Theatermagier, Idealist, Unternehmer
Vor 100 Jahren eröffnete Max Reinhardt das neu gestaltete Theater in der Josefstadt. Er prägte das 1788 gegründete Haus nicht nur äußerlich, sondern auch in seiner Philosophie. Bis heute ein Markenzeichen: der Ensemblegeist.
Festliche Premiere. „Die Wiedereröffnung des Theaters am 1. April 1924, das unter der neuen Bezeichnung ‚Die Schauspieler im Theater in der Josefstadt unter Führung von Max Reinhardt‘ firmierte, geriet zum gesellschaftlichen und medialen Großereignis: Im Hause jene Schar Auserwählter, die eingeladen waren, ein Publikum, das man unter ‚ganz Wien‘ zusammenfasst, fast jede Person eine Persönlichkeit, die Automobilauffahrt vor dem Haus eine Sehenswürdigkeit, Hunderte von Schaulustigen, die sich angestellt hatten, um die Auserwählten zu sehen.“ So beschrieb das „Neue Wiener Tagblatt“ das Spektakel, zu dem Prominente aus Politik, Wirtschaft, Industrie, Finanzwelt und Kultur sowie die gesamte Presse geladen waren.
Sogar der damalige Bundespräsident Michael Hainisch wohnte der Eröffnungsvorstellung – Carlo Goldonis „Der Diener zweier Herren“ – bei. Max Reinhardt war zu diesem Zeitpunkt bereits ein Superstar des Theaters. „Nach Vertragsabschluss mit der Josefstadt war Reinhardts dringlichstes Anliegen vorerst deren Renovierung. Ein Märzen, der geheimnisumwitterte Camillo Castiglioni, finanzierte die ehrgeizigen Umbaupläne im Stil des Teatro La Fenice in Venedig. Als Architekt wurde Carl Witzmann engagiert. Das Theater blieb vom 20. Juni 1923 bis 31. März 1924 für den gründlichsten Umbau seit seiner Errichtung geschlossen," schrieb Christina Huemer-Strobele 2013 im Buch „Das Theater in der Josefstadt – Legendäre Geschichten und unvergessliche Stars". Das Haus wurde nach den Wünschen von Max Reinhardt mit einem Kostenaufwand von 1,5 Millionen Franken renoviert, bezahlt vom aus Triest stammenden Bankier Castiglioni, der sich so auch als Kulturmäzen ein Denkmal setzen wollte.
Wohnlicher Patriziersalon
Anton Bauer und Gustav Kropatschek halten dazu in ihrem historischen Abriss „200 Jahre Theater in der Josefstadt 1788–1988“ fest: „Beim Zuschauerraum konnte sich der Architekt im wesentlichen darauf beschränken, das Vorhandene durch geschmackvolle Instandsetzung zu erhalten und das notwendig neu Hinzukommende – wie Stühle, Logen, Bespannung – stilvoll anzupassen. Eine Sensation bildete der große Luster aus Muranoglas, von J. & L. Lobmeyr ausgeführt, der, in der Höhe der ersten Galerie hängend, zu Beginn des Spieles unter langsamem Verlöschen des Lichtes sechs Meter zur Decke schwebt. Von Grund auf neu gestaltet wurde der gesamte Raum, der zwischen dem Eingang in der Josefstädter Straße und dem Zuschauerraum lag – also Kassen, Garderoben und Foyer.“
Zahlreiches Interieur hat Reinhardt gemeinsam mit seiner Partnerin Helene Thimig selbst gekauft, vieles davon in Venedig, und so kam er seiner Vorstellung, „einen vornehmen, warmen, man möchte fast sagen wohnlichen Patriziersalon, in dem Theater gespielt wird“ zu schaffen, recht nahe. Auch die Sträußelsäle wurden im Zuge der Umbauten zu neuem, elegantem Leben erweckt, so wie wir sie heute noch kennen.
Liebe zu Schauspielern
„Das Gelingen aller Theaterprogramme hängt meiner Ansicht nach in erster Linie von den Schauspielern ab. Als das wichtigste Ziel eines künstlerischen Theaters darf wohl die Pflege des Ensemblespiels betrachtet werden, das Bestreben, Schauspieler nicht bloß vorübergehend als Gäste in ein Ensemble zu stellen, sondern ein Ensemble zu bilden und zu erhalten. Und das ist wiederum das Wundervolle an Wien. Wien erkennt den Schauspieler wie keine zweite Stadt“, zitieren Bauer und Kropatschek in ihrem Buch Max Reinhardt. Auch dies ein Vermächtnis, welches das Theater in der Josefstadt bis heute prägt. Direktor Herbert Föttinger meinte dazu in einem Interview mit den „Salzburger Nachrichten“: „Ich denke, dass die Josefstadt das Paradebeispiel dafür ist, dass ein Theater, das durch und über seine Schauspieler*innen funktioniert, auch erfolgreich ist. Ich versuche seit meinem Amtsantritt, den Ensemblegeist an diesem Theater zu pflegen und damit auch das Publikum an das Ensemble zu binden. Und unsere Auslastung gibt diesem Zugang recht.“
Und auf die Frage, wofür Max Reinhardt noch heute als Vorbild herhalten könnte: „Er hat sehr viele zeitgenössische Autoren mit Stückaufträgen versorgt; die Schauspieler*innen geliebt, aber auch gefordert. Er hat die Kammerspiele zu einem Haus des anspruchsvollen Schauspiels gemacht, das ist auch mein Weg.“ Das Mäzenatentum Camillo Castiglionis sieht er kritisch. „Wünschen würde ich mir natürlich, Theater zu machen ohne finanziellen Druck. Um die Kunst aber wirklich frei sein zu lassen, darf man sich nicht in die Abhängigkeit eines Geldgebers begeben.“