Vom Phantom gehasst. Vom Publikum geliebt.
Im Erfolgsmusical „Das Phantom der Oper“ bekommen sie die meisten Lacher: Thomas Sigwald und Rob Pelzer. Wie das geht, wie sie zueinanderfanden und was das für ihr weiteres Leben bedeutet: Das lesen Sie gleich hier!
Theater ist ein magischer Ort. Ein Magnet, Zuflucht, Zuhause. Ein Kosmos, in dem sich Kreative, Verrückte, Größenwahnsinnige, Liebende versammeln, um dann am Abend, wenn die Lichter angehen, nicht weniger zu wollen, als das Publikum aus dem Alltag zu entführen und am Ende die ganze Welt zu retten. Dass dafür die Egos ein wenig größer, aber auch empfindsamer sein müssen als anderswo, ist systemimmanent.
Wie man dieses einzigartige Soziotop in die Handlung eines der erfolgreichsten Musicals der Welt einarbeitet, hat Andrew Lloyd Webber mit „Das Phantom der Oper“ gezeigt. Denn die wunderschöne, dramatische Liebesgeschichte hat einen Nebenhandlungsstrang, der Abend für Abend für die meisten Lacher sorgt und von zwei Schauspielern/Sängern/ Musicaldarstellern getragen wird, die im „Phantom“ ausschließlich im Doppelpack auftreten: die beiden scheiternden Direktoren der Oper Monsieur André und Monsieur Firmin alias Rob Pelzer und Thomas Sigwald. Ersterer ist ein Musical-Vollprofi, Zweiterer (ist auch einer) spielte zuletzt im Publikumshit „Lasst uns die Welt vergessen“ an der Volksoper und ist demnächst als Professor Marvel im „Zauberer von Oz“ zu sehen. Begrüßt werden sie im Stück vom Phantom mit den Worten, die alles klarstellen: „Willkommen in meinem Haus.“ Erinnert das Thomas Sigwald möglicherweise an den einen oder anderen Direktor in Wien? „Diese terroristische Macht, die das Phantom ausübt, gibt es nicht, die könnte kein Bundestheater verwalten“, sagt er lachend.
Pelzer und Sigwald sind – und das zeigen die Reaktionen des Publikums – ein Glücksgriff. Die Chemie stimmt. Sie sind auch im Interview fast wie ein altes Ehepaar. Beginnt der eine einen Satz, steigt der andere am Ende des Gedankens ein und redet weiter, während der andere dazu schweigt, nickt und wieder übernimmt. Es ist, als hätten die beiden diese Doppelconférence jahrelang geübt. Anfang, Übernahme, Ende. Ist aber nicht so.
Sympathie auf den ersten Schmäh
„Wir haben uns erst in den Castings kennengelernt. Wir waren eines von mehreren Paaren, und während der Proben sind wir draufgekommen, dass wir in bestimmten Situationen vollkommen unterschiedlich reagieren – und das ist genau das, was von den Rollen verlangt wird“, sagt Rob Pelzer.
Sigwald: „Für mich war spannend, dass wir in einem Gerüst, das auf der ganzen Welt gespielt wird, auch etwas Eigenes entwickeln durften. Dass hier in Wien Dinge gezeigt werden, die es sonst nirgends gibt. Das macht stolz, weil ja jede Neuerung nach London geht und von Cameron Mackintosh und seinem Team freigegeben werden muss.“
Rob Pelzer nickt: „Es ist wie bei jeder Komödie: 80 Prozent der Sachen werden gestrichen, weil es der Geschichte nicht dient oder nicht so lustig ist, wie man glaubt. Aber Thomas und ich haben uns auf einem Komödienlevel gefunden, von dem wir glauben, dass es das braucht, was wir anzubieten haben.“
Wie fühlt es sich an, die meisten Lacher des Abends zu bekommen?
„Das ist das Brot des Komödianten“, sagt Thomas Sigwald. „Uns hat man nicht gesagt: Ihr seid die Lustigen. Aber wir wussten schon, dass wir für die Leichtigkeit sorgen sollen.“ Und Rob Pelzer ergänzt: „Die beiden Figuren scheitern auch so wunderbar, und das ist ja ein Pfeiler der Komödie.“
Zur Person: Rob Pelzer
Rob Pelzer hat es als gebürtiger Niederländer geschafft, in Linz als absoluter Publikumsliebling mit der Richard-Tauber-Medaille ausgezeichnet zu werden. Er hat den Deutschen Musical Theater Preis gewonnen und quer durch Europa (fast) alle großen Musicalrollen gespielt und natürlich gesungen. Er sagt: „‚Das Phantom‘ wurde für Wien neu aufgesetzt. Es ist also ganz neu und frisch. Dieser Prozess war für uns wie eine Bastelstunde, an deren Gelingen wir auch ein wenig unseren Anteil haben.“
Tatsächlich ist „Das Phantom der Oper“ nicht nur wegen seiner Hits, sondern auch wegen seiner Story ein Stück, das auch Musical-Verweigerer überzeugt.
