Akın Emanuel Şipal hat sich sehr rührend und detailversessen in diese Suche nach einer Erzählung von einer (möglichen) Chronologie des Osmanischen Reichs gestürzt. Herausgekommen ist eine immense Sammlung aus Texten und Figuren, in der man sich leicht verlieren kann. Immerhin ist es eine Geschichte von über 600 Jahren, über verschiedenste Kulturen, Religionen und Territorien.

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Der Gestus dieser Suche hat mich interessiert. Ich war gespannt, aber auch sehr skeptisch zu Beginn der Proben, dachte, das kann ja nur scheitern, wie soll mensch das bitte auf die Bühne bringen, ohne die Zuschauenden in ein mindestens eine Woche andauerndes Theaterfestival zu sperren. Tag und Nacht sieht das Alter Ego zu, wie sich reale und fiktive Figuren begegnen und wieder weiterziehen innerhalb der Verflechtungen der Erzählstränge. Und dann gibt es da ja noch das Hier und Jetzt, den Alltag in Gelsenkirchen, Ehepartner:in, Kind, Wäscheberge und Einkäufe, die erledigt werden müssen, die einen immer wieder aus der Suche herausreißen. Und auch jetzt habe ich mich schon wieder mächtig mitreißen lassen und verwechsle die Ebene des Schauspielers mit der des Autors. Verdammt.

Aber ungefähr so war auch die Probenzeit: Meine Suche als Schauspieler mit der Fragestellung, wie kann ich das darstellen, was da seitenweise auf dem Tisch liegt, vermischte sich mit dem Versuch des Autors, diese Geschichte in ein Theaterstück zu verwandeln. Und vielleicht gibt es da etwas, was ich erst jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen, verstehe, wenn es überhaupt etwas zu verstehen gibt: Es ging, glaube ich, nie darum, die Geschichte des Osmanischen Reichs zu fassen, vielmehr ist es eine fast schon kindlich-naive Verwandlungsjagd mit dem Versuch, kulturelle Zugehörigkeit markieren zu können, durch eine Geschichte, die zwar so fundamental die europäische/asiatische Zivilisation geprägt hat, aber in unseren Schulbüchern nicht auftauchen will.

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NEST: Hier wird Oper ganz neu gedacht

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Wenn es beim Fallen durch die Erzähl- und Zeitebenen Augenblicke des Triumphs oder der Höhenflüge gibt, dann sind es keine die Historie an sich glorifizierenden Momente, sondern solche, die eine Ahnung von Zugehörigkeit vermitteln, die wiederum erleichtert, weil man kurz glaubt, angekommen zu sein bei sich, in einem Stammbaum, in einer Chronologie, die ein anderes Licht auf die Gastarbeitenden wirft, die eine Gegenerzählung zum Gemüseverkäufer ist und – vielleicht noch viel wichtiger – das Bild der Möglichkeiten davon, wer man sein kann, aufreißt.

Wobei ich glaube, dass es diese Reihenfolge – vor mir war das, deshalb komme ich da her, und von mir stammt jenes ab – gar nicht gibt. Es ist vielmehr ein Geflecht aus Einflüssen, das uns zu dem macht, wer wir sind und sein wollen. Und das ist, glaube ich, das Besondere an unserem Stück: dass es versucht, mit voller Kraft aller Gewerke, die Theater möglich machen, die Abstraktion des Ichs zu umarmen.

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Hier gehts zu den Spielterminen von Akins Traum“ im Burgtheater!