“ stattfand. Turinsky studierte Philosophie in Wien und tauchte vor fast zwanzig Jahren in die Welt des zeitgenössischen Tanzes ein. In dieser bewegt er sich nun – unablässig, höchst erfolgreich und immer nach seinem eigenen Takt, wie der mit einer Zerebralparese geborene Künstler gerne betont.
Darum, die Trennung zwischen körperlicher und geistiger Arbeit zu unterwandern und zu verwischen, geht es ihm auch seiner aktuellen Arbeit „Work Body“, die am 24. und 25. Jänner in der Halle G uraufgeführt wird und danach am Staatstheater Hannover zu sehen sein wird. „Das Publikum erwartet eine Performance, die in gewisser Weise ständig zwischen performativer Intervention, Konzert und politische Agitation changiert“, so Turinsky, der in seinen Choreografien utopische Gegenwelten erschaffen möchte. Seine neue, manchmal laute, dann wieder zarte und leise Arbeit ist eine kritisch-empathische Antwort auf den über nationale Grenzen hinweg beobachtbaren maskulinistischen Rechtsruck im Arbeiter*innenmilieu. „Den Anstoß gegeben hat für mich ein bestimmtes Gedicht, nämlich das Gedicht ‚Die Asche Gramscis‘ von Pierre Paolo Pasolini, das er Antonio Gramsci, einem der Begründer der Partito Comunista d’Italia, gewidmet hat. Was viele nicht wissen, ist, dass Gramsci selbst eine körperliche Behinderung hatte“, beschreibt der Tänzer und Choreograf, dessen Performance „Precarious Moves“ 2021 mit einem NESTROY ausgezeichnet wurde, den Beginn der Auseinandersetzung.
Was ist der authentische Kern?
In „Work Body“ beschäftigt sich Turinsky unter anderem mit der Frage, wie es um den von Gramsci betonten „authentischen Kern“ im proletarischen Erleben steht. Was damit gemeint ist, beantwortet der Künstler folgendermaßen: „Antonio Gramsci war der Überzeugung, dass Kunst aus dem Humus der Volkskultur herauswachsen muss – und zwar in kritischer Absicht. Sein Credo war, dass sich Kunst an der populären Kultur abarbeiten sollte. Und warum? Weil sich in der populären Kultur alle Bestrebungen, Überzeugungen, Gedanken und Gefühle der Menschen ausdrücken und eine Form finden. Gramsci war davon überzeugt, dass es darum ginge, den guten, authentischen Kern in diesen populären Gedanken herauszuarbeiten – und um diesen herum eine neue Kultur aufzubauen. Mein Stück ist ein kleiner Versuch, zu spüren, was dieser gute Kern sein könnte. Wo in mir selbst finde ich etwas, das ich vielleicht auch in meinem politischen Gegner finde?“
Ein anderer Rhythmus
Seine neue Arbeit, in der Turinsky nicht nur tanzt, sondern auch baut, singt und spricht, ist außerdem der Versuch, einen Raum zu öffnen, in dem das Publikum Resonanzen zwischen zwei Körperlichkeiten, die normalerweise kaum zusammengedacht werden, wahrnehmen kann – den arbeitenden und den behinderten Körper. Im übertragenen wie auch im buchstäblichen Sinne erschafft Turinsky in „Work Body“ einen Ort der Repräsentation für diese beiden nur sehr selten sichtbar gemachten Körperlichkeiten. Er baut sich selbst eine Bühne, auf der es jedoch nicht nur um ihn geht, sondern auch um all die anderen Körper, die fortwährend an die Ränder der Repräsentation gedrängt werden.
Auf dieser selbst zusammengebauten Bühne wirft Michael Turinsky auch die Frage auf, wie sich sein behinderter Körper in die strenge Durchtaktung der kapitalistischen Leistungsgesellschaft einfügen soll. Der Tanz sei für ihn immer auch ein Bruch mit der permanenten Durchtaktung des Alltags, hielt Turinsky schon bei unserem letzten Gespräch fest. „Wenn man tanzt, entsteht eine andere Textur des menschlichen Miteinanderseins. Die Art und Weise wie wir Menschen miteinander verbunden sind, hat bestimmt visuelle und akustische Qualitäten, aber auch einen bestimmten Rhythmus. Ich finde, dass der Tanz eine andere Textur des Miteinanderseins und der gemeinsamen Bewegung vorschlägt. Darin liegt für mich – vor allem in zeitlicher Hinsicht – sehr viel widerständiges Potenzial. Denn der Tanz macht eine fundamental andere Rhythmisierung möglich, die sich von der permanenten Durchtaktung entfernt.“
Wer sich nun die Frage stellt, wie sich ein solcher Gegenentwurf anfühlen kann: „Work Body“ ist am 24. und 25. Januar in der Halle G zu sehen.