Bis(s) zum Premierenabend...
... bleibt bei Regisseurin Claudia Bauer alles im Fluss. Das betreffe teilweise auch die Bühne und die Kostüme, erzählen Patricia Talacko und Andreas Auerbach. Elfriede Jelineks Vampirstück „Krankheit oder moderne Frauen“ ist ihre dritte gemeinsame Arbeit in Wien.
„Es macht großen Spaß, damit zu spielen“, hält der Bühnen- und Kostümbildner Andreas Auerbach fest, als er über die vielen Regieanweisungen spricht, die Elfriede Jelinek in ihre virtuose Vampir- groteske „Krankheit oder moderne Frauen“ hineingeschrieben hat.
Ein Satz, der im Laufe des Gesprächs mit ihm und Patricia Talacko, ebenfalls Bühnen- und Kostümbildnerin, noch einige Male fallen wird. Wir sitzen in der „Factory“ unweit des Volkstheaters, die Proben für „Krankheit oder moderne Frauen“, inszeniert von Claudia Bauer, haben vor einigen Tagen begonnen. Das orange-pinke Bühnenbildmodell und die bunten Figurinen und Stoffmuster, die Talacko und Auerbach zum Termin mitgebracht haben, bilden ein farbenfrohes Gegengewicht zur grauen Wolkendecke, die seit einigen Tagen über Wien liegt.
„Es macht großen Spaß, damit zu spielen“ ist auch ein Satz, der ziemlich gut zu Claudia Bauers Theaterarbeit passt. Schließlich gibt es derzeit kaum andere Theaterwelten, die ein derartiges Feuerwerk an Spielfreude entstehen lassen.
Andreas Auerbach und Patricia Talacko haben ohne Zweifel einen großen Anteil daran. Im Volkstheater ist nach „humanistää!“ und „Malina“ nun ihre dritte gemeinsame Produktion zu sehen.
Requisiten mit Geschichte
„Für die Drehbühne hatten wir von Anfang an einen abstrakten, begehbaren Frauenkörper im Kopf. Der organische, amöbenartige Aufbau ermöglicht es, verschiedene Räume entstehen zu lassen – wie beispielsweise die Gynäkologie- und Kieferorthopädiepraxis von Dr. Heidkliff“, erklärt Patricia Talacko. Eine Erinnerung an die österreichische Erstaufführung des Stücks, die 1990 – von zahlreichen Skandalen begleitet – im Volkstheater stattfand, wird es ebenfalls geben, fügt sie hinzu. „Wir haben den Gynäkologiestuhl, der damals Teil der Inszenierung war, im Möbellager gefunden. Bei uns wird er allerdings ein bisschen anders aussehen.“
Bei den Kostümen ließ sich Andreas Auerbach unter anderem von der Sportmode der Neunzigerjahre inspirieren.
„Vor allem die Figur des Dr. Heidkliff ist sehr von Sport und Selbstoptimierung geprägt“, merkt er an. Der Kostüm- und Bühnenbildner breitet die mitgebrachten Figurinen vor sich aus und zieht ein weiteres Blatt heraus, auf dem eine Frau in einem fließenden Kleid zu sehen ist.
„Emily, seine Verlobte, begegnet uns von Anfang an als Vampirin, daher die Pfähle in ihrer Brust. Außerdem habe ich mir für sie ein Kleid ausgedacht, das an die Vierzigerjahre in Hollywood erinnert.“
Aufgrund der Fülle an Requisiten, die im Stück vorkommen, wird sie im Laufe der Proben einiges auch selbst herstellen, so Talacko. „Es wird unter anderem eine Heidelandschaft geben, die ich selbst malen werde. Ich finde es schön, Dinge selbst anzufertigen, weil man dann Teile auf der Bühne hat, bei denen man ganz genau weiß, was dahintersteckt.“
Bei Claudia Bauer sei es ohnehin so, dass bis zur Premiere alles im Fluss bleibt, erklären Talacko und Auerbach unisono. Das bedeutet, dass sich – auch ihre beiden künstlerischen Bereiche betreffend – vieles erst im Laufe der Probenzeit zusammensetzt.„Dadurch bleibt der Prozess unglaublich lebendig“, zeigen sich die beiden begeistert.
Steigende Wertschätzung
Ob sie während der Arbeit an „humanistää!“ bereits geahnt hätten, dass die Inszenierung ein so großer Erfolg wird? Talacko und Auerbach beantworten die Frage mit einem klaren Nein. „Im Grunde war das ein kleines Wunder“, hält Patricia Talacko lachend fest. „Wir hatten die Bauprobe bereits hinter uns, als klar wurde, dass wir das Bühnenbild in der Form nicht realisieren können, weil sich aufgrund der Covid-Pandemie die Preise für Aluminium vervielfacht hatten. Wir hatten also zwei Tage Zeit, uns eine komplett neue Bühne zu überlegen.“
Ob sich in Sachen Wertschätzung – vor allem im Kostümbild – in den letzten Jahren etwas getan hätte, möchten wir noch von den beiden wissen, bevor es für sie wieder zur Probe geht.
„Es beginnt sich etwas zu verändern. Namen zu nennen, finde ich extrem wichtig – da sind vor allem die Presse und die Theaterkritik gefragt“, findet Andreas Auerbach klare Worte. Talacko ergänzt:
„Ich finde es absurd, dass Kostümbildner*innen weniger Gage bekommen als Bühnenbildner*innen. Schließlich ist der Prozess viel kleinteiliger, und man ist während des gesamten Probenprozesses dabei. Wobei ich an dieser Stelle eine Lanze für Kay Voges und Mirjam Beck brechen muss, weil unter ihrer Leitung beide Bereiche gleichermaßen entlohnt werden."
„Den Wunsch, Leben zu erzeugen auf dem Theater, der fast alle Schriftsteller angezogen hat, lehne ich ab. Ich will genau das Entgegengesetzte: Unbelebtes erzeugen“, hielt Elfriede Jelinek einmal in einem Text fest. Der Gedanke liegt nahe, dass das Unbelebte wohl nie lebendiger inszeniert wurde als von Claudia Bauer, Andreas Auerbach und Patricia Talacko. Wir haben definitiv Blut geleckt.