Wenn Sofia Vinnik zu singen beginnt, ist man erstmal überrascht: Mit ihrem warmen und kraftvollen Mezzosopran hat die junge Sängerin sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums. Seit Herbst diesen Jahres ist die 24-Jährige im Jungen Ensemble des Theater an der Wien (JET). Zu hören war sie bereits als „Asteria" in Antonio Vivaldis „Bajazet" in der Kammeroper und als Albine und Myrtale in Jules Massenets „Thaïs" am Theater an der Wien. Wie alles begann? Mit singenden Telefonaten nach Russland.

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Was seit einem Jahr als Distance-Learning in aller Munde ist, nutzte die Sängerin, die in München geboren wurde, aber russische Wurzeln hat, schon in ihrer Kindheit. Ihre Großmutter ist Opernsängerin und entfachte bei ihr die Leidenschaft für das Fach: „Ich war mit zwölf Jahren einmal bei ihr in Russland zu Besuch. Meine Oma hat mich extrem für Oper und Gesang begeistert. Auch für alles rundherum: Denn sie hat mit mir nicht nur Gesangsübungen gemacht, sondern mich auch verkleidet."

Musik als Familienangelegenheit

Zurück in Deutschland ging dieser Austausch weiter, und zwar übers Telefon. „Am Anfang habe ich sie nach der Schule angerufen und wir haben geübt. Später ging das in Skype über", erinnert sich Sofia Vinnik. Musik ist bei ihr Familiensache. Beide Eltern sind Pianisten. „Man konnte in fast kein Zimmer fliehen, ohne davon umgeben zu sein. Überall habe ich Töne gehört", sagt Vinnik und lacht. Acht Stunden Klaviermusik jeden Tag sei zwar schön, aber auch nicht immer ganz einfach gewesen.

Dennoch kristallisierte sich für die Mezzosopranistin bald heraus, dass auch sie in der Welt der Töne zu Hause ist. Im Kinderchor der Bayrischen Staatsoper stand sie schon früh mit den großen Stars auf der Bühne. Ab 15 Jahren studierte sie parallel zur Schule an der Musikhochschule in München. Dann gab es erstmal einen kleinen Dämpfer: Nach dem Abitur wollte sie zunächst an das Mozarteum in Salzburg. Allerdings scheiterte es an der Musiktheorie.

Akrobatik und Schauspiel in Moskau

Daher nahm Sofia Vinnik einen kleinen – geographischen eher größeren – Umweg. In Moskau bewarb sie sich erfolgreich bei einer Gesangshochschule, die einen großen Schwerpunkt auf Schauspiel legt. „Das war eine spannende Erfahrung. Wir hatten fünf Stunden Schauspiel pro Tag. Oft war ich von neun Uhr Früh bis Mitternacht auf der Uni. Das war teilweise schon verrückt. Ich lernte Akrobatik, Tanz und hatte kaum noch Zeit fürs Singen." Für Vinnik war es persönlich bereichernd die russische Kultur ihrer Familie noch etwas besser kennenzulernen, da sie in Deutschland aufgewachsen war.

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„Man hat in so einer Schule gar keine Zeit für sein Leben. Ich finde es zwar wichtig, viel in die Kunst zu investieren. Aber man muss auch leben können", sagt die Sängerin. Sie versuchte also einen zweiten Anlauf im Mozarteum – und es klappte. Vier intensive Studienjahr folgten. „Es war eine tolle Zeit. Es ist wie eine Blase: Alle sind sehr lieb zueinander und unterstützen sich gegenseitig. So etwas wie Konkurrenzdruck kennt man da gar nicht", sagt Vinnik.

Musik zu allen Menschen bringen

Der Punkt „Lebenserfahrung sammeln" stand konsequenterweise in Salzburg dann neben dem Gesangsstudium auf ihrer persönlichen Prioritätenliste. Während ihrer Studienzeit engagierte sich Sofia Vinnik bei einer Organisation namens „Live music now". Die von Yehudi Menuhin gegründete Stiftung baut Barrieren in der Kunstvermittlung ab. „Das ist eine ganz tolle Organisation, um Konzerte für Menschen zugänglich zu machen, die sonst keine Möglichkeit dazu hätten", so Vinnik. In diesem Rahmen sang sie zum Beispiel in Gefängnissen, für Menschen mit Behinderungen und in Altenheimen. „Natürlich ist jedes Publikum besonders. Aber hier ist man so nah dran. Man merkt sofort, ob es gefällt oder nicht. Da waren sehr berührende und bereichernde Momente für mich dabei."

Nach ihrem Bachelor wurde Vinnik am Theater an der Wien engagiert. Zuletzt war sie vor allem in starken Frauenrollen zu erleben, was ihr auch persönlich liegt: „Mein Vorteil ist ein wenig, dass ich ein Mezzosopran bin. Das sind ganz oft die emanzipierteren Frauen." In Bajazet verkörperte Vinnik mit „Asteria" die stärkste Persönlichkeit. Und auch die nächste Rolle – die „Rosina" in Mozarts „Barbiere von Sevilla" - ist eine starke Frau.

Leben und Kunst

Ein moderner Zugang zu Opernstoffen ist ihr wichtig. „Natürlich spielt man oft Rollen, die weiter weg sind von einem. Aber ich versuche immer einen Anteil von mir selbst darin zu finden. Daher finde ich, dass es ebenso grundlegend ist, ‚nicht nur’ Gesang zu studieren, sondern auch gelebt, etwas erlebt zu haben, um diese Menschen verkörpern zu können", sagt Vinnik.

Die Sängerin hegt neben der Oper auch ein besonderes Interesse für das Lied. Im Jahr 2020 vertiefte sie ihre Arbeit als Liedsängerin im Rahmen eines Stipendiums der Liedakademie des Musikfestivals Heidelberger Frühling unter der künstlerischen Leitung von Thomas Hampson. Und eigentlich wäre eine Europa-Tournee mit „meinem großen Vorbild Cecilia Bartoli", so Vinnik, geplant gewesen. Diese fiel Corona-bedingt aus. Dafür sang sie zwei Rollen, jene der Myrtale und Albine, in Massenets „Thaïs", unter der Regie von Peter Konwitschny. Die Oper wird am 18. April auf ORF 3 zu sehen sein.

„Ohne Publikum ist die Kunst nichts"

Ihre künstlerischen Wünsche für die Zukunft? „Mein Lieblingskomponist ist immer genau der, den ich gerade singe, weil ich mich so intensiv mit der neuen Tonsprache beschäftige", sagt Sofia Vinnik. Mozart und Rossini stehen jedoch oben auf ihrer Liste. Und, ergänzt sie: „Mein Herz schlägt auch sehr für die russische Musik. Tschaikowski, Rachmaninoff oder Prokofjew zum Beispiel."

Aber viel wichtiger: Endlich wieder einmal vor Publikum auftreten zu können. „Kunst ist essentiell für unsere Gesellschaft, unsere Bildung, uns Menschen. Ich hoffe, dass wir bald nicht mehr nur online kommunizieren können. Wir brauchen das Publikum. Ohne Publikum ist die Kunst nichts", so Vinnik.

Termin: Thaïs auf ORF III
Sonntag, 18. April, 21:50
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