Wer hat Angst vor Virginia Woolf?

Auch jene, die das Stück von Edward Albee noch nie gesehen haben, kennen es sehr wahrscheinlich in der Filmversion mit Elizabeth Taylor und Richard Burton in den Hauptrollen. Die beiden verkörperten das Ehepaar Martha und George wohl auch deshalb so glaubhaft, weil ihnen in ihrer eigenen Ehe keine Zerfleischung fremd war.

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Die gegenseitige Entwürdigung unter Einbeziehung des jungen Paares Nick und Honey nimmt eines Nachts rasante Fahrt auf. Unter fortgesetztem Alkoholmissbrauch demütigt Martha ihren Gatten nach allen Regeln intelligenter Niedertracht dermaßen, dass er schließlich versucht, sie zu erwürgen. Er wiederum zerstört ihre Fantasiewelt samt eingebildetem erfolgreichem Sohn – ein letzter Akt kalter Rache.

Auch Nick wird als Versager entlarvt, der über seine Frau Honey – sie ebenfalls keine Kostverächterin des Hochprozentigen und schwer traumatisiert – an das Vermögen des Schwiegervaters gelangen wollte.

Der Autor schuf mit dem 1962 uraufgeführten Stück ein schonungsloses Zeugnis ehelichen Psychoterrors, in dem sich die in 20 Ehejahren aufgestauten Frustrationen bösestmöglich entladen. Auch wenn das Ende zwar nicht happy, so doch einigermaßen optimistisch ausfällt, wünscht man sich als Theaterbesucher danach eines wirklich nicht: eine Beziehung.

Raphael Muff und Julia Gräfner 2016 in einer unkonventionellen Inszenierung am Schauspielhaus Graz

Lupi Spuma

Romeo & Julia

William Shakespeares Drama wird gemeinhin als Beispiel bedingungsloser Hingabe missverstanden. Auch in der BÜHNE-Redaktion gehen hier die Meinungen auseinander. Zwei erstverliebte Teenager im hormonellen Überschwang glauben Ende des 16. Jahrhunderts, die rüden Konventionen ihrer verfeindeten Familien sprengen und ein gemeinsames Leben führen zu können. Irrtum.

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Denn die Montagues, denen Romeo entstammt, und Julias Clan der Capulets sind dermaßen im Clinch miteinander, dass es selbst bei zufälligen Treffen regelmäßig zu blutigen Faust- und Fechtkämpfen kommt. Einem solchen fällt schließlich auch ein Cousin Julias, und zwar durch die Hand Romeos, zum Opfer. Der frisch angetraute Ehemann – Romeo und Julia sind mittlerweile heimlich verheiratet – muss aus Verona fliehen.

Julia nimmt einen Schlaftrunk, der sie in einen todesähnlichen Zustand versetzt, um einer von der eigenen Familie arrangierten Zwangsheirat zu entgehen. Durch unglückliche Umstände erfährt Romeo nichts davon, kehrt nachhause zurück, findet die Gattin in der Familiengruft vor und tötet sich umgehend durch Gift selber. Julia erwacht und stößt sich nun, ebenfalls gram vor Trauer, Romeos Dolch in die Brust. Ende: sehr, sehr schlecht.

Dass sich die Familien der Gemeuchelten nun am Grab der Kinder versöhnen, ist diesen auch kein Trost mehr. So viel Leid für so wenig Liebe.

In Tenessee Williams Stück – im Bild eine Inszenierung von Michael Thalheimer am Berliner Ensemble – werden auch die sozialen Verhältnisse neu verhandelt

Matthias Horn

Endstation Sehnsucht

Tennessee Williams ist bekanntlich ein Meister schwieriger Verhältnisse, in dessen Stücken zwischenmenschliche Dynamiken nicht selten in psychischen Dilemmata enden. Oder so beginnen.

„Endstation Sehnsucht“ ist da keine Ausnahme. Da ist auf der einen Seite die nicht mehr ganz so junge (wie sie tut) Südstaatenschönheit Blanche DuBois, die nicht nur den sozialen Niedergang ihrer „aristokratischen“ Familie verkraften muss – was ihr ohnehin nicht gelingt, stattdessen flüchtet sie sich in Illusionen –, sondern auch das Scheitern ihrer Ehe sowie ihre Kündigung als Lehrerin, die dem Verhältnis mit einem ihrer Schüler geschuldet ist.

