Fanny Kienberger: Wiener Wurzeln, New Yorker Träume
Gleich nach der Matura in Wien zog sie für die Schauspielausbildung nach New York – und von dort will sie jetzt vor die Kamera und auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Über ihre Tätigkeit als Stage Managerin, ihre Pläne für die Zukunft und was sie angehenden Jungtalenten ans Herz legen würde: wir haben mit der Schauspielerin Fanny Kienberger gesprochen.
Wer bist du und wo erwischen wir dich gerade?
Servus! Ich bin die Fanny Kienberger, eine waschechte Wienerin, die sich gleich nach der Matura an der Tourismusschule MODUL ihren Traum verwirklicht hat und für ein Schauspielstudium am Lee Strasberg Film & Theatre Institute nach New York City gezogen ist. Ihr erwischt mich gerade in einem meiner liebsten Cafés, wo ich mich für ein neues Projekt vorbereite. Ich wohne nun schon seit drei Jahren in NYC und fühle mich hier extrem wohl.
Welche Theatererlebnisse oder Schauspieler*innen haben dich besonders inspiriert, Schauspielerin zu werden?
Die Frage ist gar nicht so leicht für mich zu beantworten. Es gibt so viele großartige Schauspieler*innen, die mich über die letzten Jahre inspiriert haben. Zu meinen favorites gehören heute jedenfalls Francis McDormand, Florence Pugh und - natürlich - Christoph Waltz. Wenn ich aber daran denke, welche Aufführung mich besonders geprägt hat, dann fällt mir Joachim Meyerhoff als Argan in Molières Der eingebildete Kranke ein. Ich habe das Stück 2015 mit meiner Mama im Burgtheater gesehen und war von seiner Darstellung komplett fasziniert. Ich habe so viel gelacht und gleichzeitig die Verletzlichkeit seines Charakters bis hoch auf den Balkon gespürt und zum ersten Mal realisiert, was ein*e gute*r Schauspieler*in in einem auslösen kann. An dem Abend habe ich mich glaub ich unterbewusst dazu entschieden, dass ich eines Tages auch Teil der Theaterwelt sein möchte.
Es gibt ja das Klischee, dass viele mit dem Traum, Schauspiel zu machen, nach LA gehen. Du bist nach New York gezogen, um deine Schauspielkarriere anzukurbeln. Wie kam es dazu?
Ich wusste schon immer, egal in welchem Berufsfeld ich lande, ich will mit Leuten aus der ganzen Welt arbeiten. Und das ist wahrscheinlich nirgends so gut möglich wie in NYC mit seiner unfassbaren kulturellen Vielfalt. Meine Mama hat mir immer davon erzählt, dass man in der New Yorker U-Bahn 5 verschiedene Sprachen auf einmal hört. 2017 war ich dann endlich selbst zum ersten Mal hier, und genau das war der Fall. Als ich dann gesehen hab, dass das Lee Strasberg Institute in New York Schüler*innen aus über 140 verschiedenen Ländern repräsentiert, fiel mir die Entscheidung, hierher zu ziehen, leicht.
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Wie sah dein Ausbildungsweg aus?
Während meiner Schulzeit habe ich meine Zukunft eher als Schriftstellerin oder „hinter den Kulissen” gesehen. Meine erste richtige Schauspiel-Erfahrung habe ich im Vergleich zu anderen recht spät gemacht, als ich mich 2019 spontan für das Young Actors Program am Trinity College in Dublin beworben hatte. Die Tatsache, dass ich dort aufgenommen wurde, war schon extrem motivierend und das Programm selbst war für mich ein Schlüsselmoment, die Weichen stärker in Richtung Schauspiel zu stellen. Zurück in Wien, habe ich mich dann sofort nach Schauspielschulen umgeschaut und entschied mich schließlich dafür, Kurse an der Filmschool Vienna, Vienna Shakespeare & Acting Classes mit Catrina Poor zu machen.
