Alex Melcher: Der andere Falco
Ruhm vs. Realität. Als Alter Ego von Hans Hölzel ist Alex Melcher süchtig nach Endorphinen. Zur Musik kam er über Metal und Hardrock. Zum Musical brachte ihn ein Flyer. Seine Karriere zündete in Wien.
Erfolgs-Euphorie. „Es ist immer schön, wenn ein Stück so gut ankommt bei den Leuten“, beantwortet Alex Melcher die Frage, wie er die bisherigen Reaktionen des Publikums denn rezipiere. „Ich konnte das schwer einschätzen und hatte auch nur eine vage Idee davon, wie sehr Falco in Österreich verankert ist. Für dieses positive Ergebnis haben wir jedenfalls sehr intensiv gearbeitet.“
Der gebürtige Karlsruher ist künstlerisch nicht im Kommerz zu Hause und schon allein deshalb eine Idealbesetzung für den Part des Alter Ego – laut Duden-Definition „das zweite, andere Ich“. Ein Begriff, der seinem Darsteller allerdings widerstrebt. „Ich sehe ihn nicht als andere Seite von Hans Hölzel, nicht als Kunstfigur, die sich von ihm löst, sondern als innere Stimme, ein Teufelchen, das auf seiner Schulter sitzt. Meine Figur verkörpert eine Art von Energie, die dann entsteht, wenn ein Mensch in einen besonderen Erfolgsrausch verfällt, weil er von tausenden Fans gottgleich verehrt wird und dabei massenhaft Endorphine ausschüttet. Das Gefühl der Euphorie, das in solchen Momenten entsteht, erweckt meine Rolle erst zum Leben. Ich existiere nur in dieser Emotion, die für mich zur Droge wird und die ich deshalb immer wieder neu herzustellen versuche.“
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Es sei ihm klar, dass er im Stück eine mephistophelische Komponente bedienen müsse, die gleichsam auch eine Übersetzungsleistung in Richtung Publikum sei – „und dieser Ebene gebe ich mich auch lustvoll hin, aber ich begreife meine Figur nicht als das Böse, sondern frei von Moral“. Schwäche und Verletzlichkeit zeigten sich immer dann, wenn Hans Hölzel sich von Falco zu entfernen versuche. „Denn dadurch würde das Alter Ego buchstäblich verschwinden.“
Musical war für mich dann ein Beruf, als ich zum ersten Mal meine Miete damit bezahlen konnte.´
Alex Melcher, Musicaldarsteller
Die neuerdings schwarzen Haare und die schwarz lackierten Fingernägel sind ebenfalls der Figur geschuldet. „Ich fühle mich in meiner Rolle sehr anarchistisch und wollte diese Unordnung auch optisch darstellen, indem ich den Punk deutlich mache.“ So viel Reflexionsfähigkeit ist durchaus nicht selbstverständlich – das darf an dieser Stelle auch einmal wertfrei geäußert werden.
Hardrock, halleluja!
Alex Melcher kannte als Kind der MTV-Generation Falco zwar von Videos und TV-Auftritten, fühlte sich selber aber „in der Hardrock- und Heavy-Metal-Schublade“ wohler. „Ich bin relativ konservativ und sehr katholisch aufgewachsen. Rock ’n’ Roll war meine Rebellion, wobei mein vier Jahre älterer Bruder meinen Musikgeschmack geprägt hat.“
Erst gründete er eine Schüler-, dann eine Hardrock-Band. „Ich hatte damals schon großes Interesse an der Verbindung von Theater und Musik. Die ersten prägenden Sachen, die ich gesehen habe, waren ‚Tommy‘ von The Who, Pink Floyds ‚The Wall‘ und ‚Jesus Christ Superstar‘. Als Live-Künstler hat mich besonders Peter Gabriel fasziniert, der immer in Kostümen auftrat und seine Songs auch dargestellt hat.“
Seine erste Gesangslehrerin in Karlsruhe habe ihm eines Tages einen Flyer der Hamburger Stage School in die Hand gedrückt und damit erst die Möglichkeit eröffnet, an Musical überhaupt zu denken. Alex Melcher setzte jedenfalls buchstäblich alles auf eine Karte und wurde auf Anhieb genommen. Eine erfolgreiche Ausbildung später, in der er zu den Gehypten seines Jahrgangs zählte, hatte er sein „bis heute einziges“ Diplom in der Hand.
Ab wann war Musical für ihn auch rational ein Beruf? „Als ich zum ersten Mal meine Miete damit bezahlen konnte. Mein Ziel bestand nicht darin, in großen Shows zu spielen oder im Ensemble zu landen. Ich wollte einerseits meine eigene Musik machen und andererseits das Metier kennenlernen. Also bin ich durch kleine Theater gezogen und habe in Schmidts Tivoli auf der Reeperbahn gejobbt. Da hat mein neues Leben begonnen.“
Als er erfuhr, dass eine Musicalversion von Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ in dessen Regie nach Wien kommen sollte – noch dazu eine Uraufführung mit Musik von Jim Steinman –, „dachte ich, okay, dafür gehe ich auch ins Ensemble“. So ist es dann auch passiert. Im Raimund Theater war er zunächst Aris Sas’ Cover als Alfred, den er im zweiten Jahr schon alternierend darstellte. In New York sah er schließlich „Rent“ und empfand das Stück als Offenbarung. „Ich träumte davon, die Rolle des Mark Cohen zu spielen.“ Was ihm 1999 in Düsseldorf auch gelang.
Alex Melcher erarbeitete sich mit Hauptrollen in „Jesus Christ Superstar“ und „We Will Rock You“ den Status des Rocksängers unter den Musicalgrößen, wodurch seine Anfänge einen doppelten Sinn erfuhren. Immer wieder veröffentlichte er auch eigene Musik, doch die zum Glück erfolgreiche Laufbahn ließ dafür wenig Zeit. Die Corona-Pandemie bildete diesbezüglich eine Zäsur, die ihn dazu veranlasste, eine Idee wieder aufzugreifen, die auf seine erste Wien-Zeit zurückgeht: ein eigenes Musical zu schreiben. Eigentlich habe ihn 1997 seine damalige Freundin aus New York auf diesen Stoff gebracht, realisiert habe er ihn nun mit seiner Frau Vera Bolten, ebenfalls Musicaldarstellerin, die das Buch dazu verfasste.
Geschwister Scholl
Der dramatische Stoff behandelt die 1982 verfilmte Geschichte der Widerstandsbewegung „Weiße Rose“, in der die Geschwister Hans und Sophie Scholl gemeinsam mit befreundeten Studienkollegen die Nazi-Diktatur bekämpften und dafür hingerichtet wurden.
„Ein schwieriges, aber spannendes Thema“, findet nicht nur Alex Melcher, „für das mir damals noch die Reife gefehlt hat.“ Nun ist das Stück fertig, eine erste Workshop-Präsentation verlief äußerst vielversprechend, langsam geht es an das Thema Veröffentlichung. „Und weil es so sensibel ist, wollen wir es auch nicht einfach aus der Hand geben, sondern suchen eher nach Kooperationsmöglichkeiten mit Stadttheatern.“ Gerne solchen mit jugendlichen Perspektiven. Und die soll es ja auch in Wien geben.