Brüderliche Baum-Kultur
Musiker. Autor. Schauspieler. Andy, Thomas und Martin Baum sind Brüder. Und jeder ist in seinem Metier erfolgreich. Neid auf das Talent der jeweils anderen kennen sie nicht. Dafür Respekt und Wertschätzung. Man sieht einander nicht oft – aber herzlich gern.
„We are family, I got all my brothers with me“, könnte Musiker Andy Baum in Anlehnung an den Welthit von Sister Sledge aus dem Jahr 1979 intonieren. Das wäre ihm – zu Recht – wahrscheinlich viel zu banal, träfe des Pudels Kern aber ganz gut. Denn er, Sänger von Titeln wie „Slow Down“, „Only a Whisper“ oder „Still Remember Yvonne“, mit denen eine ganze Generation musikalisch sozialisiert wurde, hat zwei Brüder, die es in ihren Kunstformen ebenfalls zu Anerkennung und dauerhaftem Erfolg gebracht haben: Schriftsteller und Drehbuchautor Thomas sowie Schauspieler Martin.
Dass einer in Wien, der andere in Linz und der dritte in Bremen beheimatet ist, führte dazu, dass eine lange Anlaufzeit vonnöten war, um ein Dreiergespräch zustande zu bringen. Als es samt Fotoshooting im patinierten Hinterhof jenes Ottakringer Hauses, in dem Andy Baum sein Studio eingerichtet hat, schließlich stattfindet, sind die Gebrüder Baum humorvoll aufgeräumt. Man könnte auch sagen, bei bester Laune. Sie freuen sich, einander nach den langen Pandemie-Querelen endlich wiedersehen zu können.
Wobei der in Deutschland lebende Martin sich am Linzer Phönix-Theater eigentlich eine Produktion der beiden Töchter von Thomas ansehen wollte, die aufgrund eines Coronafalls dann leider abgesagt werden musste … Aber wenn er schon einmal da ist, kann er genauso gut auch über sich und seine Brüder reden.
Dieselbe Ausrüstung bekommen
„Ich bin der Jüngste von uns und hatte den Vorteil, aus der Beobachtung zu lernen. Der Nachteil war, dass zwei künstlerische Positionen bereits besetzt waren“, erzählt er. Dass er Schauspieler werden wollte, wusste er spätestens mit 15. „Ich war damals an meiner Schule in einer neu gegründeten Theatergruppe und wurde vom zuständigen Lehrer sehr gefördert. Zur Matura habe ich Monologe rezitiert, das war quasi meine Voraufnahmeprüfung an die Schauspielschule.“
Sein älterer Bruder Thomas – „ich bin das Sandwichkind und war dadurch für die Kommunikation zwischen den Brüdern zuständig“ – wollte eigentlich Clown werden. „Bis zu meinem 16. Lebensjahr habe ich nicht nur diverse Akrobatikkurse besucht, sondern auch fast jede Zirkusvorstellung, die es in Linz gab. Charlie Rivel war mein großes Vorbild.“
Auch Schauspieler stand im Raum, das scheiterte aber am Lampenfieber. Also wurde er zunächst Lehrer, schrieb erste Texte fürs Theater und gewann mit 25 Jahren ein Stipendium. Als sein Debüt-Stück „Rauhe Zeiten“ im ORF lief, bot man ihm an, an einem Drehbuchwett-bewerb teilzunehmen. Mit Erfolg. Als einer von 15 Ausgezeichneten erhielt er nicht nur 200.000 Schilling, sondern auch die Möglichkeit, an einem Workshop bei Robert McKee in London teilzunehmen. „Das hat mir einen neuen Blick auf Schreibstrukturen und das Schreiben generell eröffnet. Danach ist es relativ flott weitergegangen.“ Mit Theaterstücken, Kinofilmen, TV-Serien.
Seit 2018 schreibt er auch Kriminalromane. Sein jüngster, „Schwarze Sterne“, handelt von Cyber-Attacken und stellt, wie auch die drei vorhergehenden, den oberösterreichischen Kommissar Robert Worschädl ins Zentrum der Ermittlungen.
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Sie hätten, was die Talente betrifft, dieselbe Ausrüstung mitbekommen, meint Thomas. „Es hat sich dann eben in drei unterschiedliche Richtungen entwickelt.“ Für Andy war es die Musik. „Schon immer. Ob es ein Vorteil war, der Älteste zu sein, weiß ich nicht. Heute würde ich sagen, ich war derjenige, der es sich aussuchen konnte, was ich aber damals nicht so empfunden habe. Für mich war die Musik unausweichlich, weniger eine bewusste Entscheidung als ein zwanghaftes Folgen.“
Die Eltern seien zwar besorgt, aber unterstützend gewesen. Beide Absolventen des Max Reinhardt Seminars, die Mutter als Schauspielerin aktiv, der Vater aus Familienräson Lehrer, dann Direktor des Gehörloseninstituts und erst in späterem Alter auch wieder Schauspieler und Regisseur.
