3 Fragen an: Ebru Tartıcı Borchers
Die 1990 geborene Regisseurin hat schon an mehreren großen Häusern im deutschsprachigen Raum gearbeitet. „Kabale und Liebe“ bringt sie mit einem jungen Laienensemble auf die Bühne des Vestibül. Der BÜHNE hat sie drei Fragen beantwortet.
Warum „Kabale und Liebe“?
Wir sind zunächst vom Ensemble ausgegangen. Es war ein großer Wunsch von mir, dass junge Menschen im Alter von 16 bis 24 spielen. Erst danach habe ich mich gefragt, was ich mit dieser erfrischenden und energiegeladenen Gruppe machen möchte, und da war sehr schnell klar: Ich möchte sie über Liebe und Politik sprechen lassen. Dafür war „Kabale und Liebe“ einfach das beste Match: Was sagt der Stoff den jungen Menschen heute? Was finden sie daran interessant, was nervt sie?
Was würden sie erwarten von der Gesellschaft, wenn sie verliebt sind? Oder: Wie stellen sie sich ihre Zukunft vor? Dabei ist das Stück aber auch durch die wunderschöne, poetische Sprache und die konkret definierten Figuren eine große spielerische Aufgabe. Da einzutauchen und Auswege zu suchen, macht großen Spaß. Die Geschichte von „Kabale und Liebe“ kennt ja fast jede*r. Neu ist, wie unser junges Ensemble damit umgeht.
Was macht das Stück für unsere heutige Zeit spannend?
„Kabale und Liebe“ entwirft ein Gesellschaftsbild. Und dieses Bild hat sich kosmetisch gesehen sehr verändert, inhaltlich jedoch leider sehr wenig. Die Begriffe „bürgerlich“ und „adelig“ sind nicht mehr Teil des Alltags, aber die Ausgrenzung ist noch da. Unterdrückung, Rassismus, Homophobie existieren. Um Inklusion umzusetzen, steht uns noch ein sehr langer Weg bevor. Hätte Schiller das Stück heute geschrieben, so hätte er sich erst einmal nicht aussuchen können, über welches „Problempaar aus Sicht der anderen“ er eigentlich schreiben sollte. So viel Gewalt, nur weil zwei junge Menschen im Alter unserer Spieler*innen sich ineinander verliebt haben? Die Gesellschaft spielt gerne Gott. Immer noch.
Was ist das Besondere an der Zusammenarbeit mit dem jugendlichen Ensemble?
Sie haben einen sehr frischen Blick, und ihre Empathie ist nicht ermüdet. Wenn wir über all diese Menschen des Stückes sprechen, merke ich, wie schnell ich mich aufrege, wie oft ich fast wütend werde, sie aber haben mehr Vertrauen, Hoffnung, Verständnis. Sie gehen mit allen Figuren und ihren impulsiven Handlungen sehr sensibel um und zeigen auch keine Scheu gegenüber großen Gefühlen.