Eine Flöte, die wie ein Kolibri flattert. Papageno, der einem Papageientaucher gleicht. Ein Reiher, ein Chamäleon und ein Wüstenfuchs, die Taminos Weg kreuzen und von Puppenspielern geführt werden. Wenn Henry Mason an der Volksoper eine Neuinszenierung von Mozarts „Zauberflöte“ herausbringt, verspricht diese märchenhaft und bunt zu werden – nicht zuletzt dank der Puppen von Rebekah Wild.

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Während Mason auf der Probebühne mit den Sängern arbeitet, nutzen die Puppenspieler im Hof die Zeit, um ­Bewegungsabläufe nochmals durchzugehen. Wie Papageientaucher die Hälse recken, um Tamino während der Bildnis-Arie besser beobachten zu können. Oder ein Reiher elegant die Flügel hebt. Wie die Riesenschlange sich aufbäumt. All das will minutiös einstudiert sein.

Puppe als erweiterte Ausdrucksform

Für Henry Mason sind die Puppen eine Möglichkeit, „etwas auszudrücken, das Menschen nicht zeigen können. Einerseits repräsentieren sie für mich eine ganz alte Theaterform, andererseits eine dritte Welt.“

Für ihn geht es neben der Tagwelt des Sarastro und der Nachtwelt der Königin um die Vergänglichkeit der Natur. Dass Mason ­einige vom Aussterben bedrohte Tiere gewählt hat, ist daher kein Zufall. „Alles, was die Natur verkörpert, wird bei uns durch Puppen dargestellt. Zwar sind sie stumm, aber sie haben die wichtigste Stimme im Stück, wenn es um die Zerbrechlichkeit des Planeten geht.“

Stimmliche und klimatische Extreme

In jeder Hinsicht geht es Mason in der Zauberflöte „um eine verwüstete Welt“. Sarastro ver­ortet er in der Wüste, die Königin der Nacht in der Arktis. „Zu den stimmlichen Extremen kommen klimatische hinzu. Während Tamino und Pamina ihren Weg gehen, begrünen sie die Erde wieder, und die Wüste beginnt zu blühen. Wie aber ging Mason an die vielfach gespielte Oper heran? „Mein Ausgangspunkt war, mich zu fragen, was ich als Zuschauer immer unlogisch oder langweilig fand – und wie ich das spannend und plausibel machen könnte.“

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Jakob Semotan als Papageno: Der berühmte Vogelfänger gleicht in der ­Inszenierung jenen Papageientauchern, von denen er begleitet wird. Ensemblemitglied Semotan gibt sein Rollendebüt.

Foto: Volksoper Wien/Johannes Ifkovits

Frischer Blick und Neugierde

Auch Dirigentin Anja Bihlmaier geht es um ein Entdecken neuer Facetten, selbst wenn sie Mozarts Werk schon an verschiedenen Häusern und an der Volksoper dirigiert hat.

Sogar wenn Zuschauer diese Oper im Schlaf kennen und Sänger sie hundertfach gesungen haben, solle man „sich nicht auf das verlassen, was man glaubt zu kennen, sondern mit frischem Blick und Neugierde die Noten auf ihren Sinn untersuchen“. Sie wolle „den Zauber des ersten Mals. Mir geht es darum, das, was Mozarts Musik uns fühlen lassen will, mit differenzierter Phrasierung, Artikulation und Klangfarben hörbar und erlebbar zu machen“, sagt Bihlmaier.

Im Gespräch wird spürbar: Diese Neuinszenierung an der Volksoper entsteht im regen Austausch zwischen Regie und musikalischer Leitung, mal bringt Mason Bihlmaier auf eine neue Sichtweise, mal ein Hinweis der Dirigentin den Regisseur auf eine Idee.

Puppen-Alter-Ego

Naheliegend also, dass auch die drei Knaben durch Puppen dargestellt werden: „Es ist wunderbar, dass sie den Gesetzen der Schwerkraft nicht gehorchen müssen – denn bei den Knaben hört man sofort aus der Musik, dass sie ätherische Wesen sind“, sagt Mason.

Dar­über hinaus bekommen Pamina und Tamino je ein Puppen-Alter-Ego. Wenn Tamino die Bildnis-Arie singt, erscheint eine Figur, die Pamina gleicht. Der Regisseur erklärt begeistert: „Das gibt uns die Möglichkeit, zu zeigen, dass die Seelen der Liebenden schon lange beisammen sind, auch wenn die äußeren ­Umstände es noch nicht erlauben.“

Jede Bewegung ist minutiös einstudiert: Sechs Puppenspielerinnen und Puppenspieler pro Abend bedienen die Figuren an Hebeln, Seilzügen und Stäben. Sie selbst versuchen, möglichst wenig aufzufallen. Alle Beteiligten wurden vor dem Fotoshooting negativ auf Covid-19 getestet.

Foto: Peter Mayr

Vogelfänger als Papageientaucher

Sogar die Flöte wird bei Mason zum „beseelten Wesen, das wie ein Kolibri oder wie der Goldene Schnatz aus ‚Harry Potter‘ herumfliegt. Sie muss magisch sein, nicht nur ein Stück Holz.“ Durch ihre Bewegungen werde sie vom Requisit zum Darsteller: „Da wird das Staunen leichter.“

Neben der Flöte wird auch ­Papagenos Glockenspiel lebendig, der Vogelfänger gleicht einem Papageientaucher. Für diese Spezies hat sich Mason wegen ihres clownesken Aussehens entschieden. Bei Papageno müsse „man die Komödiantik bedienen.

Gleichzeitig soll man Einsamkeit und Verletzlichkeit zeigen.“ Und während die Puppenspieler im Hof der Probebühne weiterhin dar­an feilen, wie sich die Papageientaucher-­Puppen möglichst lebensecht bewegen, sagt Mason: „Ich möchte die verschiedenen Ebenen ins Schwingen bringen, aber nicht alles erklären. ‚Die Zauberflöte‘ soll ein traumhaft schönes Rätsel bleiben.“

Termine und Tickets: „Die Zauberflöte“

ab 17. Oktober, 19 Uhr
volksoper.at