Sigwald: „Es liefert eine musikalische, emotionale und auch komödiantische Reise – eine meiner ältesten Freundinnen, die eigentlich kein Musical-Fan ist, war am Ende der Vorstellung zu Tränen gerührt.“
Pelzer fährt fort: „Es gibt viele Reaktionen wie diese. Man darf nicht vergessen: Das Stück wurde völlig neu gedacht, Wien angepasst, und wir durften unseren kleinen Teil dazu beitragen. Dadurch ist es für das Publikum ein sehr frischer Abend, es ist wie ein neues Stück.“ Die beiden Schauspieler sind warmgespielt. Die Sätze fliegen hin und her.
Man traut sich, den beiden auch Fragen zu stellen, die man bei anderen eher vermeiden würde. Warum? Weil man ahnt, dass sie nichts persönlich nehmen, was auch nicht persönlich gemeint ist.
Es ist ja auch eine Art Bastelstunde, wenn man gemeinsam solche Rollen erarbeitet.
Rob Pelzer, Musicaldarsteller
Wie diese: Ist es ein Geschenk, in Ihrem Alter noch so eine Rolle zu bekommen?
„Ist es“,sagen beide. Gleichzeitig. „Es ist ein Geschenk, so eine Rolle mit so einem Partner zu bekommen“, ergänzt Sigwald.
„Es ist ein Glück – auch dass wir uns im Handwerk gefunden haben. Es ist ja auch eine Art Bastelstunde, wenn man gemeinsam solche Rollen erarbeitet“, sagt Pelzer und übergibt sofort wieder an Sigwald: „Natürlich ist die professionelle Basis wichtig, aber auch, dass man gleich tickt. Dass man nicht viel darüber reden muss und es gleich läuft. Wir wussten sehr schnell, was wir miteinander wollen, und das ist toll, das ist selten.“
Zur Person: Thomas Sigwald
ist Schauspieler, Sänger (lyrischer Tenor), Werbesprecher, Produzent und hat die letzten 20 Jahre an der Volksoper gesungen. Vor seiner Rolle als Monsieur Firmin war Sigwald Teil der Erfolgsproduktion „Lasst uns die Welt vergessen“. Er sagt: „Die Rolle ist ein Glücksfall, genauso wie mein Partner. Wir reden schon darüber, dass wir einmal ‚La Cage aux Folles‘ oder die ‚Sunny Boys‘ spielen sollten.“
Die Sache mit der Größe
1996 hat Sigwald den Jaquino in Beethovens „Fidelio“ gesungen – und zwar bei den Bregenzer Festspielen in der Inszenierung von David Pountney. Bedeutet, er kennt große, eindrucksvolle Bühnen. Aber ist das mit einer Musicalbühne vergleichbar?
„Ich gehe jeden Tag so gerne raus, weil das Licht so genial ist. Das ist Weltklasse. Das ist ein Filmlicht. Das erfreut immer wieder, und was mir so gefällt, ist, dass man das Bühnenbild vor allem aus einem Kubus gestaltet hat und den bewegt.“ Er macht eine Pause. Strahlt und sagt nur: „Einfach toll!“
Pelzer: „Das sehe ich genauso, und auch die Wechsel zwischen auf und hinter der Bühne – unglaublich groß und gewaltig. Als wir das erste Mal unser Büro auf der Bühne gesehen haben, da wussten wir: Da muss man nicht mehr viel machen. Es ist einfach schon alles da.“
Was kann Musical, was andere Genres nicht können? „Mehr Menschen für das Musiktheater begeistern“, sagt Sigwald.
Pelzer: „Auch da stimme ich zu. Das Musical erreicht ein sehr junges Publikum, und das ist nicht nur wichtig für uns, sondern auch für alle anderen Theater – vielleicht kommen ja Menschen bei uns auf den Geschmack, sich dann auch andere Genres anzusehen.“
Eine kleine Pause entsteht, und dann klopft Sigwald mit der flachen Hand auf den Tisch, grinst und sagt: „Ich gehe so gerne her – und ich bin eine Zeitlang nicht mehr so gerne ins Theater gegangen.“
Pelzer: „Ich auch. Ich liebe es, jeden Tag mit der U6 in die Arbeit zu fahren ...“