Jedermann 2024: Darauf haben wir gewartet
Der „Jedermann“ ist auch in Wien ein Spektakel. Bei der Pressekonferenz zur Neuausrichtung des morbiden All-time-Hits zögerte das künstlerische Triumvirat seine Ankunft dramaturgisch verständlich hinaus. Es traten schließlich auf: Robert Carsen, Philipp Hochmair und Deleila Piasko.
Dutzende Medienvertreter*innen versammelten sich frühmorgens auf der MQ Libelle, um nach der jähen und nicht ganz schlüssig kommunizierten Demission des bisherigen künstlerischen Teams die Bekanntgabe des neuen zu erwarten. Namen waren durchgesickert, offizielle Bestätigungen fehlten.
Für 9 Uhr angesetzt, wurde um 9.15 noch um etwas Geduld gebeten, ehe sich um 9.19 Uhr der imaginäre Vorhang hob. Gemeinsam mit Intendant Markus Hinterhäuser und der ebenfalls neuen Schauspielchefin Marina Davydova traten Regisseur Robert Carsen, Schauspieler Philipp Hochmair und seine Kollegin Deleila Piasko schwarz gewandet hinter die Stehpulte. Markus Hinterhäuser verglich in seiner Einleitung die „Turbulenzen der vergangenen Wochen mit dem heutigen Wetter“ (Regen), was als lässliche Untertreibung gewertet werden darf, betonte, dass die Salzburger Festspiele „kein Hire-and-Fire-Unternehmen“ seien, um dann die erfreulichere Aufgabe zu übernehmen, die wichtigsten Protagonist*innen des „Jedermann“ vorzustellen.
Regie: Robert Carsen
Der 1954 geborene Kanadier ist ein Theaterkapazunder mit jahrzehntelanger Erfahrung und besonders im Bereich Oper eine internationale Größe. Dem heimischen Publikum ist er durch Arbeiten wie „Manon Lescaut“ (Wiener Staatsoper), „Troubadour“ (Bregenzer Festspiele) oder „Platée“ und „Wozzeck“ am Theater an der Wien ein Begriff. Bei den Salzburger Festspielen inszenierte er „Der Rosenkavalier“, bei den Pfingstfestspielen 2024 wird er sich „La clemenza di Tito“ vornehmen.
„Hugo von Hofmannsthal fasziniert mich seit Langem“, erklärte er seine Entscheidung, „aus seinem literarischen Schaffen sind mir – als Regisseur von fünf der sechs Opern, die er mit Richard Strauss schrieb – am besten seine Libretti bekannt, ich bewundere aber auch seine Lyrik, Dramen und erzählende Prosa. Unter seinen Werken ist ‚Jedermann‘ zweifellos das universellste und populärste.“
Vorgeschlagen wurde Robert Carsen von Markus Hinterhäuser. Für Schauspielchefin Marina Davydova ist er „der ideale Regisseur für einen zeitgenössischen ‚Jedermann‘, weil er das Stück in einen internationalen Kontext setzen kann und als Regisseur von fünf Richard-Strauss-Opern mit Libretti von Hofmannsthal ein wirklicher Experte ist.“ Robert Carsen wird gemeinsam mit Luis F. Carvalho auch die Bühne vor dem Salzburger Dom gestalten.
Jedermann: Philipp Hochmair
„Ein Traum geht in Erfüllung. Beste Konditionen. Ich freue mich sehr. Es ist mir eine große Ehre. That’s it.“ Kurz und bündig schuf Philipp Hochmair erwartbare Tatsachen. Der „Jedermann“ ist ihm nicht nur von fünf Vorstellungen bekannt, bei denen er 2018 für den erkrankten Tobias Moretti einsprang, sondern vor allem durch seine eigene, gemeinsam mit der Band Die Elektrohand Gottes umgesetzte Rockproduktion „Jedermann (reloaded)“, bei der er beinahe alle Rollen selbst verkörperte und mit der er u.a. im Wiener Stephansdom auftrat.
Der Vertrag für Philipp Hochmair wurde übrigens für zwei Jahre abgeschlossen, so Markus Hinterhäuser, „alle anderen Verträge haben Spielraum.“
Buhlschaft: Deleila Piasko
Die in der Schweiz geborene Schauspielerin ist aufmerksamsten Besucher*innen des Burgtheaters aus Stücken wie „Vögel“ und „Der Fiskus“ bekannt – denn von 2019 bis 2022 zählte sie zum Ensemble der Burg. Wesentlich größere Popularität erlangte sie durch die Sky-Serie „Die Ibiza-Affäre“ und eine der Hauptrollen in der Netflix-Serie „Transatlantic“, durch die auch Regisseur Robert Carsen von ihr Notiz nahm.
„Für mich ist das alles noch total surreal. Ich freue mich enorm, es ist eine große Ehre und eine fantastische Aufgabe“, so ihre Reaktion auf den Umstand, dass sie die nächste Buhlschaft sein wird. Sie habe nach der Anfrage umgehend zugesagt, betonte Markus Hinterhäuser.
Die Besetzung komplett machen Andrea Jonasson (Jedermanns Mutter), Christoph Luser (Jedermanns guter Gesell / Teufel), Kathleen Morgeneyer (Werke / Ein armer Nachbar), Joseph Lorenz (Schuldknecht), Nicole Beutler (Des Schuldknechts Weib), Dominik Dos-Reis (Tod), Kristof Van Boven (Mammon), Christoph Krutzler (Dicker Vetter) und Julia Windischbauer (Glaube).
Nach wenigen höflich vorgetragenen Fragen der Journalist*innen war die Aufführung auch schon zu Ende, und die Fotograf*innen walteten ihres Amtes. „Wir sind ein glücklicher Operettenstaat“, sagte unlängst die große Emmy Werner, „wir haben eine Schrebergartenaffäre, die Debatte um freilebende Wölfe und den ‚Jedermann‘.“ Und im leichten Spott vermeinte man durchaus auch Bewunderung zu vernehmen.