Corona-Test und vorprogrammierter Hit

Gestern war er noch in Berlin und hat die bemerkenswerte deutsche Regisseurin Maria Schrader getroffen, die ihn für ihr nächstes Filmprojekt besetzen wird. Schrader gilt nach ihrem Serienhit „Un­orthodox“ als eines der heißesten Eisen der Branche. „Ein Engagement durch sie kommt einer Adelung gleich“, sagt er.

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Heute um 9.30 Uhr war er dann schon wieder in Wien beim Corona-Test. Vor Probenbeginn braucht es ein negatives Ergebnis. Josefstadt-Chef Herbert Föttinger hat ihn für die Hauptrolle der Komödie „Monsieur Pierre geht online“ besetzt. Über 60-mal soll das Stück gleich gespielt werden. Das ist der Plan. Noch vor der Premiere. Es ist also garantiert, dass man hier in den Kammerspielen einen Hit vorbereitet.

Die BÜHNE traf Wolfgang Hübsch im achten Wiener Gemeindebezirk. Der Terminkalender des 80-Jährigen ist voll wie bei einem jungen Manager.

Foto: Atha Athanasiadis

Burgtheater, Volkstheater, Ö3-Comedy

Jetzt um 10.30 Uhr sitzt er im Café Eiles im achten Bezirk, ordentlich mit Sakko und Hemd. Er, das ist Wolfgang Hübsch. 80 Jahre ist er alt –und sein Terminkalender voll wie bei einem jungen Manager. 

„Wissen Sie, in meinem Alter gibt es nicht mehr so viele. Das ist ein Vorteil. Nennen Sie mir fünf 80-jährige Schauspieler, die aus dem Stand so eine Rolle komödiantisch anlegen, sie auffassen und auch noch spielen können. Ich freue mich jedenfalls sehr darauf …“

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Er bestellt ein Cola light und lehnt sich entspannt zurück. Am Nachbartisch Getuschel, das Ehepaar hat Hübsch erkannt. Bereits Mitte der 1960er-Jahre spielte er die ersten großen Haupt­rollen am Volkstheater, dann folgte die Burg. Hübsch war die Stimme des legendären Dschi Dsche-i Wischer Dschunior, einer Ö3-Comedy, die von Christine Nöstlinger verfasst wurde. „Ach, das wissen Sie?“ Amüsiert blinzelt die Schauspiellegende über den Tisch. Kokettiert er gerade, oder meint er die Frage ernst? 

Wir haben daher in den Kammerspielen die Chance, besser zu werden.

Er will lieber über den Film reden, der die Vorlage zu dem Bühnenstück ist, in dem er spielen wird. „Monsieur Pierre geht online“ war in Frankreich ein Superhit an den Kinokassen und bedeutete das späte Comeback von Frankreichs Paradekomödianten Pierre Richard. „Ich fand, dass der Regisseur nicht besonders gut aufgelegt war, als er den Film inszeniert hat. Pierre Richard ist ein großartiger Schauspieler, aber von der Regie wurde er nicht beflügelt. Wir haben daher in den Kammerspielen die Chance, besser zu werden.“

Starbesetzung von „Monsieur Pierre geht online“

Es ist Zeit, einen kleinen Exkurs zum Inhalt zu unternehmen: Hauptfigur Pierre lebt allein und schwer depressiv in einer kleinen Mansardenwohnung in Paris und trauert um seine verstorbene Frau. Mithilfe von Alex, dem Freund seiner Enkelin, lernt er das Internet mit all seinen Möglichkeiten kennen – inklusive Online-Dating. Kurzerhand erstellt er ein Profil mit dem Bild von Alex – allerdings ohne dessen Wissen.

So tritt er in ­romantischen Schriftkontakt mit der hübschen Flora, die von seinem eleganten Schreibstil und seinen persönlichen Bekenntnissen äußerst angetan ist. Die Turbulenzen beginnen, als die junge Frau ihren eloquenten und gut aussehenden Online-Ritter ­persönlich kennen­lernen will. Nur so viel sei verraten: Alex bekommt Flora und Pierre ebenfalls eine neue große Liebe.

Werner Sobotka, ein echter Profi des Unterhaltungsfachs, wird Regie führen, Martina Ebm die Rolle der Flora spielen und Claudius von Stolzmann den Internet-Nachhilfe­lehrer Alex. Auch das verspricht Quote oder, wie es Hübsch auf den Punkt bringt: „Eine erstklassige Besetzung, besser als im Film! Und Gott sei Dank macht der wunderbare Werner die Regie, der ist der ideale Regisseur dafür. Er hat ein paar Szenen so bearbeitet, dass ich schon beim Lesen ein großes Vergnügen hatte.“

Ich kann mir dieses Internet nicht aneignen. Weil ich es nicht ganz durchschaue."

