Von einem anderen Stern. Wer den Opernball noch nie besucht hat und zudem über wenig Medienaffinität verfügt, kann beim ersten Mal ganz schön ins Staunen kommen. Herren im Frack, deren Ähnlichkeit mit Pinguinen nicht nur dem Wildbiologen Antal Festetics einst aufgefallen ist, Damen in mannigfaltiger Dekoration und nicht selten gewagter Frisur sowie ein Meer an jungen Menschen in monochromem Schwarz-Weiß. Naheliegende Frage: Wie sollte man, hätte man Besuch vom Mars, diesem den Opernball erklären?

Anzeige
Anzeige

Den Außerirdischen den Opernball erklären

„Sehr viele Menschen kommen in einem wunderschön dekorierten Haus zusammen, um zu feiern und zu tanzen. Alle Herren sind gleich angezogen, während die Frauen lange, oft bunte Kleider tragen“, fasst Susanne Athanasiadis zusammen. Sie ist als Leiterin der Abteilung Marketing und Presse eine Zentralfigur des Opernballs, den sie, nachdem er 2021 und 2022 aufgrund der Pandemie entfallen war, 2023 zum ersten Mal in dieser Funktion erlebte.

„Ich glaube, dass man sich keine Vorstellung davon macht, wie umfangreich das Projekt Opernball tatsächlich ist, was es bedeutet, wenn ein Haus, das täglich spielt und in dem es immer geschäftig rumort, plötzlich einen Knopf drückt und auf Ball umschaltet“, meint sie beim Interview in ihrem Büro.

Zumindest sei sie von diesem Ausmaß durchaus überrascht gewesen, obwohl sie das Ereignis als Gast bereits kannte. „Alle Abteilungen greifen wie Zahnräder ineinander, und es ist beeindruckend, wie die einzelnen Gewerke, von der Technik bis zur Maske, miteinander arbeiten.“ Am Montag vor dem Opernball steht „Tosca“ auf dem Programm, in der Nacht darauf werden die Bühnenlogen angeliefert, am Dienstag wird das Parkett verlegt.

Der Direktor als Letzter

Am Mittwochabend findet nach einem arbeitsreichen Tag, an dem sich die Oper stündlich mehr in einen Ballsaal verwandelt, die öffentliche Generalprobe statt, ehe sich die Tore am Donnerstag für die Besucherinnen und Besucher des festlichen Geschehnisses öffnen. „Einen Tag später kommen tausende Kinder zur ‚Zauberflöte‘, und am Samstag haben wir wieder regulären Spielbetrieb“, schildert Susanne Athanasiadis die Woche im Schnelldurchlauf. Aus ihrer Abteilung sind vor allem Eventmarketing, Presse und Ticketing in die Organisation involviert. „Und bei mir laufen, in engster Abstimmung mit dem Direktor, die Fäden zusammen. Er ist organisatorisch der Letztverantwortliche.“

Anzeige
Anzeige

Mehr als 2.000 Personen arbeiten am Ball selbst, rund 5.000 Gäste finden in der Oper Platz, 138 Logen stehen an diesem Abend zur Verfügung. „Bogdan Roščić hat zu Beginn seiner Direktion den Offiziellen Freundeskreis gegründet, der zweckgewidmet ausschließlich der Nachwuchsförderung dient. Die Donatoren dieses Freundeskreises, der mittlerweile der größte Einzelsponsor der Wiener Staatsoper ist, bezahlen jährlich 30.000 Euro und erwerben damit das Vorverkaufsrecht für die Ranglogen beim Opernball“, erklärt Susanne Athanasiadis eine wichtige Neuerung. „Für diese Loge müssen sie selbstverständlich extra bezahlen.“ Die Eintrittskarten kosten heuer jeweils 385 Euro, von denen 35 Euro an Österreich hilft Österreich gehen.

Susanne Athanasiadis. Bei der Leiterin der Abteilung Marketing und Presse der Wiener Staatsoper laufen – in enger Abstimmung mit Direktor Bogdan Roščić – alle Fäden zusammen.

Foto: Johannes Kernmayer

400 tanzen vor

Eine große Sache ist jährlich die Eröffnung durch das Jungdamen- und Jungherrenkomitee, für das sich etwa 400 Paare bewerben, von denen aber nur 160 genommen werden (können). Aspirant*innen aus Wien und Umgebung werden zum Vortanzen geladen, jenen aus ferneren Bundesländern oder dem Ausland wird erst kurz vor dem Opernball von einer dreiköpfigen Jury – Maria und Christoph Santner sowie die Erste Solotänzerin des Wiener Staatsballetts, Ketevan Papava – beschieden, ob sie tatsächlich linkswalzerkundig sind. „2025 müssen alle, die nicht zum Vortanzen kommen können, ein Video schicken“, kündigt die Marketingchefin an. Die sexuelle Orientierung der Paare spielt keine Rolle, auch nicht, ob sich jemand als nonbinär oder transgender identifiziert. „Wir schreiben lediglich eine Damen- und eine Herrenposition aus, man muss sich also entscheiden, wo man stehen will und was man tragen möchte, denn der Schwarz-Weiß-Kontrast muss harmonisch bleiben. Seit ich für den Ball verantwortlich bin, hat sich noch kein Männerpaar beworben.“

Eine weitere Innovation der Ära Roščić besteht darin, dass die traditionelle Opernball-Organisatorin abgeschafft wurde und an ihre Stelle ein kleines Gremium an Expertinnen getreten ist. Schon 2023 und auch heuer federführend in diesem Komitee mit dabei: Birgit Reitbauer und Maryam Yeganehfar.

