Lasst die Spiele beginnen
Wo Spymonkey draufsteht, ist viel Theater drin. Aber auch eine ganze Menge Physical Comedy und Clownerie. Das ergibt einen sprudelnden Cocktail aus exquisiten Bühnenzutaten, der nun Offenbachs „Orpheus“ in neues Licht taucht.
Die Probebühne 3 im dritten Stock der Wiener Volksoper wird von drei Wänden und einer großen Fensterfront eingerahmt. Ein für das Opernhaus wichtiger Safe Space mit Fenster zur Welt – zu einem klitzekleinen Ausschnitt davon zumindest. Dass es hier keine vierte Wand gibt, sondern freien Blick auf die an diesem kalten Samstagmorgen langsam erwachende Stadt, passt gut zur Arbeitsweise von Toby Park, der fröhlich durch den Raum schlendernd auf seine Workshop-Teilnehmer*innen wartet. Der schlaksige Brite ist Mitbegründer von Spymonkey, einer der bekanntesten Physical-Comedy-Gruppen Großbritanniens.
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1997 aus der Taufe gehoben und geprägt von der Arbeit des bekannten französischen Clowns und Lehrers Philippe Gaulier, entwickelte die Truppe eine einzigartige komödiantische Handschrift. „Wir sind keine Clowns mit roten Nasen und Perücken. Wir sind Clowns mit einer großen Leidenschaft für das Theater und die Schauspielerei“, sagt Toby Park, der sich mit Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ an der Volksoper in sein erstes großes Musiktheaterprojekt stürzt.
Bevor es in die Probenarbeit geht, führt er sein Ensemble in mehreren Workshops an das für Spymonkey typische „Theatre of the Funny“ heran.
Jetzt wird gespielt
Wie diese Workshops aussehen, lässt sich einfach auf den Punkt bringen: Es wird gespielt. Ein Satz, der im Theater- oder Opernkontext zunächst alles andere als außergewöhnlich erscheint. Etwas klarer wird die Sache erst, wenn man nicht den deutschen, sondern den englischen Begriff bemüht: „We think of theatre as a game“, erklärt Toby Park, der es perfekt beherrscht, zwischen übersprudelnder Offenheit und fast schon geheimniskrämerischer Tiefe hin und her zu wechseln.
Die Spiele in den Workshops sollen den Teilnehmer*innen auch zeigen, dass komisches Potenzial verloren geht, wenn man sich nur darauf konzentriert, lustig zu sein. „Kommt man mit der Absicht auf die Bühne, das Publikum zum Lachen zu bringen, durchschauen die Zuschauer*innen das sofort.“ Welche Strategie er stattdessen empfiehlt? Park, der die Spymonkey-Workshops üblicherweise mit seinem kongenialen Partner Aitor Basauri leitet, hat schnell eine Antwort parat:
Ich halte es für essenziell, sich selbst und die eigene Arbeit ernst zu nehmen. Das Publikum muss erkennen, dass man für die Sachen brennt.
Toby Park
In etwa so wie Toby Park für seine Arbeit. Während die Workshop-Teilnehmer*innen aus dem Volksopern-Ensemble ihre inneren Clowns auf die Probebühne 3 entlassen, hört und schaut er aufmerksam zu – und lebt dabei alle Höhen und Tiefen mit. Wobei in diesen drei Stunden vor allem scheinbare Tiefen zu komischen Höhenflügen werden.
Tief im Schlamassel
Wichtig sei außerdem, sich immer wieder aus der eigenen Komfortzone zu bewegen. „Wer im Theater nur auf Sicherheit spielt, wird das Interesse des Publikums schnell verlieren“, sagt der Theatermacher.
Mit der eben erwähnten Sicherheit haben Spymonkey auch bei der Auswahl ihrer Projekte nicht besonders viel am Hut. Häufig suchen sich Toby Park und Aitor Basauri Stücke aus, bei denen es im ersten Moment so aussieht, als ob sie unmöglich zu stemmen wären. „Je tiefer wir uns im Schlamassel befinden, umso kreativer müssen wir werden“, erklärt Toby Park lachend. „Augen zu und durch“, könnte man sagen. Stimmt jedoch nicht ganz, denn in Verbindung mit Spymonkey müsste es eher „Augen auf und durch“ heißen. Schließlich bleibt das Fenster zur Welt – zum Publikum – immer offen. Verschlossenheit? Fehlanzeige. Die vierte Wand ist so lose zusammengezimmert, dass die Illusion einer nach bekannten Regeln funktionierenden Welt immer wieder durchbrochen wird.
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Inwiefern es sich bei „Orpheus in der Unterwelt“ auch um solch eine waghalsige Aktion handelt? Toby Park denkt für einen Moment nach, dann antwortet er: „Das Vorhaben, Physical Comedy und Clownerie in ein so großes Opernhaus zu bringen, fühlt sich schon nach einer Mammutaufgabe an.“ Dass Jacques Offenbachs Opéra bouffe perfekt ins Spymonkey-Universum passt, daran hatte er allerdings nie Zweifel. „Offenbach bedient sich in seiner Operette einer Welt, die jeder kennt, und stellt diese geschickt auf den Kopf. Im Grunde entspricht das haargenau unserer Form der Comedy, die unter anderem sehr von Monty Python geprägt ist. Im ersten Moment scheint alles der Illusion zu dienen, doch plötzlich kommt alles anders.“
Offenbach kehrt zurück
Eine weitere Mission brachte Park und Basauri nach Wien: „Wir möchten uns um Offenbachs brillantes, aber hin und wieder vergessenes Erbe kümmern. Aus diesem Grund tritt er, gespielt von Marcel Mohab, auch im Stück auf.“ Wie das genau gemeint ist? Toby Park setzt fort: „Offenbach kehrt für einen einzigen Tag auf die Erde zurück, um sich sein Meisterwerk anzusehen. Als er durch Wien spaziert, fällt ihm auf, dass es von allen großen Komponisten Statuen gibt, von ihm jedoch nicht. Verärgert versucht er seinen Ruf wiederherzustellen.“ Ganz im Sinne der Spymonkey-Theaterkunst ist er keine in Stein gemeißelte Komponisten-Legende, sondern ein lebendiger und in seiner Verletzlichkeit komischer Charakter. Wie sich diese Lebendigkeit anfühlt, ist auch Stunden nach Ende des Workshops immer noch gut spürbar.