Aber hier leben, nein danke: „Menschenfeind“ im TAG
Fabian Alders „Menschenfeind“ hat keine Lust am sogenannten Lauf der Dinge teilzunehmen. Mit Händen und Füßen – aber vor allem mit seinen Worten – wehrt er sich dagegen. Im TAG kommt die Molière-Überschreibung des Schweizer Regisseurs zur Uraufführung.
„Er ist mir sehr nahe“, sagt Fabian Alder und meint damit die Hauptfigur aus seinem Stück „Menschenfeind“, das sich an das – bis auf den fehlenden bestimmten Artikel – gleichnamige Stück des 1673 verstorbenen französischen Autors Molière anlehnt. „Wir begegnen in diesem Stück einem Menschen, der sich politisch nicht mehr vertreten fühlt, weil ihn seine Kritik an gesellschaftlichen und politischen Strukturen mit den falschen Leuten in Verbindung bringt. Auch ich habe das Gefühl, dass es innerhalb der Linken, der ich mich zugehörig fühle, keine Partei mehr gibt, die meine Ansichten vertritt. Dadurch befinde ich mich immer wieder mit Menschen in einem Boot, die politisch eigentlich sehr weit von mir entfernt sind.“
Als Wutbürger würde er den „Menschenfeind“ nicht bezeichnen, eher als Kulturpessimisten. Auch damit kann sich Fabian Alder identifizieren. Er setzt nach: „Das bedeutet aber nicht, dass er sein Fett nicht abkriegt. Auch er ist nicht über alle Zweifel erhaben. Mir ist es wichtig, dass es ein Gleichgewicht gibt und man über alle Charaktere einmal lachen kann. Es gibt für mich im Theater kaum etwas Schlimmeres als den erhobenen Zeigefinger.“
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Einen Reim daraus machen
Der gebürtige Schweizer hat schon mehrfach in Wien gearbeitet – unter anderem im Theater in der Josefstadt. Fürs TAG hat er eine eigene Fassung des „Menschenfeinds“ geschrieben. Zehn Zeilen stammen aus dem Originaltext, der Rest des Textes aus der Feder des Regisseurs und Autors. Wie schon bei Molière kommt auch bei Fabian Alder der Alexandriner zum Einsatz. „Es gibt kaum zeitgenössische Texte, die gereimt sind und sich dieses Versmaßes bedienen. Ich hatte Lust darauf, es auszuprobieren. Ich wollte wissen, ob ich das kann“, erklärt er, als wir ihn im Café Jelinek nach der Form seines Stückes fragen.
Das Jelinek, das sich nur einen Katzensprung vom TAG entfernt, am unteren Ende der Otto-Bauer-Gasse, befindet, ist wie zu fast jeder Tageszeit voller Menschen. Während im Hintergrund Geschirr klappert und sich die Unterhaltungen einzelner Gruppen zu einem großen Klangteppich vermischen, geht Fabian Alder weiter seinen Gedanken zum „Menschenfeind“ nach. „Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, wie weit ich mich von Molières Stück entfernen darf oder kann. Ich bin mit dem Originaltext eher wie mit einem Mythos umgegangen, den ich bearbeiten möchte. Wichtig war mir, einen Menschen zu zeichnen, der sich gegen die Gesellschaft auflehnt, weil er sie verachtet. Der dadurch zum Einzelgänger wird, sich gleichzeitig aber in eine Frau verliebt, die in dieser Gesellschaft total aufgeht. Es spielen also auch Liebe und Beziehungen eine wichtige Rolle.“
Distanz durch Humor
Was er am Inszenieren von Komödien besonders mag, möchten wir außerdem von Fabian Alder wissen. „Die Komödie schafft eine Distanz zu ihren Themen und Inhalten“, antwortet der Regisseur wie aus der Pistole geschossen. „Dadurch findet keine Identifikation statt. Das mag ich sowohl beim Arbeiten als auch als Zuschauer.“ Diese Distanz mithilfe von Humor herzustellen, sei aber auch eine große Herausforderung, fügt er nach einer kurzen Pause hinzu. „Darüber hinaus gefällt mir daran, dass es eine sehr konkrete Arbeit ist. Es geht um Timing, Rhythmus und die Arbeit an Spielweisen. Als Regisseur geben mir Komödien außerdem die Möglichkeit, in eine große Künstlichkeit hineinzugehen.“
Gegen Ende des Gesprächs kommt Fabian Alder noch einmal zum Kernthema des „Menschenfeinds“ zurück. Denn auch aktuellen Strukturen am Theater begegnet der Regisseur auf durchaus kritische Weise. „Ich habe das Gefühl, dass es im Theater plötzlich wieder Tabus gibt. Es ist auf eine seltsame Art wieder bürgerlich geworden. Mein Eindruck ist, dass sowohl die Theatermacher*innen als auch die Zuschauer*innen meist derselben Blase angehören und sich dadurch permanent in ihren Meinungen bestätigen. Ich glaube aber, dass man es den Menschen durchaus zutrauen kann, sich mit anderen Standpunkten als ihren eigenen auseinanderzusetzen.“
Zur Person: Fabian Alder
Der 1981 geborene Schweizer war Regieassistent am Schauspiel Essen und am Schauspielhaus Zürich, bevor er an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin Regie studierte. Von 2009 bis 2013 war Hausregisseur am Theater Augsburg. Er inszenierte unter anderem am Schauspielhaus Zürich, am Schauspiel Essen sowie am Theater Magdeburg. Seit 2013 arbeitet er regelmäßig in Österreich, u.a. am Theater in der Josefstadt, dem Landestheater Niederösterreich sowie am Bronski & Grünberg in Wien.