Die Top-Gastronomin

„An diesem Abend haben wir die Chance, Österreich auch gastronomisch in den Fokus zu rücken. Wir haben großartige Produzenten und versuchen, in der Auswahl ein ‚Best of Austria‘ zusammenzustellen und, in Abstimmung mit den Caterern, Abwechslung zu bieten. Regionalität spielt dabei eine entscheidende Rolle“, erklärt Birgit Reitbauer, die gemeinsam mit ihrem Mann Heinz das Steirereck zu einem der besten Restaurants weltweit gemacht hat. Besonders wichtig sei es, ein einheitliches Qualitätsniveau quer durch das Haus zu schaffen.

„So wie die Gästebetreuung in unserem eigenen Betrieb an erster Stelle steht, ist es mir auch beim Opernball ein Anliegen, schon im Vorfeld persönlich mit den Logenkäufern in Kontakt zu treten und sie gut abzuholen. Wir haben im letzten Jahr zum Beispiel einen Sommelierservice installiert, durch den auf ganz individuelle Wünsche eingegangen werden kann, was bei einem Event mit 5.000 Gästen herausfordernd ist.“

Als sie dafür angefragt wurde, habe sie überlegt, ob sie das überhaupt unter ihren Hut bringen könne. „Ich gehe an solche Dinge sehr respektvoll heran, denn wenn ich Ja sage, möchte ich es auch bestens machen. Für mich ist es letztendlich eine Ehre, weil es für die Stadt ein so besonderes Ereignis ist. Ich denke, je mehr Köpfe, die in einem qualitätsvollen Umfeld arbeiten, man für den Opernball gewinnen kann, desto besser für das Endergebnis.“ Heuer wird der Abend vielleicht noch um eine Spur spannender, debütieren doch sowohl ihre Tochter als auch ihr Sohn. „Aber die Mama bleibt cool. Für die Kinder ist das klarerweise ein tolles Ereignis.“

Birgit Reitbauer. Die Chefin des Steirerecks – eines der besten Restaurants der Welt – bringt ihr umfassendes gastronomisches Know-how ein und setzt auf kulinarische Regionalität.

Foto: Steirereck

Die Kreativexpertin

„Der Opernball ist weltweit einzigartig. Natürlich ist er ein teures Vergnügen, aber es kann jeder daran teilnehmen, und er ist noch dazu der offizielle Staatsball. Ich frage mich oft, warum wir nicht alle wahnsinnig stolz auf dieses Ereignis sind.“

Maryam Yeganehfar selbst ist keine Ballgeherin und hatte mit dem Opernball keinerlei persönliche Erfahrung. Die Anfrage für das Komitee kam also überraschend. „Für mich liegt der Reiz immer im Neuen, damit kann man mich gut einfangen“, erklärt sie, „und ich fand es schön, dass von Anfang an klar war, dass Dinge auch verändert werden dürfen.“ Die Inhaberin einer international tätigen Eventagentur ist konzeptionell und logistisch für die Gestaltung der Räume verantwortlich, hat im letzten Jahr dafür gesorgt, dass mit der Anlieferung früher begonnen wird, und am Ball selber – als Alternative zur Disco – einen Club installiert.

„Die DNA eines Events bleibt immer gleich, egal ob dieser in einem Opernhaus oder in einer Lagerhalle stattfindet. Wenn Dienstleistung und Logistik nicht stimmen, bringt auch die Kreativität nichts. Erst wenn diese Faktoren passen, kann die Kreation wirken.“ Die Faszination des Opernballs liege nicht zuletzt an seiner Eleganz und daran, dass den Künsten der notwendige Respekt gezollt werde. Welchen Stellenwert haben die Prominenten? „Der Opernball ist ein Sammelsurium von Menschen, die zusammenkommen, weil sie Wertschätzung dafür empfinden. Und wenn Sie Richard Lugner ansprechen wollen: Er ist Donator und bringt der Oper sehr viel Geld. Ich schätze ihn als Unternehmer – und ganz ehrlich, jemand wie Jane Fonda hätte ohne ihn wahrscheinlich nicht den Weg nach Wien gefunden.“

Maryam Yeganehfar
Maryam Yeganehfar. Als Eventspezialistin mit internationaler Erfahrung ist die Inhaberin der Agentur yamyam event production für die Raumkonzepte des Opernballs verantwortlich.

Foto: Nuno Filipe Oliveira

66. Wiener Opernball am 8. Februar 2024 in der Wiener Staatsoper und ab 20.15 Uhr in ORF2. Die Karten sind ausverkauft, es gibt eine Warteliste. Infos unter wiener-staatsoper.at/opernball

Blühendes Opernhaus. Ein wesentliches Gestaltungselement ist Jahr für Jahr der opulente Blumenschmuck. Tausende Blüten sorgen für zeitgemäße Eleganz – und sind am Ende des Balls begehrte „Mitbringsel“.

Foto: Victoria Nazarova