„Bei uns war es ganz normal, dass die Mutter mit einer Smart Export im Mund kochte und dabei Text lernte“, schmunzelt Thomas. „Den Umgang mit Sprache, die Psychosen vor Auftritten, das haben wir schon als Kinder mitbekommen.“ Vor Premieren sei die ganze Familie vom Eferdinger Dialekt in den Modus des Hochdeutschen verfallen, ergänzt Andy. „Und dennoch war es ein bürgerlicher Haushalt“, bemerkt Martin.
Andy Baums Erfolg kam schnell und heftig. Nach dem Sieg bei einem großen britischen Bandwettbewerb samt Tour durch Großbritannien folgten Pop-Hits in Serie. Dass keine Weltkarriere daraus wurde, verwundert. „Wahrscheinlich deshalb nicht, weil mir das, was ich im Laufe der Zeit von Weltkarrieren mitbekommen habe, gar nicht behagt hat.“
Skurriles Detail am Rande: Er hätte in jungen Jahren mit dem von Dieter Bohlen komponierten „Nur ein Lied“ Österreich beim Song Contest vertreten sollen. „Ich war der Wunschkandidat, habe aber abgelehnt, worüber sich Herr Bohlen sehr echauffiert hat. Er konnte nicht verstehen, wie man ihm und der Aufgabe der musikalischen Vaterlandsverteidigung einen Korb geben konnte.“ Kollektives Gelächter.
Thomas Forstner übernahm schließlich den Part und landete einen Nummer-eins-Hit. „Ich war hinter ihm mit ‚Slow Down‘ auf Platz zwei. Meine Absage hat sich also bitter gerächt …“
Einmal im Jahr
Martin Baum hat Österreich bewusst verlassen. „Ich hätte am Linzer Landestheater ein festes Engagement antreten können, wollte das aber nicht, weil meine Mutter damals noch dort gastierte.“
Heute ist Bremen für ihn und seine Familie der ideale Lebensort. Durch die räumliche Distanz sehen die Brüder einander nur einmal jährlich. „Es hat eine Zeit gedauert, aber heute ist unser Verhältnis ein inniges“, so Andy Baum. Ein Schlüsselerlebnis sei der Tod des Vaters gewesen, der offenbart habe, dass man bei allem Schmerz auch vertrauensvollen Spaß miteinander haben könne. Beim Begräbnis des Vaters sangen die drei auch zum ersten Mal gemeinsam. Zwei Jahre später auch bei jenem der Mutter. Der Traum der Eltern sei es gewesen, dass sie einmal ein gemeinsames Programm zusammenstellen mögen. „Das haben wir noch nicht geschafft, es ist aber denkbar und möglich“, so Martin Baum.
Bei uns war es ganz normal, dass die Mutter mit einer Smart Export im Mund kochte und dabei Text lernte.
Thomas Baum, Autor
War man eigentlich je eifersüchtig auf die Talente der anderen? „Das kann ich klar und deutlich sagen“, mutiert Thomas Baum kurz zum Politiker, „überhaupt nicht! Wenn ich etwas bin, dann ein glühender Fan.“ Dem kann Andy nur zustimmen. Und Martin ergänzt: „Ich bin stolz auf die beiden, weil sie in Bereichen etwas können, in denen ich nicht so talentiert bin, und das kann ich nur bewundern.“ Eine klitzekleine Eifersucht aus früheren Tagen muss er allerdings bekennen: „Wir haben alle drei Klavierspielen gelernt. Nur ich habe es, im Gegensatz zu Andy und Thomas, nie geschafft zu improvisieren.“ Das lässt sich vermutlich heute verschmerzen.
Da muss nun aber auch Thomas ein Bekenntnis ablegen. „Okay, auch ich war in jungen Jahren eifersüchtig. Immer wenn wir in Caorle auf Urlaub waren, ist Andy, umringt von Mädchen, abends am Strand gesessen und hat auf der Gitarre ‚Yesterday‘ gespielt, während ich Holz für das Lagerfeuer gesammelt habe.“
Der dafür einst Beneidete schweigt indessen. Ein wenig entrückt lächelnd.