„Die Oper beschäftigt sich seit jeher mit existenziellen Fragen, baut im Grunde auf die Ideale der Aufklärung und appelliert an alle Sinne des Menschen, um ihn in vollem Maße zu vitalisieren und zu erfüllen – und zwar in einer Gemeinschaft, die alle Komponenten gesellschaftlichen Lebens einschließt und das Zusammenwirken derselben voraussetzt. Deswegen findet man kaum ein sozialeres Projekt als das Musiktheater“, sagt Intendant Stefan Herheim.

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Und genau auf dieser Suche ist man gerade im fast fertig renovierten Theater an der Wien. Fix ist: Am 12. Oktober wird eröffnet. Zuerst konzertant und im Jänner dann so richtig. Die Gründe sind simpel und jedem bekannt, der selber einmal ältere Gemäuer saniert hat: Hinter jeder Ecke lauert Unvorhergesehenes. Zwar wurde mit 3D-Scannern gearbeitet, unzählige Probebohrungen wurden gemacht, weil wirklich detaillierte Pläne fehlten – aber Überraschungen sind eben Übernicht für die Ewigkeit gebaut, sondern um schnell Geld zu verdienen. Der Wienfluss war damals unreguliert, jetzt ist er es, aber vom Wasser drohte trotzdem Gefahr. Die sollte jetzt gebannt sein, und der „Sehnsuchtsort“ vieler Musikfreund*innen und Künstler*innen wird diese demnächst mit der modernsten Opernbühne der Stadt begeistern. Dem perfekten Ton wurde alles untergeordnet.

Statt Teppichboden gibt es Parkett, „wir haben unzählige Klangtests mit Akustik-Firmen gemacht, dabei hat sich gezeigt, dass die alte Bestuhlung die besten Voraussetzungen für einen perfekten Klang bietet“, sagt Franz Patay, Geschäftsführer der Vereinigten Bühnen Wien (Theater an der Wien, Ronacher, Raimund Theater und VBW International). Ein Teil seines Jobs betrifft die VBW-Musicalsparte, in der hunderttausende Tickets – auch international – verkauft werden. Andererseits ist er auch so eine Art „Oberbaumeister“ des Theaters an der Wien.

Zwei großzügige Foyers, eines im Erdgeschoß und eines im ersten Stock mit Blick auf den Naschmarkt, wurden gebaut – dafür opferte Patay auch sein Eckbüro und übersiedelte ein paar Stockwerke nach oben: „Jetzt kann das Publikum den Blick auf den Naschmarkt genießen und vor allem die unglaubliche künstlerische Geschichte des Hauses atmen. Es ist eine Einzigartigkeit, die nur das Theater an der Wien hat. Es ist ein Haus, das seit 1801 bespielt wird. Das ist sehr beeindruckend.“

Die Operette scheut nicht davor zurück, brisante gesellschaftspolitische Fragen zu stellen.

Stefan Herheim, Intendant

Alles neu auf sehr alter Substanz

Vielleicht sollte man kurz erzählen, was eigentlich alles neu gemacht wurde – ein kleiner Auszug: Die Fassadenflächen wurden saniert,Trockenlegungsarbeiten durchgeführt, eine dringend notwendige sicherheits- und brandschutztechnische Sanierung vorgenommen, eine komplette Erneuerung der Elektrotechnik, der Heizungs- und Lüftungsanlage sowie der Kalt- und Warmwasserinstallationen, die Modernisierung der gesamten Veranstaltungstechnik, die Verstärkung der Statik des Schnürbodens, die Errichtung einer Aufzugsanlage zur Barrierefreiheit.

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Franz Patay: „Die Technik des Hauses ist vollständig neu. Gerade in jenem Bereich, den das Publikum nicht sieht, arbeiten an einem Opernabend 200 Menschen. Um diese Abläufe zu implementieren, brauchen wir noch etwas Zeit."

Was beim Theater an der Wien im Gegensatz zu anderen - aus Denkmalschutzgründen - nicht möglich ist, ist, dass er Lkw mit dem Bühnenbild ins Theater fährt. Kleinteilig muss alles über einen Zwischenlift von der Rückseite des Hauses ins Theater geschafft werden.

Stefan Herheim
Der gebürtige Norweger studierte Opernregie in Hamburg und machte sich mit Inszenierungen u. a. bei den Salzburger Festspielen, den Bayreuther Festspielen und an der Deutschen Oper Berlin international einen Namen. Er wurde 2022 bei den International Opera Awards zum besten Regisseur gewählt und leitet seit der Spielzeit 2022/23 als Intendant das MusikTheater an der Wien.

Foto: Andreas Jakwerth

Programm steht und läuft

Eröffnung ist am 12. Oktober - zuerst mit einem Festakt und dann mit Mozarts „Idomeneo“. Intendant Stefan Herheim: „Wir werden anlässlich der Wiedereröffnung eines der schönsten Werke Mozarts zu hören bekommen, sodass jede*r Zuhörer*in es vor dem inneren Auge in Szene setzen darf – mich eingeschlossen! Musikalisch ist ‚Idomeneo‘ die Blaupause für alle darauffolgenden Bühnenwerke Mozarts – ein Füllhorn an theatralen Visionen, die den empfind- samen, zerbrechlichen Menschen zur Krönung der Schöpfung machen.“

Fahrplan zum Happy End

Neben W.A. Mozarts „Idomeneo“ wird auch Robert Schumanns „Das Paradies und die Peri“ in konzertanten Aufführungen präsentiert. Statt der für Dezember geplanten Familienoper „Der kleine Prinz“ ist ein konzertantes Familienprojekt in Planung. Ebenfalls auf dem Programm: die zwei konzertanten Händel-Opern „Rodelinda Regina de’ Longobardi“ (18. November 2024) und "Alcina" (19. Dezember 2024).

Als erste szenische Produktion wird die Strauss-Operette "Das Spitzentuch der Königin" im Theater an der Wien am 18. Jänner 2025 präsentiert. Stefan Herheim: "Hier wird auf aberwitzige Weise verhandelt, was zum Gelingen einer Gesellschaft vonnöten ist, und deutlich gemacht, dass auch Unterhaltung eine Frage der Haltung ist. Die Wiener Operette scheut trotz ihrer Walzerseligkeit nicht davor zurück, brisante gesellschaftliche Fragen zu stellen, lässt uns aber immer im Glauben zurück, dass ein Happy End im Rahmen des Möglichen liegt.“

Alle Termine: theater-wien.at