Was hat Sie inhaltlich besonders an Julie Maj Jakobsens Jugendstück „Abgefuckt“ gereizt?

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Die beiden Generationen im Stück weisen überraschende Parallelen auf, wie etwa ein existenzielles Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Sosehr sich die Eltern Anna und Ulrich um das sogenannte Erwachsensein bemühen, sind sie doch wie die Kinder/Jugendlichen Emma und Emil immer noch konfrontiert mit der Frage „Wer bin ich?“.

Wo setzen Sie in Ihrer Inszenierung Schwerpunkte?

Der Verlust von Besitz demaskiert den Klassismus der Figuren. Dass ein Haufen Zeug einen Menschen ausmacht, ist eine der größten Lügen unserer industrialisierten Welt. Das zu betonen, sollte man nicht müde werden. Und es gibt Musik.

Welche Ängste von Jugendlichen werden in „Abgefuckt“ angesprochen, und auf welche Weise passiert das?

Emma und Emil befinden sich auf jeweils sehr individuellen Wegen der Selbstfindung. Beide verlieren etwas oder haben „es“ nie besessen. Auf ihrer Suche finden sie nicht nur einander, sondern auch universelle Abgründe sowie die Kraft und Motivation, aus jenen herauszukommen.

Abgefuckt
Laetitia Toursarkissian und Edward Lischka in „Abgefuckt“.

Foto: Marcella Ruiz Cruz

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Was hilft auf diesem verdammt schwierigen Weg der sogenannten Selbstfindung?

Die Gewissheit, dass alles ein ständiger Prozess ist und es keine perfekte Persönlichkeit gibt. Vor allem jedoch starke Vorbilder sowie Förderinnen und Förderer. Ohne andere Menschen wird es steinig – selbst wenn man einsam an der sogenannten Spitze zu sein scheint.

Ist es trotz der ernsten Themen, die darin verhandelt werden, auch ein lustiges Stück?

Ich glaube, Humor ist wesentlich, gerade um ernste Themen zu besprechen, besonders wenn es um Jugendliche geht. Komik kann ein willkommener Türöffner sein, um ein Gespräch auch über vermeintliche Tabuthemen zu beginnen.

Wie bringt man Teenager ins Theater?

Ich würde damit beginnen, ihre Perspektive auf unsere reizüberflutete Welt ernst zu nehmen, und Mitsprache anbieten. Ich glaube, Theater kann ein sehr guter Ort sein, um Teilhabe am Diskurs erstmalig auf eine Weise zu erfahren, wie es vielleicht ein Schulalltag nicht bieten kann.

Zur Person: Tobias Georg Jagdhuhn

ist Theaterregisseur und Schlagzeuger. Vor der deutschsprachigen Erstaufführung von „Abgefuckt“, das seit dem 19. November im Vestibül wie auch als mobile Produktion zu sehen ist, zeichnete er für die szenische Einrichtung der „Geschichten vom Franz“ verantwortlich.