Toxische Liebe
Rätselhaft und intrigant. Als unnahbare Mrs. Danvers spielt Willemijn Verkaik das Bad Girl im Musical „Rebecca“. Für die Niederländerin, die schon am Broadway und im West End auf der Bühne stand, ist Wien eine Offenbarung.
Frau ohne Vornamen. Sie ist distanziert, zuweilen schroff, manipulativ und emotional streng limitiert. Und dennoch eine jener Musical-Rollen, die es gerade ob dieses nicht alle Welt einnehmenden Profils schaffen, Begeisterung auszulösen.
Mrs. Danvers, einen Vornamen braucht sie nicht, ist längst zum Synonym geworden für ambivalente Charaktere. Bis obenhin verschlossen tiefschwarz gewandet, eine Gothic-Erscheinung mit zeitweilig perfiden Absichten, der neuen Mrs. de Winter, „Ich“, in größtmöglicher Abneigung verbunden. Eine Mobberin. Oder – in anderer Lesart – eine grenzenlos Liebende.
So sieht sie Willemijn Verkaik, die ihr in der aktuellen Saison im Raimund Theater ihre starke Stimme leiht und eine leidenschaftliche Persönlichkeit kreiert hat. „Ich habe den Roman von Daphne du Maurier gelesen, beide Verfilmungen gesehen und mir dann meine eigene Interpretation überlegt. Rebecca war alles für Mrs. Danvers, die sich als ihre engste Vertraute gesehen hat. Die beiden kannten einander von früher Jugend an, sie sind gemeinsam erwachsen geworden und standen füreinander ein. Ich als Mrs. Danvers habe Rebecca geliebt, sie war alles für mich, und als sie dann plötzlich vermisst wird, kann ich das nicht akzeptieren“, erklärt sie das Psychogramm dieser widersprüchlichen Figur. Mit Romantik habe das allerdings nichts zu tun.
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Das Spannende sei tatsächlich gewesen, sich eine Biografie zurechtzulegen, die Hintergründe zu verstehen, zu begreifen, warum sie ist, wie sie ist. „Einfach nur böse zu sein wäre uninteressant, diese Rolle macht gerade ihre Vielschichtigkeit aus.“ Willemijn Verkaik kannte das Stück bereits aus Stuttgart, wo sie es 2012 mit Pia Douwes – „für mich das Highlight der Produktion“ – in der Rolle der Mrs. Danvers gesehen hat. „Als ich erfahren habe, dass es dafür in Wien eine Audition geben wird, habe ich kurz überlegt, ob dieser Part zu mir passen könnte. Denn ich habe eigentlich immer eher Contemporary Musicals wie ‚Wicked – Die Hexen von Oz‘ oder ‚We Will Rock You‘ gemacht. ‚Rebecca‘ hat zwar auch Pop-Gefühl, ist aber eher klassisch. Ich habe mich dann dafür entschieden, und als die Nachricht kam, dass ich sie spielen sollte, war ich überglücklich.“
Karriere-Umweg
Zum Musical kam die Niederländerin zufällig. Sie studierte Jazz- und Popgesang, performte viele Jahre in diversen Bands und absolvierte hunderte Gigs. „Damals wurde in Clubs und Konzerthallen noch viel geraucht, die Umstände waren auch technisch nicht ideal, so gab es zum Beispiel noch kein In-Ear-Monitoring. Das alles tat meiner Stimme nicht gut, und ich hatte den Wunsch, einmal etwas anderes auszuprobieren. Ein Bekannter hat mir dann von einer Audition für ‚Elisabeth‘ erzählt. Ich dachte, was soll’s, ein Nein habe ich sicher, ein Ja könnte ich bekommen.“
Letzteres ist dann auch passiert, plötzlich war Willemijn Verkaik Musical-Darstellerin. „Ich habe aber schnell gemerkt, dass man weit mehr als singen können muss, und habe noch viel Schauspielunterricht genommen. Heute kann ich mich als Schauspiel-Sängerin bezeichnen.“ Der Erfolg kam schneller als gedacht und führte sie nach Deutschland. Zu ihrer bisher prägendsten Erfahrung zählt die Partie der Elphaba in „Wicked – Die Hexen von Oz“, die sie zehn Jahre lang in insgesamt drei Sprachen gesungen hat. „Dieses Musical hat Fans auf der ganzen Welt, allein die Nachricht, dass es mit mir eine deutsche Elphaba geben sollte, hatte einen enormen internationalen Effekt. Ich bekam Briefe aus aller Welt. Diese Rolle war sicher meine wichtigste, denn sie hat mir so viele Chancen eröffnet.“
Ich habe das Gefühl, dass ich nach jeder Vorstellung 20 Zentimeter größer bin.
Willemijn Verkaik, Musical-Darstellerin
West End und Broadway
Vier Monate lang spielte sie die ikonische Hexe 2013 am New Yorker Gershwin Theatre – und im selben Jahr auch im Apollo Victoria Theatre in London. Ist der Broadway tatsächlich der Olymp, oder ist der Mythos größer als die Realität?
„Nein, das ist ein Walhalla“, bekommt Willemijn Verkaik retrospektiv noch immer glitzernde Augen. „Das Musical-Theater hat in den USA eine solch lange Tradition, es gibt so viele Ausbildungsmöglichkeiten, so viele Talente. Wenn man es am Broadway schafft, wo es in jeder Straße vier, fünf Theater auf beiden Seiten gibt, in denen die Top-Stars auftreten, hat man in der Regel schon viel Erfahrung. Höher hinaus geht’s in dieser Branche nicht. Das Leben dort ist wirklich hart und geprägt von vielen Absagen, mit denen man umgehen können muss, aber es herrscht auch eine enorm positive Energie. Man darf auch stolz sein auf seine Leistungen, was einem in Europa schnell als Arroganz ausgelegt wird.“
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Nur in einem kann New York nicht mit Wien konkurrieren. „Der Enthusiasmus des Publikums hier ist wirklich speziell. Manchmal fühlt es sich an wie bei einem Rockkonzert, nach fast jedem Song gibt es frenetischen Applaus. Ich habe das Gefühl, dass ich nach jeder Vorstellung 20 Zentimeter größer bin und bin gespannt, wie viele Meter ich gewachsen sein werde, wenn ich Wien wieder verlasse“, sagt sie und lacht. Denn auch das wird eines Tages geschehen, schließlich lebt ihr Mann in den Niederlanden, sie selbst pendelt beruflich ständig.
Bis es so weit ist, kann sie aber auch in Wien ihren favorisierten Hobbys frönen: „Wandern und Birdwatching.“
Zur Person: Willemijn Verkaik
Geboren im niederländischen Son en Breugel, absolvierte sie ein Studium in Pop- und Jazzgesang, war zehn Jahre lang als Sängerin in Bands aktiv, ehe sie 2000 in „Elisabeth“ ihr Musical-Debüt gab. Sie spielte u. a. in „We Will Rock You“ (Köln), „Mamma Mia!“ (Stuttgart), „Ghost“ (Berlin) und feierte als Elphaba in „Wicked – Die Hexen von Oz“ in Deutschland, den Niederlanden, in London und am New Yorker Broadway große Erfolge. Am 22. September 2022 gab sie als Mrs. Danvers im Musical-Thriller „Rebecca“ ihr Wien- Debüt.