Ich machte gleichzeitig meinen Abschluss an der Tourismusschule MODUL und bewarb mich an Unis in Amerika. Trotz der Herausforderungen durch Covid-19 gelang es mir, meinen Traum zu verwirklichen und nach der Matura nach New York zu ziehen. Dort habe ich dann das Konservatorium am Lee Strasberg Theatre & Film Institute absolviert, wo ich neben der Schauspielerei in die Welt der Regieassistenz eingeführt wurde und wieder mit dem Schreiben in Kontakt kam.
Was sind deine biggest learnings, seitdem du deinen Traum verfolgst?
Besonders am Anfang einer Schauspiel Karriere muss man sich stark auf seine eigene Motivation und Disziplin verlassen. Im Vergleich zu vielen anderen Berufen ist man, bis man regelmäßig für Rollen gebucht wird, sein eigener Boss. Natürlich haben viele Schauspieler*innen später eine Agentur und Manager*innen, aber das kann dauern. Bis dahin muss man selbst eine Routine entwickeln. Sein eigener Boss zu sein hat aber auch einen großen Vorteil – man hat die Möglichkeit, sehr proaktiv zu sein.
Ich sehe in meinem Umfeld leider sehr oft, dass sich junge Künstler*innen so stark von der Kritik anderer beeinflussen lassen, dass sie keinen Mut mehr haben, ihre eigenen Projekte zu starten. Ich habe jedoch genau dann am meisten gelernt, als ich mich endlich getraut habe, etwas selbstständiger zu arbeiten. Trotz so mancher Rückschläge konnte ich so ein unglaubliches Netzwerk aufbauen, voll mit jungen Kreativen, die bereit sind, voneinander zu lernen und ihr Wissen zu teilen. Am Ende sind es diejenigen, die ihre Kreativität nutzen, um ihre eigenen Ideen umzusetzen, die sich am meisten weiterentwickeln.
Wie sieht jetzt dein typischer Tag in New York aus?
Während meiner Studienzeit war ich logischerweise sehr stark in der „Strasberg Bubble” unterwegs und ich hatte dort ein fixes Programm. Seit meinem Abschluss sieht jeder Tag anders aus, was auch cool ist. Ich arbeite einerseits für unterschiedliche Projekte vor der Kamera, in letzter Zeit waren das zum Beispiel die Kurzfilme Moneybaby (Maya Gordon Pettersson) und Lovebird (Julian Gatto). Andererseits habe ich auch Jobs abseits des Schauspielens, zuletzt etwa als Personal Assistant für das Chelsea Film Festival oder als Assistant Stage Managerin bei der NYU Produktion And Then There Were None von Agatha Christie (Attilio Rigotti).
Als junge Schauspielerin in New York hat man nicht jeden Tag einen Dreh für einen Film oder einen Auftritt auf einer Bühne, da muss man realistisch sein. Daher versuche ich, auch an den Tagen, an denen ich nicht auf der Bühne oder vor der Kamera stehe, kreativ zu bleiben, indem ich zum Beispiel an eigenen Stücken oder Drehbüchern schreibe. New York, besonders Brooklyn, ist mein ideales Umfeld dafür, man findet Kunst und Inspiration an jeder Straßenecke und in jeder Person.
Ich wusste schon immer, egal in welchem Berufsfeld ich lande, ich will mit Leuten aus der ganzen Welt arbeiten.
Fanny Kienberger, Schauspielerin und Stage Managerin
Du bist auch als Stage Managerin tätig. Inwiefern schaffst du es, deine Tätigkeit als Stage Managerin mit dem Schauspiel zu balancieren?
Für mich ist es tatsächlich gar nicht so schwer, die zwei Jobs zu balancieren, weil sich beide Bereiche für mich perfekt ergänzen. Ich wurde, seit ich Stage Managerin bin, definitiv eine bessere Schauspielerin und umgekehrt. Es ist extrem wichtig zu verstehen, wie viel Arbeit und Koordination hinter den Kulissen steckt, um die Bedeutung meiner Rolle als Schauspielerin mehr zu schätzen. Und genauso half es mir als Stage Managerin bereits Erfahrung auf der Bühne zu haben, um besser mit den Schauspieler*innen kommunizieren zu können, weil ich weiß, wie emotional und intensiv der Job sein kann.
