Das Paradies ist kein Ort, es ist ein Zustand
Sebastian Koch hat Hollywood erobert, Blockbuster gedreht und kommt am 18. Jänner für einen Abend – gemeinsam mit Stargeiger Daniel Hope und Texten von Jelinek, Nietzsche, Dostojewski und Co – in die Josefstadt. Ein Treffen.
Videoschaltungen können auch sehr privat werden. Vor allem, wenn man vergisst, den Hintergrundfilter zu aktivieren, und das Gegenüber freien Blick in die Wohnung hat. „Die zwei Bilder da bei Ihnen an der Wand beschreiben perfekt den Abend, den wir in Wien machen werden.“
Sebastian Koch lächelt. Die Bilder sind Fotos von zwei Aktionen der Performance-Künstlerin Marina Abramović: Einmal starrt sie auf einen Esel. Einmal zielt ihr Exmann Ulay mit gespanntem Bogen auf die Künstlerin. Bei Sebastian Koch zu Hause in Berlin sind vor allem Bücher zu sehen. Entspannt sitzt er in einem Sessel. Es ist Wochenende, die Entspanntheit der Welt ist auch die unsere.
Einen Abend mit zwei Instrumenten wird der Schauspieler an der Josefstadt machen. „Genau“, sagt Sebastian Koch und grinst, „Herrn Hopes Geige und meine Stimme. Es wird ganz puristisch. Zwei Männer auf der Bühne. Zwei Spots. Der eine hat eine Geige. Der andere hat die Stimme. Anfangs hatten wir auch noch eine Harfe dabei, weil wir uns nicht ganz sicher waren, ob Geige und Stimme reichen, aber es reicht.“
Das Paradies ist einfach im Hier und Jetzt. Es ist ein Teil von uns.
Sebastian Koch
Es ist so wahnsinnig angenehm, nur auf Sebastian Kochs Stimme zu hören, dass man kaum mehr Lust hat weiterzufragen. Er soll einfach nur weiterreden. Reicht. Aber es ist ein Job zu erledigen. Also: Warum bloß muss dazu eine Geige spielen? Geige allein, klingt das überhaupt? Koch lächelt wieder. „Wenn Herr Hope das spielt, dann klappt das. Die Musik nimmt zum Teil die Texte vorweg, zum Teil erzählt sie sie nach – sie ist sehr verbunden mit der Lyrik und ist dadurch ein unterstützendes Element. Es wird durchaus ein sehr komplizierter Abend, mit sehr tiefen Texten, die auch große Konzentration erfordern. Die Geige löst das immer wieder auf und lässt die Worte nachhallen. Das ist wunderbar, das funktioniert hervorragend.“
Vom Urknall bis ins Heute
Sebastian Koch wird unter anderem Texte von Dostojewski („Dämonen“), John Milton („Paradise Lost“), Goethe („Prometheus“), Ovid („Metamorphosen“, 1. Buch), Nietzsche („Gott ist tot“) sowie Texte aus der Bibel, dem Koran, dem Veda und auch von Elfriede Jelinek („Die Schutzbefohlenen“) performen.
„Ich werde jenen Teil des Jelinek-Textes lesen, der die Fluchtsituation im Boot beschreibt. Das ist auch der Brückenschlag ins Heute. Der Abend beginnt mit dem Urknall, dann die Schöpfung, dann die Erschaffung des Paradieses, dann der Sündenfall und die Flucht aus dem Paradies.“
Sebastian Koch macht eine Pause und beginnt plötzlich einen Text aus dem Weltschöpfungslied des Rigveda – einer Sammlung altvedischer Texte – zu zitieren. „Kein Luftraum war, kein Himmel drüber her. Wer hielt in Hut die Welt, wer schloss sie ein? Wo war der tiefe Abgrund, wo das Meer? Nicht der Tod war damals, noch Unsterblichkeit. (…) Vom Dunkel war die Welt bedeckt. Ein Ozean ohne Licht, in Nacht verloren.“
Pause. Wir stoßen gerade an die Grenzen dessen, was Printjournalismus leisten kann: zum Beispiel Sound liefern. Uns bleibt nur die Empfehlung: Gehen Sie hin, hören Sie selbst.
Die Frage nach der Deutung
„Paradise“ steht als Titel groß über dem Abend. Echt jetzt? Warum? Sebastian Koch kennt die Frage, er hat sie in Interviews zu dem Abend schon öfter beantwortet. „Das Paradies ist ein Teil von uns. Es ist nicht zu erobern, nicht zu erarbeiten. Das Paradies ist einfach im Hier und Jetzt. Dass man glücklich im Augenblick sein kann – es ist einfach nur eine Entscheidung. Darum geht es in der Reise durch diesen Abend. Er beginnt und endet mit einem Text von Dostojewski, der besagt: ‚Alles ist gut.‘“
Der weltweit erfolgreiche Schauspieler ist protestantisch erzogen worden. „Im Protestantismus ist das Paradies ein Ort der Glückseligkeit, aber man muss ihn sich erobern. Ich habe mir dann vor zehn Jahren die Frage gestellt: Stimmt diese biblische Deutung? Ich habe sie infrage gestellt, und so kam es zu dem Abend, weil ich das für mich herausfinden wollte. Jeder hat eine Idee vom Paradies, und ich dachte mir: Was kommt dabei heraus, wenn ich das untersuche?“
Daniel Hope und Koch haben sich am Rande eines Events vor Jahren kennengelernt. Hope ist nicht nur ein Star an der Geige, er war Teil des Beaux Arts Trios, hat mit Brandauer gearbeitet, Bücher geschrieben, moderierte im Fernsehen, „und dann wir haben uns getroffen, angefreundet und haben beschlossen, etwas gemeinsam zu machen“, sagt Koch.
Ende November 2014 feierte übrigens Sebastian Koch sein „Solodebüt“ an der Josefstadt. Damals las und spielte er Schnitzlers „Traumnovelle“, begleitet damals vom Kölner Komponisten und Pianisten Hubert Nuss.
Föttinger macht’s möglich
„Ich war damals aufgeregt wie ein Hund. Als Piefke auf der Bühne der Josefstadt, wo Lohner und wer weiß noch alles gelesen und gespielt haben. Ich habe mich gefragt, ob ich das Wiener Publikum erreichen kann. Aber die Angst war unbegründet. Es wurde ein Zauberabend. Es war rappelvoll und so schön, und schon damals dachte ich mir: Das würde ich gerne noch einmal da machen.“ Koch grinst schelmisch, macht wieder eine Pause und setzt nach: „Und dem Föttinger hat es offenbar auch ganz gut gefallen.“
Was ist für ihn der Unterschied zum Film? „Ich mag bei diesen Projekten die kurzen Wege. Ich habe eine Idee, ein Anliegen, kann dieses dann mit einer kleinen Crew von Menschen auf die Beine stellen und bleibe beweglich. Es ist alles sehr direkt, und ich kann jederzeit auch neue Texte suchen, die auch die Aktualität auffangen. Das gefällt mir sehr daran. Und natürlich meine Liebe zur Musik; diese Verbindung von Musik und Text, die ja vor zwanzig Jahren noch kritisch beäugt wurde, hat endlich ihren Platz in der Kulturszene gefunden.“
Wir geraten ins Plaudern. Ich fotografiere die Bilder von Abramović und schicke sie Koch per Whatsapp. Er erzählt mir inzwischen von seinem nächsten großen Projekt: „Es geht um eine Netflix-Serie. Es ist zwar noch nicht ganz spruchreif, aber wir sind gerade dabei, das abzuschließen. Meine große Leidenschaft bleibt aber weiterhin das Kino.“