Auf der anderen Seite steht der polnischstämmige Arbeiter Stanley Kowalski, Ehemann ihrer Schwester Stella, die Blanche in New Orleans besucht. Stella lebt ein wenig privilegiertes Leben, ihre Beziehung zu Stanley ist stark sexueller Natur, obwohl er sie schlägt. Auch gerät sie umgehend zwischen die Fronten, denn Blanche und Stanley stehen sich von Anfang an feindselig gegenüber.

Die Abneigung gipfelt darin, dass Stanley Blanches Vergangenheit öffentlich macht, damit ihre neue Beziehung zerstört und sie schließlich vergewaltigt. Diesen Missbrauch glaubt ihr niemand, auch nicht die eigene Schwester, und sie endet schließlich in der Psychiatrie. Stanley hingegen darf auf eine Zukunft als stolzer Familienvater hoffen. So etwas wie Liebe ist keinem vergönnt.

Andrea Jonasson als Claire Zachanassian und Michael König in der Rolle des Alfred Ill am Theater in der Josefstadt

Herwig Prammer

Der Besuch der alten Dame

Die Tragikomödie nimmt ihren Anfang, als die Milliardärin Claire Zachanassian ihre alte Heimatstadt Güllen besucht, in der sie aufwuchs und in der noch immer Alfred Ill, Jugendliebe der mondänen Hauptfigur, lebt.

45 Jahre davor hieß sie noch Klara Wäscher und wurde mit 17 Jahren von Alfred schwanger, der das Kind aber verleugnete, was sie letztendlich dazu trieb, ihre Heimat zu verlassen. Sie verlor ihr Baby, arbeitete als Prostituierte, schaffte es allerdings, sich durch neun Ehen ein enormes Vermögen zu „erwirtschaften“.

Claire sinnt auf Rache und bietet dem durch ihr Zutun verarmten Kleinstädtchen eine Milliarde an. Als Gegenleistung fordert sie Alfreds Tod. Erst weisen die Güllener das mörderische Ansinnen entrüstet zurück. Dann aber verfallen sie in einen kollektiven Konsumrausch, der sogar Alfreds eigene Frau und Kinder erfasst, verschulden sich heillos und erfüllen schließlich Claires Forderung.

Der arme Alfred verliert in einer sich immer enger um ihn schließenden Menschenmenge sein Leben. Ein „Tod aus Freude“, nennt es die Presse. Claire Zachanassian bezahlt die Rechnung und reist mit Alfred Ills Leichnam ab nach Capri, wo ihn ein luxuriöses Mausoleum erwartet. Welch schwacher Trost.

Friedrich Dürrenmatt hat „Der Besuch der alten Dame“ tatsächlich Glück gebracht. Es wurde zum Welterfolg und machte ihn reich. Vielleicht noch das hoffnungsvollste aller hier proklamierten Stücke.

Zehn Personen in wechselseitigen Paarbeziehungen, die vordergründig dem Geschlechtsakt frönen. Hier im TAG – Theater an der Gumpendorfer Straße

Anna Stoecher

Der Reigen

Ende des 19. Jahrhunderts verfasst und 1920 in Berlin uraufgeführt, wurde das bis heute erfolgreichste Stück Arthur Schnitzlers zu einem der größten Theaterskandale der Geschichte. Neben moralischen Bedenken war es vor allem offener Antisemitismus, der dem Autor entgegenschlug. Dieser verfügte schließlich ein Aufführungsverbot, welches bis 1. Jänner 1982 in Kraft war.

Zehn heterosexuelle Menschen begegnen einander jeweils in Paarform, wobei immer eine Person – wie in einem Reigen – an die nächste weitergereicht wird. Alle haben Geschlechtsverkehr: von der Dirne über den Soldaten, das Stubenmädchen und das süße Mädel bis hin zum jungen Herrn, dem Dichter oder dem Grafen. Erfüllung ist niemandem vergönnt.

Verheißung, Verführung, Eifersucht, Verdrängung, Selbstbetrug, Täuschung, Dekadenz, Missbrauch, Sehnsucht und das Verlangen nach Liebe sind die Ingredienzien dieses Dramas. Die Liebe findet quer durch alle sozialen Schichten nicht statt. „Der Reigen“ lässt einen meist fasziniert, immer aber auch deprimiert und hoffnungslos zurück.

Genau das Richtige also, wenn einem die falschen Bilder rund um den Valentinstag, welche bloße Romantik bis in alle Ewigkeit vorgaukeln, das Hirn erweichen. Und das ist nicht ein bisschen zynisch gemeint!

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Pro Valentinstag: Fünf Stücke für Verliebte