Ob man Jelinek und Scholten liebe oder Kunst und Kultur – das fragte einst per Wahlkampfplakat jene Partei, die sich als die des kleinen Mannes zelebrieren wollte trotz all ihrer lächerlichen Großmannssucht.

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Was Liebe ist, ist schwer zu definieren. Für manche: die verführerische Neigung eines hellen Halses, ein Blick, ein Duft, die Vertrautheit. Für andere: Seelennähe. Gedankenberührung. Respekt.

Was ist aber Kunst, was soll sie dürfen, was kann sie? Vorab eine klärende Antwort: Sobald Kunst fragen muss, was sie überhaupt darf, ist sie bereits geknechtet. Nichts sein darf sie und gleichzeitig alles. Sie kann schmerzen, betören, Wunden aufreißen, Erkenntnis verlangen und verschenken. Sie kann das sagen, was ist (hier streift sie an den Aufgaben der vierten Gewalt – und übertrifft diese noch). Kunst ist die fünfte Gewalt. Was Bild und Ton, Bewegung und Licht festzuhalten vermögen, ist weit mehr als das auf harte Fakten begrenzte „Sagen, was ist“. Es ist ein Zeigen, Vertiefen, Herausputzen, Unter-die-Lupe-Legen, Sezieren und Neu-Zusammensetzen in einem durch Inspiration zum Leben erweckten Frankenstein’schen Körper dessen, was ist – und ein Spielen mit dem, was wäre, wenn. Neben dem Schmerz, der Kunst eben unweigerlich auch ausmacht – denn Erkenntnis und Tragödie sind schmerzhaft, ja sogar noch manche Witze, überhaupt das Menschliche, vor allem das allzu Menschliche –, ist es auch das Fantastische, Entgrenzte, das Kunst eine völlig andere Ebene ermöglicht, auf der so vieles zusammentreffen kann, aber nicht muss:

von Politischem zu Verspieltem, von Fabel bis „Odyssee“, von Teufelspakt zu Himmelfahrt, von Verrat zu Treue bis in den Tod, von Leidenschaft bis zu mörderischer Bürokratie, von dem Apfel für die Schönste bis zu „Krieg und Frieden“, von Zerstörung zu Schöpfungsmythos, von Diktatur bis Anarchie. Und das Wichtigste, das Schönste daran ist: Nichts davon muss sein.

Aber: Alles kann. Denn sobald Kunst muss, ist die Metamorphose zu Propaganda vollzogen. Und wir wissen doch alle, was Propaganda ist: Sie ist nicht nur Publikumsverarschung, sie ist auch noch Kunstschaffendenverhöhnung. Nicht umsonst sprießt überall dort, wo die freien Künste eingeschränkt werden, Subversives aus dem Verborgenen.

Verbietet Bücher! Verbrennt sie sogar! Schließt Theater, zerstört Instrumente!

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Es wird nichts nutzen. Sie werden jedes Regime überleben. „Manuskripte brennen nicht“ , sagt Voland , Meister der schwarzen Künste, hinter dem natürlich Mephisto steckt. Oh, wie recht er hat! Manuskripte brennen nicht. Und die Bretter, die die Welt bedeuten, finden trotz Zensur und Verbot immer wieder zu ihrer Bestimmung zurück: das, was ist, zu zeigen. Oder das, was hätte sein können. Und hier kehren wir zu der Ursprungsfrage zurück, was Kunst ist, haben wir nun gebührlich abgearbeitet. Und was Liebe denn sein könnte? Liebe ist, so wie auch die Kunst, immer eine Chance zur Erschütterung der sich selbst gesetzten Grenzen. Und die Chance auf Leidenschaft, die Mut erfordert – und mit diesem Mut verbundene Neudefinition.

Zur Person: Julya Rabinowich

ist eine österreichische Schriftstellerin, Dramatikerin, Kolumnistin, Malerin, Übersetzerin.