Was das französische Wort ensemble bedeutet, hat Tilman Tuppy, seit Januar Ensemblemitglied am Burgtheater, schon lange vor den ersten Aufführungen mit der Schultheatergruppe erfahren. Am Fußballplatz zum Beispiel. Oder als Chormitglied. „Ich war im Alter zwischen fünf und vierzehn zu 90 Prozent mit Fußball spielen, singen oder Cello üben beschäftigt. Es hatte auf jeden Fall immer etwas mit Spielen zu tun, aber auch mit Gemeinschaft – mit einem Abstimmen aufeinander“, erzählt der gebürtige Wiener, den wir im Kasino am Schwarzenbergplatz treffen. Die Probe für das Stück „Ode“, das in der Regie von András Dömötör am 26. Februar Premiere feiert, ist gerade vorbei. Tilman Tuppy holt sich noch schnell etwas zu essen und einen Eistee vom Supermarkt, bevor wir uns zum Gespräch auf die schwarz bezogenen Bänke im Zuschauer:innenbereich setzen.

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Tilman Tuppy über die Schönheit des Zusammenspiels
Tilman Tuppy kam über die klassische Musik zum Theater.

Foto: Simeon Jaax

Abgesehen vom regelmäßigen Pfeifen eines Bügeleisens in einem der Nebenräume ist es ganz still. Erst wenn der Anpfiff zur nächsten Probe ertönt, tut sich am Spielfeld, das bis auf vereinzelte Requisiten wie leer gefegt vor uns liegt, wieder etwas. Und zwar so richtig, wie Tilman Tuppy lachend betont. „Wir gehen sehr spielerisch und lustvoll an dieses Stück heran. Von Anfang an war sehr viel Vertrauen zwischen den beteiligten Personen da“, bringt er es auf den Punkt. Das Stück von Thomas Melle beschäftigt sich mit der Frage der Kunstfreiheit, liefert aber keine Antworten darauf, wie viel die Kunst darf, kann und soll. „Es geht darum, etwas anzuregen“, ist Tuppy überzeugt. „Im Idealfall entsteht vieles erst durch die Auseinandersetzung nach einer Aufführung – durch Diskussionen, bei denen die Meinungen mit Sicherheit auseinandergehen.“

Theater als Empathiemaschine

Theater als Empathiemaschine

„Am Ende Licht“ ist Lilja Rupprechts erste Regiearbeit am Burgtheater. Das von Simon Stephens geschriebene Stück beschäftigt sich mit den grundsätzlichen Fragen des Menschseins. Niemals verurteilend, sondern stets von einem Feuerwerk aus Hoffnungsfunken begleitet. Weiterlesen...

Zusammenspiel

Das Cello tauschte Tilman Tuppy nach etwa zehn Jahren gegen einen E-Bass – „ich habe es quasi in die Horizontale gedreht“. Mit seiner Band bespielte er unter anderem die kleinen Bühnen zwischen Lerchenfelder und Hernalser Gürtel. „Zum Theater bin ich schließlich über die Schule gekommen. Wir hatten eine freie Theatergruppe, mit der wir vor allem an griechischen Texten gearbeitet haben. Der Funke ist schnell übergesprungen, weil sich plötzlich alle Bühnenerfahrungen, die ich davor sammeln durfte, im Theaterspielen verschmolzen haben“, erinnert sich der Schauspieler. Die Idee des Zusammenspiels innerhalb einer Gemeinschaft zog sich schließlich auch ins Studium hinein. Durch die enge Zusammenarbeit innerhalb der einzelnen Jahrgänge am Max Reinhardt Seminar – und auch jahrgangsübergreifend – entsteht an der Schauspielschule bereits so etwas wie ein Ensemble und ein kleiner Theaterbetrieb. Aus Tilman Tuppys Jahrgang wurden auch Safira Robens und Lili Winderlich ans Burgtheater engagiert.

Ich möchte in einem Jahr von mir selbst sagen können, dass es richtig ist, dass ich hier bin."

