Es ist Anfang April und die Luft noch kalt. Wir sind im Salzburger Pinzgau in Rauris, im Herzen des Nationalparks Hohe Tauern. Es glänzt noch Schnee auf den Bergspitzen, von Frühling jedoch keine Spur. Doch das ist unwichtig, denn die Veranstaltungen finden alle in den Räumlichkeiten des knapp 3000- Seelen-Ortes statt.

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Heuer kam zum 2. Mal die „Spoken.Word“ Veranstaltung in Rauris auf die Bühne – seit letztem Jahr ein neuer Programmpunkt bei den Literaturtagen, der gut beim Publikum aufgenommen wurde. Auch die preisgekrönte Poetry Slammerin Precious Chiebonam Nnebedum wurde als jüngste unter den Performern eingeladen. Das ist ihr erstes Mal in Rauris.

Ohne zu wissen, was es ist

Geboren in Nigeria, hat Precious Chiebonam Nnebedum durch ihre Mutter – die Lehrerin ist – bereits als Kind ein Interesse für Literatur entwickelt. Mit elf Jahren kam Nnebedum mit der Familie nach Österreich und wuchs in der Steiermark auf. Einen Bachelor in Pflegewissenschaften, ein Jahr Arbeit als Krankenpflegerin, dann ein Masterstudium in den Niederlanden.

Immer mit dabei? Ihre Liebe zum Wort. Speziell zum gesprochenen Wort, das meist rhythmisch auf der Bühne performt wird – spoken word, anders bekannt als Poetry Slam.

Schon früh hat Nnebedum angefangen, performative Texte zu schreiben, „da wusste ich noch gar nicht, dass es spoken word ist. Erst als mir meine Cousine, die in den USA lebt, ein paar Videos geschickt hat, konnte ich es benennen. Ich habe mir die Videos angeschaut und gedacht, das will ich machen.“

Und das tut sie bis heute. Mit 16 war Precious Nnebedum zum ersten Mal als Poetry Slammerin in Graz zu sehen, seither hat sie die Bühnen verschiedener spoken-word-Meisterschaften erklommen. Sogar bei den Meisterschaften in Brasilien war die junge Künstlerin und durfte dort Österreich vertreten.

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Veröffentlichte Autorin kann sich Nnebedum jetzt übrigens auch nennen: Seit Oktober gibt es ihren Gedichtband „birthmarks“, erschienen im Haymon Verlag.

Vom Verlag auf Instagram entdeckt

Durch Instagram wurde der Verlag auf die junge Dichterin aufmerksam. Schnell war der Plan da, eine Kollektion aus alten und neuen Gedichten zu machen, geschrieben wurde sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch. „Ich konnte dem Vertrag beim ganzen Vorgang blind vertrauen, das war echt super“, so Nnebedum.

Ein Blick in das Buch zeigt einen guten Querschnitt der Themen, die sie beschäftigen. Ihre Gedichte kreisen um ihre Wahrnehmung als schwarze, christliche Frau in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft sowie ihre Erfahrungen – gute wie schlechte. Dabei bleiben Nnebedums Gedichte sehr persönlich.

Auch grafisch wurde die spoken-word-Performerin in der Gestaltung des Buches unterstützt. „Ich habe dafür mit einer Künstlerin aus den USA gearbeitet – sie hat die Texte gelesen und in Form von Collagen interpretiert. Sie hat die Bilder aus Zeitungen und Magazinen geschnitten und zusammengefügt, gemeinsam haben wir geschaut, was uns gefällt.“ Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Ich versuche Community-Arbeit und meine Texte zu verbinden, in Form von Kunstausstellungen und anderen Veranstaltungen. Ich will zeigen, dass Kunst sehr viel kann.

Precious Chiebonam Nnebedum

Aktivistin Nnebedum

Neben dem Schreiben ist die Poetry Slammerin auch als Aktivistin tätig: Precious Nnebedum gründete im Zuge der „Black Lives Matter“-Bewegung mit zwei Freundinnen den Verein TANAKA, der in erster Linie ein Safe space für Kinder und Jugendliche ist, die Erfahrung mit Rassismus gemacht haben. Zusammen organisierte TANAKA 2020 die Grazer BLM-Großdemo, zu der rund 10.000 Menschen kamen. Unerwartet viele, wie Nnebedum selbst sagt.

„Ich habe es gemacht, weil es sonst niemand machen wollte. Eigentlich wollte ich am Anfang still bleiben, aber dann habe ich gesagt, ‚wir machen das‘. Ich versuche Community-Arbeit und meine Texte zu verbinden, in Form von Kunstausstellungen und anderen Veranstaltungen. Ich will zeigen, dass Kunst sehr viel kann.“ Und es gelingt.

Wer ein bisschen spoken word-Luft schnuppern möchte, kann auf Precious Nnebedums Website ihre Performances nachschauen. Oder sie vielleicht auf der ein oder anderen Bühne live erleben.