Der Klang des Glases
Benjamin Franklin entwickelte sie. Der Virtuosen Johann Ludwig Röllig erhob sie zum Star in seinem Libretto „Philon und Theone“. Georg Anton Benda vertonte es 1779. Nun ist die Glasharmonika bei der Welturaufführung beim Teatro Barocco zu hören.
Benjamin Franklin hat etwas erfunden, dass in diesem Sommer oft zum Einsatz kommt: den Blitzableiter. Aber nicht nur. Damals US-Präsident, aber auch Naturwissenschaftler, Erfinder und Mitglied der St. John's Freimaurerloge hörte Franklin einst in London ein Konzert von Edmund Delaval auf den sogenannten Musical Glasses, Vorgänger der Glasharmonika. Daraufhin erfand er die Glasharmonika. Er schob zirka 30 Glasglocken unterschiedlicher Größe ineinander und fädelte sie auf einer Spindel auf. Damit sie sich drehten und ein Ton entstand, musste man ein Pedal treten und die Glockenränder mit feuchten Fingerspitzen berühren. Genau das macht Bruno Kliegl. Als einer von wenigen in Europa, wahrscheinlich weltweit. Seit 1996 tritt er als Glasinstrumentalist auf.
Glasharmonika bei Teatro Barocco
„Als ich angefangen habe, war ich 30 Jahre alt. Ich hatte Musikwissenschaft, Philosophie und Germanistik an der Universität Augsburg studiert und geriet an einen Menschen, der Glasinstrumente baut und nach jemanden suchte, der so etwas spielen will", erzählt Kliegl. Den Klang, den er auf der Glasharmonika erzeugt hat, hat er auf Band aufgenommen und nach Österreich geschickt. Zu hören ist die Aufnahme in der Oper „Philon und Theone", mit dem das Teatro Barocco in der Burg Perchtoldsdorf seinen ersten Runden feiert.
„Wir versetzen Sie zurück in Mozarts Epoche! Erleben Sie 2021 die Welturaufführung eines vor 242 Jahren komponierten Musiktheaterwerks“ heißt es über das Jubiläumsprogramm. Die Schauspieler tragen Kostüme nach Modellen des 18. Jahrhunderts. Das Orchester spielt auf historischen Instrumenten. Bayreuth-Dirigent Christoph U. Meier leitet das Ensemble und spielt auch auf dem Hammerklavier. Alles „detailverliebte Menschen“, die er schätzt, sagt Kliegl.
Zerbrechliches Instrument mit tragender Rolle
Das Melodram „Philon und Theone“ von Georg Anton Benda dreht sich um einen Mann, der seine Geliebte in einem Sturm verloren hat und den seine Suche bis an den Eingang des Totenreichs bringt. Schon wieder Gewitter also und wieder bringt Franklin die rettende Innovation. Denn: „Für Philon ist das Instrument ein Glück", sagt Kliegl. Als der Protagonist, sein hölzernes Schatzkistchen, das er „Gespielin“ nennt, nämlich findet, schöpft er auch Hoffnung, dass Theone in Sicherheit ist. „Auch Theonen werde ich wiederfinden. Sie ist hier im Schutz der Götter. Tönt ihr Harmonien!“, ruft er und öffnet die Schatzkiste.
Es sei ein ganz zerbrechliches Gerät und im Stück ein Hinweisgeber, erläutert Kliegl: „Wenn dem Automaten nichts passiert, dann hat die verschwundene Theone überlebt, denkt der Philon. Solange es klingt, muss es ihr gut gehen." Dass dem Instrument so eine tragende Rolle zukommt, liegt wahrscheinlich am Librettisten Johann Ludwig Röllig. Er galt selbst als Virtuose auf der Glasharmonika, die in allen Konzertsälen Europas euphorisch gefeiert wurde.
Berührender Klang
Das 18. Jahrhundert ist die Zeit der Empfindsamkeit. Der berührende Klang der Glasharmonika kommt bei Komponisten und Dichtern gut an. Wie passt es in die heutige Zeit? Was lehrt es uns? – „Nach einem Konzert ist ein Paar zu mir gekommen", erinnert sich Kliegl zurück, „er hat gesagt, es hat ihm die Luft abgeschnürt und sie meinte, sie ist im siebten Himmel. Ich dachte, das ist ja noch nicht einmal ein Widerspruch." Es wirke nämlich immer anders, findet Kliegl. Das hänge vom Hörer ab, mehr als vom Spieler. „Entweder Erdung oder Öffnung nach Oben. Alles was klingt, fängt in uns an zu klingen", meint der Musiker. Und zitiert dann Ernst Bloch: „Wir hören nur uns selber".
Bis 1850 war die Glasharmonika ein ausgesprochenes Modeinstrument, aber auch damals waren die Reaktionen zwiespältig. Psychiater und Magnetiseur etwa Franz Anton Messner benutzten die Glasharmonika zur therapeutischen Hypnose. Andere ließen sie polizeilich verbieten, weil sie überzeugt waren, dass ihr Klang Hirnschäden verursachte. Wieder andere ließen sich von ihrem Klang einfach bezaubern. So wie das Publikum in der Burg Perchtoldsdorf.
Der Jubiläumsprogramm des Teatro Barocco läuft bis 22. August im Neuen Burgsaal in Perchtoldsdorf. Am 1. September findet die Aufführung im Schlosstheater Schönbrunn statt.
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Eine Welturaufführung beim Teatro Barocco in Perchtoldsdorf
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