Tilman Tuppy
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Auf die Frage, ob er Druck verspürt, sich als neues Ensemblemitglied innerhalb eines so großen Betriebs beweisen zu müssen, antwortet er folgendermaßen: „Ich möchte in einem Jahr von mir selbst sagen können, dass es richtig ist, dass ich hier bin. In ähnlicher Weise dachte ich mir das auch schon, als ich – für mich völlig überraschend – am Max Reinhardt Seminar genommen wurde. Ich möchte mir selbst sagen können, dass ich hier richtig bin, dass der Weg stimmt. Es ist also ein interessierter Zugang und kein verängstigter.“

Assoziationsfeuerwerk

In der Vorbereitung auf seine Rollen schlägt Tilman Tuppy immer wieder unterschiedliche Wege ein. Was jedoch immer gleich bleibt, ist, „dass ich mit dem Stück, der Geschichte und der Figur weitergehe, über die Proben hinaus – auf einen Spaziergang zum Beispiel.“ Wobei die Rolle, wie er nach einer kurzen Pause ergänzt, natürlich nicht immer präsent ist, sondern auch mal in den Hintergrund rückt. Meist mündet die Auseinandersetzung mit einer Figur in einem Assoziationsfeuerwerk, das vor sich hin lodert, bis es auf der Probe losgelassen wird.

„Aber zum Beispiel auch dann, wenn mir beim Streichen eines Butterbrots plötzlich etwas einfällt“, fügt der Schauspieler lachend hinzu. Ein weiterer gemeinsamer Nenner ist die Musik. Meistens setzt sich Tilman Tuppy schon am Heimweg nach der Probe die Kopfhörer auf und hört Songs zwischen Klassik und Beatles. Letztere bezeichnet er als seine „all-time favourite Band“. Die mehr als sechsstündige Doku „Get back“ hat er sich schon zur Hälfte reingezogen.

Tilman Tuppy über die Schönheit des Zusammenspiels
Tilman Tuppy als Zinnsoldat und Lili Winderlich als Papiertänzerin.

Foto: Marcella Ruiz Cruz

Das rettende Wunder

Vor „Ode“ und auch noch vor seinem fixen Engagement am Burgtheater feierte Tuppy mit dem Stück „Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin“, einem an Hans Christian Andersens Märchen vom standhaften Zinnsoldaten angelehntes Kinderstück, im Vestibül Premiere. Das Stück von Roland Schimmelpfennig tourte auch durch Wiener Schulen. Besonders gerne erinnert sich der Schauspieler an die Frage nach dem rettenden Wunder, das Papiertänzerin und Zinnsoldat am Ende dringend brauchen. „Es gab immer wieder Kinder, die sich gemeldet haben und von ihren Wundern erzählt haben. Aber auch all die kritischen Fragen und genauen Beobachtungen waren immer sehr schön.“

Solch offene Reaktionen auf das Bühnengeschehen erlebt er hin und wieder aber auch bei Erwachsenen. „Es ist einer Frage des Übereinkommens im Publikum, ob man es sich selbst erlaubt zu reagieren und seinen Emotionen Raum zu geben“, erklärt er seine Beobachtungen. In gewisser Weise also auch wieder ein Zusammenspiel innerhalb einer Gemeinschaft. Oder um es mit den Beatles zu sagen: „Well, shake it up, baby, now (shake it up, baby). Twist and shout (twist and shout).”

Zur Person: Tilman Tuppy

Tilman Tuppy, geboren 1995 in Wien, begann seine künstlerische Laufbahn bei den Wiener Sängerknaben. Nach dem Vorbereitungslehrgang Violoncello an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien absolvierte er seine Schauspielausbildung am Max Reinhardt Seminar. Im Burgtheater ist er seit der Spielzeit 2019/20 im Akademietheater in Maria Lazars „Der Henker" und im Vestibül in Roland Schimmelpfennigs „Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin" zu sehen. Seit Jänner 2022 gehört Tilman Tuppy zum Ensemble des Wiener Burgtheaters.

Zu den Spielterminen von „Ode" im Kasino am Schwarzenbergplatz