Freundlich, bestimmt und am Punkt. So sind Gespräche mit Hans Peter Kammerer. Er ist einer der Publikumslieblinge des Ensembles, das gerade im ver­gan­genen Monat durch seine kollektive Leistung in „Animal Farm“ brillierte. „Ich sehe die Zukunft des Ensembles gefährdet. Wir sind zahlenmäßig am tiefsten Stand, und ich mache mir vor allem um die jungen Sänger*innen Sorgen, die zu wenig Erfahrung haben, diesem Druck standzuhalten, und es fehlt an der Zeit, sie aufzufangen.“

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Das Ensemble an der Wiener Staatsoper gilt als bestes der Welt. In anderen Häusern als musikalische Systemerhalter*innen gesehen, sind die Ensemblemitglieder in Wien allesamt Publikumslieblinge und Stars.

Zu wenig Zeit für den Nachwuchs

Wir halten den musikalischen Betrieb am Laufen. Und auch wenn Stars singen, schafft das Ensemble die Basis, dass szenisch überhaupt etwas stattfindet“, sagt Hans Peter Kammerer und setzt nach: „Ich sehe das Ensemble in keiner Opferrolle, denn gejammert wird und wurde immer. Aber es ist meine Rolle, es auch zu beschützen.“

Kammerer ist in Südtirol geboren. Er wollte Dirigent werden, begann erst ein Gesangsstudium und wollte dann zum Dirigierstudium wechseln. Bei seiner ersten Gesangsprüfung überredete ihn eine Professorin mit den Worten „Sind Sie wahnsinnig, endlich ist einer begabt!“ zum Bleiben. Bis heute hat Kammerer privat das Dirigieren nicht aus den Augen verloren; er hat die Aufnahmeprüfung am Reinhardt-Seminar gemacht und dann an der jetzigen Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) studiert.

Eines seiner Ziele: die Wiener Staatsoper. „Ich wollte immer etwas machen, was groß ist, es musste immer die Welt sein“, sagt Kammerer und lacht. „Ich habe an vielen anderen Häusern gesungen und hätte auch am freien Markt überlebt, zum Beispiel mit der ‚Zauberflöte‘ einmal links und einmal rechts um die Welt touren können. Aber das wäre mir zu langweilig gewesen. Ich wäre bei zwei, drei Rollen hängengeblieben. Ich liebe die Tätigkeit im Ensemble. Mir wird schnell langweilig – und hier am Haus habe ich die Möglichkeit, an einem Tag Puccini zu singen, am nächsten Mozart, dann Ligeti und dann Donizetti. Das macht Spaß und ist fordernd. So, wie ich es mag.“

Hans Peter Kammerer
Wollte Dirigent werden, studierte am Reinhardt-Seminar und an der Musikhochschule und ­debütierte im Jänner 1995 an der Wiener Staatsoper. Davor sang er an Häusern in ganz Europa. Der Südtiroler Bariton ist ­Ensemblesprecher im Haus am Ring. Der Kammersänger war mit der Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager verheiratet, ihr gemein­samer Sohn Felix ist Schauspieler.

Foto: Tim Christokat

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Flexibilität und Fantasie

Was sind die wichtigsten Eigen­schaften, um ein guter Ensemblesänger zu werden? „Flexibilität und Fantasie. Und Letztere geht zunehmend verloren.“ Noch ­bevor man fragen kann, setzt Kammerer fort: „Ich bekomme oft nur drei Angaben für das Stück – und egal wie klein die Rolle ist, ich muss eine Figur kreieren. Etwas schaffen, was dem Publikum in Erinnerung bleibt. Manche der teilweise wirklich sehr begabten Jungen sind aber zu sehr aufs Singen konzentriert und wollen nichts falsch machen. Aber da sind wir wieder beim Thema von vorhin. Wir haben zu wenig Zeit für sie.“

Ein Wunsch von ihm? „Bei der Auswahl von neuen Ensemblemitgliedern gefragt zu werden.“ Warum? „Weil ich überzeugt bin, meine Erfahrungen mit einbringen zu können.“ Wie schon gesagt: freundlich, bestimmt und am Punkt.

Zu den Spielterminen: „Der Barbier für Kinder“ in der Wiener Staatsoper