Würde dich die Wiener Theaterwelt auch als Berufsfeld interessieren?
Auf jeden Fall. In den letzten drei Jahren habe ich Wien regelmäßig besucht und dabei zahlreiche Theaterstücke gesehen und war jedes Mal fasziniert, wobei das Burgtheater einen besonderen Platz in meinem Herzen hat und eine meiner Traum-Bühnen ist. Allerdings habe ich, ehrlich gesagt, keine genaue Vorstellung davon, wie es ist, in Wien als Schauspielerin zu arbeiten. Da ich direkt nach der Matura nach Amerika gezogen bin, konnte ich die Wiener Theaterszene bisher nur als Zuschauerin erleben. Ich springe also nächstes Jahr so ziemlich ins kalte Wasser. Zum Glück habe ich aber viele Schauspielkolleg*innen, die mich nächstes Jahr in Wien unterstützen werden.
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Du schreibst auch – kannst du uns etwas darüber erzählen?
Mein Schreiben hat lange Zeit keine konkrete Richtung eingenommen. Ich sprang zwischen Poesie, Kurzgeschichten, Theaterstücken, Songs etc. hin und her und wusste nie wirklich, in welchem Genre meine Stärken liegen - bis ich zum ersten Mal mit dem Theatre of the Absurd in Kontakt kam.
Eine meiner Lehrerinnen am Lee Strasberg Institute, Kelsey Pietropaolo, startete einen Theatre of the Absurd Kurs und ich habe mich natürlich sofort angemeldet und werde seither von Autoren wie Beckett, Pinter und Ionesco inspiriert. Derzeit liegt mein Fokus auf Drehbüchern und Poesie und ich versuche nun in meinen eigenen Werken absurde Elemente mit relevanten Themen meiner Generation zu verbinden.
Was würdest du jungen Menschen empfehlen, die Schauspiel verfolgen wollen?
Es ist völlig normal, dass man die Leidenschaft und Liebe für die Schauspielerei phasenweise mal verliert. Wie für viele andere auch, war Schauspiel für mich zunächst ein Hobby, eine Möglichkeit, abzuschalten und mich zu entspannen. Oft passiert es jedoch, wenn man sein Hobby zum Beruf macht, dass dieser Ausgleich verloren geht.
Ein Ausgleich ist für Schauspieler*innen besonders wichtig, da der Beruf sehr fordernd sein kann, wenn man bedenkt, dass man täglich mit unzähligen Emotionen konfrontiert wird. Ich empfehle also allen jungen Schauspieler*innen, sich Hobbys, abgesehen von Schauspiel, zu finden, damit man auf etwas zurückgreifen kann, falls es mit dem Schauspiel mal nicht so gut läuft.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich befinde mich gerade mitten im Bewerbungsprozess für das O-1 Artist Visum in den USA. In der Zwischenzeit möchte ich aber zunächst etwas Zeit in Wien verbringen. Ich glaube, es ist an der Zeit, die europäische Theater- und Filmszene, insbesondere die österreichische, näher kennenzulernen. Ich kenne so viele talentierte Schauspieler*innen und Regisseur*innen in Europa und freue mich schon sehr darauf, mit ihnen zu arbeiten und es stehen auch schon einige Projekte in den Startlöchern. Mein größtes Ziel für dieses Jahr ist jedoch, endlich eines meiner selbst geschriebenen Drehbücher zu verfilmen. Und meinen ersten eigenen Film in der Heimat zu drehen wäre wie ein weiterer Traum, der in Erfüllung geht.
Gibt es noch etwas, das du mit uns teilen möchtest?
Ich freue mich über neue berufliche Kontakte in Österreich - man findet mich auf Instagram, auf LinkedIn und auf meiner Webseite.