Und wie fit ist der Achtzigjährige selbst im Netz? „Ich kann mir dieses Internet nicht aneignen. Weil ich es nicht ganz durchschaue. Ich benutze es für harmlose Sachen. Fürs Lesen und Einkaufen und Buchen von Karten. Aber Dating würde ich nie machen.“ Nachsatz: „Wenn ich mich zwischen einer keifenden Ehefrau oder einem duld­samen Computer entscheiden müsste, dann würde ich den Computer wählen. Aber nachdem ich keine keifende Ehefrau habe …“ Er lacht.

Pierre Richard dreht mit 86 Jahren nicht nur einen Film pro Jahr, sondern macht auch seinen eigenen Wein und verkauft ihn in die ganze Welt.

Foto: SZ Photo

Der Wein und der Film

Pierre Richard ist 86 und damit ein paar Jahre älter – und auch er kann nicht über Unterbeschäftigung klagen. Er dreht einen Film pro Jahr, macht und verkauft seinen eigenen Wein in die ganze Welt. Seit Mitte der 1980er kultiviert er mit seiner Schwester Veronique in seinem Château Bel Évêque im südfranzösischen Gruissan Weinsorten wie Grenache und Mourvèdre.

Sobald ich den Computer öffne, stellt er mir Fragen, die ich nicht beantworten kann.

Mit „Monsieur Pierre geht online“ landete er 2017 einen Publikumshit. Sein technisches Talent ist ähnlich ausgeprägt wie das von Wolfgang Hübsch: „Bei digitaler Technik bin ich eine echte Null. Schlimmer noch als die Filmfigur. Ich kann gerade einmal mein Smartphone alleine bewältigen und Mails schreiben. Ich kann auch auf Google nachschauen und WhatsApp. Aber sobald ich den Computer öffne, stellt er mir Fragen, die ich nicht beantworten kann.“

Seit über zwanzig Jahren ist Pierre Richard mit Ceyla Lacerda verheiratet. Die gebürtige Brasi­lianerin hat er ganz klassisch erobert: „Ich habe sie zum Lachen gebracht.“ Dating via Internet ist ihm suspekt: „Wenn man früher einer Frau schreiben wollte, hat man Papier und eine Feder gesucht, hat ihr nette Dinge geschrieben, und es hat dann seine Zeit ­gebraucht, bis der Brief ankam.“ 

„Monsieur Pierre geht online“ - bis zu 60 Mal

In einem „Kurier“-Interview sagte er: „In Frank­reich zählst du nicht so viel als Komödiant, dabei ist es schwieriger, die Leute zum ­Lachen als zum Weinen zu bringen.“ Ist das vielleicht der Grund, warum der Film tatsächlich an vielen Stellen eine unnötige Schwere zeigt? 

„Ich hatte das Glück, dass ich mich und mein Spiel nie an einen Modetrend anpassen musste. Ich habe immer zeitlos gültiges Theater spielen dürfen“, sagt Wolfgang Hübsch. Und wie will er jene Szenen in „Monsieur Pierre“ meistern, die im Film davon leben, dass die Kamera ganz nah mit Pierre Richards Gesicht spielte? Hübsch lächelt einmal mehr verschmitzt: „Das, was bei der Kamera der Zoom ist, ist beim Theaterschauspieler die Ausstrahlung, die Präsenz. Ich glaube, die kriege ich noch ganz gut hin. Vorgesehen sind derzeit 50 bis 60 Vorstellungen, und das finde ich eigentlich sehr cool.“

Und wie sehr beschäftigt ihn das eigene Alter? „Alter findet im Kopf statt, und der Körper erinnert einen unnötigerweise daran. Aber ich habe gelernt, nicht immer hinzuhören.“

Zur Person: Wolfgang Hübsch

Alter: 80 Jahre 
Wohnort: Wien 
Er war die Stimme von Dschi Dsche-i Wischer Dschunior und spielte am Volkstheater und an der Burg alle großen Rollen. Wegen Peymann verließ er die Burg und startete erfolgreich als freier Schauspieler durch.

Zur Person: Pierre Richard

Alter: 86 Jahre 
Wohnorte: Gruissan und Paris
Als „der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ wurde er weltberühmt. Im Alter produziert er ­erfolgreich Wein und jedes Jahr einen neuen Film. Ernste Rollen bekam Richard erst ab Mitte siebzig.

Termine und Karten: „Monsieur Pierre geht online“

ab 29. Oktober in den Wiener Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt

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