Das Pygmalion Theater: Kleines Theater, große Geschichten
Seit 1995 gibt es das Pygmalion Theater, das ein breitgefächertes Repertoire an Klassikern wie Kafkas „Die Verwandlung“, „Amerika“ sowie Zweigs „Schachnovelle“ und Roths „Die Legende vom heiligen Trinker“ bietet - um nur einige zu nennen. Wir haben den kaufmännischen Leiter Philipp Kaplan im Theater an der Alser Straße getroffen.
Eine schwarzverschnörkelte, eiserne Haustür ist das Erste, das man sieht, nachdem man von Google Maps zum Privattheater geführt wurde. „Pygmalion Theater“ steht auf einem Klingelschild daneben. Man läutet, folgt dem grünen „Theater“-Schild, geht rechts durch eine Tür und gelangt in einen kleinen Innenhof. Dann führen ein paar Stufen hinunter und schon ist man da.
„Das war früher eine Sauna“ verrät Philipp Kaplan, der uns kurz durch das kleine Theater führt und den wir Anfang Juni für ein Interview treffen. Rund 40 Zuschauer*innen fasst der Saal, der wie eine Black Box aufgebaut ist. Wenig Requisiten, dafür mehr Schauspiel und Relationen, so die Devise.
Am Anfang ein Zufall
Philipp Kaplan ist Schauspieler, Regisseur, Sprechlehrer und Dramaturg. Seit November 2022 steht auch „Kaufmännische Leitung des Pygmalion Theaters“ auf der Liste seiner Professionen. 17 Jahre ist Kaplan nun im kleinen Theater an der Alserstraße tätig.
Geplant war davon nichts. Nach der Matura schloss Kaplan ein Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien ab. Durch Zufall wurde er auf die Schauspielschule Pygmalion hingewiesen, darauf folgten sowohl die Regie- als auch die Schauspielausbildung an eben genannter. Ein Glücksfall, für den Kaplan bis heute dankbar ist. „So bin ich hier gelandet, wo ich mich tagtäglich mit hoher Literatur auseinandersetzen darf. Das habe ich mir nie träumen lassen.“
Und die Tätigkeiten, die er als Leiter des kleinen Theaters ausführt, sind vielfältig: Kassa, Homepagebetreuung, Entwerfen der Folder bis hin zum Newsletterversand.
„Hier sind wir für alles zuständig und mir gefällt der Prozess, dieser Holismus: alles zu machen“, so Kaplan, der sich auch als eigener Hausmeister für das Theater bezeichnet. Mit „wir“ meint er auch den Theatergründer Geirun Tino, der in den 90er-Jahren das Pygmalion Theater aufgebaut hat und bis heute bei den Produktionen Regie führt. Auch in der Schauspielschule fungiert Tino als Lehrender.
Die Schauspielschule selbst richtet sich dabei nach Brecht: „Dem großen Handwerk von Verfremdung und Brüchen im Schauspiel “, wie Kaplan beschreibt.
Je größer die Herausforderung, desto größer das Wachstum.
Philipp Kaplan über seine Rollen in Kafkas „Verwandlung“
Die „Verwandlung“ als One-Man-Show
Das Repertoire des Pygmalion Theaters stützt sich vornehmlich auf Werke von weltliterarischer Geltung wie jene von Franz Kafka oder Stefan Zweig, um nur einige zu nennen. Auch für Schulaufführungen können einzelne Vorstellungen jederzeit gebucht werden.
„Gerade kleinere Bühnen sind aus Kostengründen gezwungen, auf urheberrechtlich freie Stoffe zurückzugreifen.“ Dabei findet besonders „Die Verwandlung“, die seit 2015 von Kaplan am Pygmalion Theater gespielt wird, seit Jahren Anklang beim Publikum. Philipp Kaplan selbst spielt Gregor Samsa, Erzähler, Mutter, Vater, Schwester, Prokurist. Auf der Bühne ist er allein. Eine One-Man-Show sozusagen.
„‚Die Verwandlung‘ hält mich auch körperlich fit. Unsere Vorstellungen sind auch vom körperlichen Spiel geprägt.“ Ob Kaplan dabei an seine Grenzen stößt? „Ich stoße bei jeder Rolle in jeder Vorstellung an meine Grenzen, bei der ‚Verwandlung‘ besonders. Je größer die Herausforderung, desto größer das Wachstum.“
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Klein, aber fein
Ein besonderes Arrangement der Elemente macht das Pygmalion Theater zu etwas Einzigartigem, findet der Schauspieler. „Es ist eine charakteristische Handschrift seitens der Regie gegeben: Geirun Tino hat seit 28 Jahren dieses Haus geprägt und ihm einen unverwechselbaren künstlerischen Stempel verliehen.“
Auch eine große Ausstattung ist nicht notwendig, denn gebraucht wird am Theater nicht viel, um eine beeindruckende Inszenierung auf die Bühne zu bringen. „Wir arbeiten mit kargen Mitteln, weil wir es so wollen: Wir wollen die Relationen der Charaktere betonen und konzentrieren uns auf das Wesentliche.“
Durch das minimalistische Bühnenbild und die Nähe zur Bühne können die Zuschauer*innen die Mimik und die Entwicklung der Figuren mitverfolgen. In den großen Theatern hingegen würde durch die Distanz diese Informationsquelle für das Publikum verloren gehen, findet Kaplan. „Das kann hier nicht passieren. Dafür erlebt uns hier ein kleinerer, erlesener Kreis.“
Am besten diesen Geheimtipp selbst erleben und bestaunen.