Die Amneris ist eine echte Bitch. Stimmt das, Frau Garanča?
Operndiva Elīna Garanča gibt im Jänner an der Seite von Jonas Kaufmann ihr Rollendebüt als Amneris in der Wiederaufnahme von Verdis „Aida“. Endlich! Wir haben mit der Lettin über die Rolle gesprochen – und warum sie zu alt für das große Liebesdrama ist.
Sie hat es immer wieder gesagt. Auch hier in diesem Magazin. „Die Amneris ist mein Mount Everest. Diese Rolle ist mein Höhepunkt. Danach kann ich aufhören.“ Jetzt ist es endlich so weit – zumindest, was die Amneris betrifft und nicht das Aufhören. Staatsoperndirektor Bogdan Roščić hat Elīna Garanča für die Wiederaufnahme der „Aida“ angefragt, und sie hat ja gesagt. An ihrer Seite als Radamès: Jonas Kaufmann. Vier Opernabende werden es im Jänner sein – und falls Sie Karten wollen, dann sollten Sie sich beeilen: Bei einer derartigen Besetzung hängt bald das „Ausverkauft!“- Schild an der Opernkassa. Im September (6., 9., 12., 15.) singt Garanča die Carmen, ihr Don José ist Piotr Beczała. Auch nicht schlecht.
Wir haben mit Elīna Garanča über ihr Rollendebüt gesprochen.
Die Amneris ist eigentlich eine echte – lassen Sie es mich auf Englisch sagen – Bitch. Richtig?
Ja, es gibt sehr viele Bitches im Sopranrepertoire. Die Carmen steht im Ruf, eine zu sein; die Dalila, die Kundry und viele andere in der Stimmlage sind Witches.
Und viele dieser Rollen haben Sie gesungen...
(Lacht.) Ja, einige. Ich suche noch den Schlüssel zu diesem Charakter und dieser Rolle. Sie ist eine Frau, die von Eifersucht sehr getrieben ist, aber das als einzige Idee stehen zu lassen, ist mir zu wenig. Bei der Amneris spielt ja auch ihre Herkunft eine nicht unwesentliche Rolle. Sie ist in einer männlichen Gesellschaft groß geworden. Die Mutter existiert nicht, sie hat auch keine Schwester. Sie wurde sicher, allein ob ihres Geschlechts, emotional vernachlässigt. Und dann trifft dieser Charakter auf eine Person wie Aida, die so schillernd ist. Amneris wird durch dieses Aufeinandertreffen aus der Bahn geworfen, und sie muss vermutlich zum ersten Mal hinterfragen, wer sie ist.
Ich glaube, dass es gerade im Charakter der Amneris noch viel zu entdecken gibt. Und dass man, wenn man auf der Bühne steht, noch sehr viele Finessen hineinbringen kann. Ich denke auch, dass viele Reaktionen von Amneris impulsiver Natur sind und gar nicht so kalkuliert. Das sind die Facetten, die mich an dieser Rolle und dieser Frau am meisten interessieren.
Elīna Garanča über ihren persönlichen Mount Everest
Wir haben Opernstar Elīna Garanča im Hotel Sacher getroffen und hatten einige Fragen. Zum Beispiel: Wo sind die Diven der Zukunft? Wie lange probt sie für eine Rolle? Wann singt sie endlich die Amneris? Und: Wie ist es, mit Anna Netrebko zu arbeiten? Weiterlesen...
Liebe, Eifersucht, Verzweiflung
Liebt Amneris Radamès wirklich, oder will sie ihn nur besitzen?
Das ist eine gute Frage. Ich glaube, dass sie ihn am Anfang besitzen will, weil sie gewohnt ist, alles haben zu können. Aber als sie sieht, dass Radamès und Aida sich lieben, will sie das Gefühl auch kennenlernen. Aber da ist es dann zu spät, und sie kann ihr Besitzdenken nicht mehr in Richtung Liebe drehen. Sie hat einfach die falsche Reihenfolge gewählt. Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn sie zuerst geliebt hätte ...
Weil sie Radamès nicht haben kann, opfert sie ihn ...
Das ist doch wie in der Ukraine jetzt: Wenn ich es nicht haben kann, dann zerstöre ich es.
Zur Person: Elīna Garanča unter freiem Himmel:
Klassik unter Sternen, Stift Göttweig.
Romantischer geht es nicht: Elīna Garanča und Freunde vor der Kulisse des Stiftes Göttweig, unten die Donau. 6. Juli 2022, 20.30 Uhr, Tickets: ab 65 Euro, oeticket.at
Klassik in den Alpen, Kitzbühel.
Das Garanča-Konzert im Pfarrau-Park mitten in Kitzbühel st seit Jahren ein Fixtermin für alle Fans. 9. Juli 2022, 20.30 Uhr, Tickets: oeticket.at
Können Sie diesen Zugang nachvollziehen? Haben Sie auch schon einmal so verrückt geliebt?
Jetzt wäre es mir zu blöd, aber vor 25 Jahren wahrscheinlich nicht. (Lacht.) Das ist dieser maximalistische jugendliche Zugang. Wenn Romeo und Julia zwanzig Jahre älter gewesen wären, wäre auch nicht alles derart eskaliert. (Lacht.)
Warum wollten Sie diese Rolle immer singen?
Ich finde, das ist eine der besten Verdi-Opern. Die Ouvertüre, die Chöre. Zwar hat die Amneris keine Solo-Arie, aber alles, was um sie und mit ihr passiert, ist so stark. Liebe, Eifersucht, Verzweiflung.
Wissen Sie: Es ist einfach immer ein Traum gewesen – so wie für andere Menschen, dass sie nach Amerika fahren oder auf einen besonderen Berg steigen. Die Amneris steht schon immer auf meiner Bucket List. Ich habe mich jetzt zwei Jahre stimmlich auf die Rolle vorbereitet. Die erste Vorstellung von der Amneris wird etwas Besonders, ein sehr emotionaler Moment für mich. Ich freue mich auf diese Möglichkeit.