Warum die nasse Wäsche in diesen anderen weißen Kasten neben der Waschmaschine stopfen, wenn das Trocknungsverfahren ja auch vom Wind übernommen werden könnte? Wieso wurden Windmühlen stillgelegt, nur um dann Windräder zur Gewinnung vom Strom zu entwickeln? Fragen wie diese – und noch viele weitere – werden im Stück „Wind“ von makemake produktionen verhandelt, das noch bis 27. September im Dschungel Wien zu sehen ist. Im April 2024 wird die Stückentwicklung für alle ab 5 ebendort wiederaufgenommen.

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Die Auseinandersetzung mit dem Naturphänomen, über das man in der Regel wohl viel zu wissen glaubt, weil es einen – vor allem in der österreichischen Bundeshauptstadt – fast täglich anbläst, findet bei makemake auf verschiedenen Ebenen statt. Physikalische Fakten werden in Geschichten verpackt und Mythen mithilfe fließender Choreografien und viel Musik (Lukas Schiemer) nacherzählt. Und all das findet – dem Thema entsprechend – auf außerordentlich mitreißende Weise statt.

Einem an sich unsichtbaren Phänomen eine Form zu geben, war die große Herausforderung, mit der sich das interdisziplinär arbeitende Team bei dieser Produktion konfrontiert sah. Die Überlegung, den Wind auf drei Performer*innen aufzuteilen, das Element in gewisser Weise zu vermenschlichen, fußt unter anderem auf dem urmenschlichen Bedürfnis, Naturgewalten greifbar und damit verständlicher machen zu wollen. Im Stück führt das unter anderem dazu, dass sich die drei Winde darüber streiten, wer von ihnen denn nun der Nordwind ist.

Ausgangspunkt: Campingplatz

Die Idee zum Stück entstand am Meer, erzählt Anita Buchart. Wir treffen die Autorin und Dramaturgin kurz vor der Uraufführung von „Wind“ im Dschungel Wien. „Diese kleine Ablenkung tut gut“, sagt sie lachend. Seit 2018 gehört die gebürtige Wienerin zum Kernteam von makemake. Die Idee, sich eingehender mit dem Thema Wind zu beschäftigten, ist ihr buchstäblich entgegengeweht. „Auf einem Campingplatz in Kroatien. Die kroatische Bora und all die Erzählungen darum herum waren für uns ein guter Ausgangspunkt, um uns auf die Suche nach weiteren Geschichten zu begeben“, erinnert sie sich.

Wie der Prozess nach der Suche weiterging? „Da wir ja all aus unterschiedlichen Bereichen (Tanz, Musik, Literatur, Bühnenbild, Anm.) kommen, haben wir uns untereinander darüber ausgetauscht, was uns an diesem Thema interessiert und was wir uns dazu vorstellen könnten. So kamen wir von einem zum nächsten und es hat sich nach und nach alles zusammengefügt. Wichtig für unsere Arbeit ist, dass am Ende alle alles mittragen und die Dinge, obwohl jede*r in einem anderen Bereich Expert*in ist, miteinander und nicht nebeneinander passieren. Auf diese Weise ist ein Stück entstanden, das von den Menschen gespielt wird, die es auch entwickelt haben. Was wiederum dazu führt, dass man sich total sicher und gleichzeitig frei fühlt – weil es ja aus einem selbst kommt“, so Buchart. In den letzten beiden Probenwochen kam mit Kathrin Herm eine Endregie dazu, die eine Außenperspektive in die Produktion einbrachte.

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Wind Dschungel Wien
Wer ist nun der Nordwind? Die drei Winde sich sich uneinig.

Foto: Chris Mavric

Neue Richtung

Außerdem spielten Gespräche mit Expert*innen im Entwicklungsprozess eine wichtige Rolle. „Mich hat beispielsweise total überrascht, dass Meteorolog*innen erst seit rund 60 Jahren dazu imstande sind, beim Thema Wind genaue Bemessungen zu machen. Daher waren die Expert*innen, mit denen wir gesprochen haben auch sehr vorsichtig, als es um harte Fakten, wie etwa zum Thema Klimawandel, ging. Als wir nachgefragt haben, ob man ohne Wind leben könnte, war die Antwort dafür eindeutig – können wir nicht.“

Die Texte selbst sind fast alle in den Proben entstanden, hält Anita Buchart daran anknüpfend fest. „Meist war es so, dass wir uns in der Gruppe verschiedene Aufgaben gestellt haben und jede*r bis zum nächsten Tag etwas mitbringen sollte – bei mir waren es Textfragmente, bei anderen Bewegungen oder Situationen. Dann haben wir uns darüber ausgetauscht und geschaut, wohin uns die mitgebrachten Dinge führen.“

Überraschende Fakten und Geschichten gab es in jedem Fall einige, so Buchart. Beispielsweise zur Entdeckung der Osterinseln: „Wir haben im Zuge unserer Recherchearbeit einen wissenschaftlichen Artikel darüber gelesen, wie die Menschen zu den Osterinseln kamen, bevor sie gegen den Wind segeln konnten. Forscher*innen haben herausgefunden, dass ihnen das nur deshalb gelungen ist, weil von 800 bis 910, 1080 bis 1100 und dann wieder zwischen 1250 und 1280 statt der normalerweise vorherrschenden Ostwinde Südwestwinde die Region dominierten. Wir haben dazu aus der Perspektive des Windes eine Geschichte entwickelt, in der die Winde auf spielerische Weise erklären, dass man die Menschen, wenn sie unbedingt dorthin wollen, vielleicht dorthin lassen sollte. Möglicherweise revanchieren sie sich ja.“

„Was uns der Wind erzählt“

Als das Team von makemake produktionen das Projekt eingereicht hat, war außerdem bereits klar, dass es auch ein Kinderbuch dazu geben sollte. Gemeinsam mit der Illustratorin Lili Mossbauer entstand das Buch „Was uns der Wind erzählt“, das im Achse Verlag erschienen ist.

Womit das Theaterkollektiv die Wiener Theaterlandschaft als nächstes aufwirbeln möchte? „Wir haben für den kommenden Frühling eine Produktion für alle ab 16 geplant, die auf dem Buch ‚Der Ursprung der Welt‘ von Liv Strömquist basieren wird. Wir haben vor, es als Mischung aus Konzert und Theaterstück auf die Bühne zu bringen“, so Anita Buchart. Mehr soll dazu aber noch nicht verraten werden. Was sich aber bereits sagen lässt: Da liegt etwas in der Luft, das garantiert Potenzial hat, viele Menschen mitzureißen.

Anita Buchart

Foto: Apollonia Theresa Bitzan

Zur Person: Anita Buchart

1987 in Wien geboren und wuchs in Salzburg auf. Sie studierte Theater- Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien. Nach ersten Berufserfahrungen in Sydney, Australien, beim Sydney Film Festival und Australian Film Festival, folgte der Sprung in die deutschsprachige Theaterpraxis als Regieassistentin. Unter anderem arbeitet sie am Schauspielhaus Wien, TAG und Theater Phönix Linz und den Sommerspielen Perchtoldsdorf. Von 2014 bis 2017 war sie als Regieassistentin am Landestheater Niederösterreich. Seit 2018 ist sie Dramaturgin im Kernteam von makemake produktionen. 

Zu den Spielterminen von „Wind“ im Dschungel Wien!