Noten werden zu Kostümen
Silke Willrett macht die Kostüme für „Il trittico“. Woher kommen ihre Ideen? Wie nähert sie sich einem Stück, und warum müssen rote Schuhe manchmal einfach weg?
Regisseur*in und Kostümbildner*in-nen sind zuerst Zweckgemeinschaften. Wann wird daraus Liebe?
Ohne Liebe kann kein Theater entstehen. (Lächelt.) Wenn keine Grundsympathie vorhanden ist, fängt man normalerweise auch kein gemeinsames Projekt an. Es muss schon ein gemeinsamer Nährboden, eine gemeinsame Theatersprache vorhanden sein, sonst kann keine Kommunikation stattfinden. Liebe wird manchmal daraus, aber nicht immer – eine gewisse Distanz ist auch manchmal gesund und hilfreich. Aber natürlich, wenn man schon so lange Zeit wie wir miteinander arbeitet, so viel gereist und durch dick und dünn gegangen ist, dann fühlt man sich schon manchmal wie ein altes Ehepaar (lacht) und liebt sich natürlich!
Wie geht für Sie das perfekte Arbeitsumfeld?
Das perfekte Arbeitsumfeld besteht aus Vertrauen, Respekt füreinander, Arbeit und jeder Menge Humor. Ich muss mich frei fühlen können, um jeden Gedanken, jede Idee frei aussprechen zu können. Empathie für die Bedürfnisse und Bedenken des anderen gehört ebenso dazu. Das betrifft meine Arbeit im Team, aber auch in den Werkstätten und im Probenprozess mit den Sängerinnen und Sängern. Die verschiedenen Blickwinkel, die jeder mitbringt, sollten zu einer Bereicherung führen und sich nicht gegenseitig blockieren. Die Entstehung eines Theaterabends ist ein vielstimmiger Prozess.
Mit welcher Ästhetik dürfen wir bei „Il trittico“ rechnen?
Wir haben drei wunderbare Stücke, die wir verschieden in der Ästhetik zeigen werden. Es gibt trotzdem Gemeinsamkeiten oder Parallelen, inhaltlich wie auch optisch.
Es sind drei sehr unterschiedliche Teile – wie sehr erschwert das die Arbeit an einer einheitlichen Optik?
Wir haben natürlich nach einem Rahmen geschaut. Seltsamerweise hat die Verschiedenartigkeit der Stücke keine Hürde beim Erarbeiten dargestellt. Vielleicht liegt es doch an einer allen drei Stücken gemeinsamen inhaltlichen Grundproblematik der Werke, die tief menschlich ist.
Mir ist wichtig, den Personen, den Beziehungen und Konflikten des Stoffes auf den Grund zu gehen.
Silke Willrett, Kostümbildnerin
Ist es leichter für Sie, Kostüme zu erfinden, wenn die Musik so hitverdächtig ist wie die von Puccini?
Ja und nein! Puccinis Werke sind absolut fantastisch und zeigen eine Welt auf, die einen sofort mitnimmt und inspiriert. Trotzdem ist es natürlich auch ein Kampf mit Sehgewohnheiten und Erwartungen aus der Rezeptionsgeschichte. Da hat man sofort Bilder und Szenen im Kopf, bevor man sich wirklich im Detail mit den Figuren auseinandergesetzt hat. Das muss man erst mal alles beiseiteschieben und versuchen, sich völlig unvoreingenommen dem Stück zu nähern. Das ist bei unbekannten Werken oder Neukompositionen natürlich einfacher. Da forscht man ab der ersten Sekunde. Aber beides ist spannend! Jedes Mal ein Neustart!
Wie lange braucht es, bis aus Ideen Moodboards werden?
Das ist ein fließender Prozess. Ich lese, höre, erinnere mich an Filme, Malerei, Situationen, wir reden im Team, jeder trägt was bei. Wir bereichern uns gegenseitig. Irgendwann entsteht ein Gefühl dafür. Das kann ein konkretes Bild sein, eine Stimmung, egal was … Das ist ein Prozess über Wochen und Monate, zeitlich schwer zu planen (lacht) und in sehr enger Zusammenarbeit mit der Regisseurin, dem Regisseur.
Wie oft hören Sie sich eine Oper an, bis aus den Melodien Kostüme werden?
Das ist ganz unterschiedlich. Das erste Hören und Mitlesen im Klavierauszug ist die Basis, auf der ich erst mal ein Szenarium mache, um die Struktur des Werkes zu erfassen. Ganz praktisch: Wer tritt als was wann auf, in welchem Raum, wo sind Zeitsprünge, wo ist Chor dabei usw.? Oft hören wir Teile daraus gemeinsam im Team, bis zur Premiere. Herausfordernd ist natürlich eine Vorbereitung ohne Musik, was man manchmal bei Wiederentdeckungen oder Neukompositionen hat.
Puccinis „Il trittico“: Drei Opern zum Preis von einer
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Sie haben bei Jürgen Rose studiert – gibt es einen Satz, den er Ihnen mitgegeben hat, an den Sie sich noch heute erinnern?
Oh ja, viele! Direkt nach dem Studium hatte ich viele Sätze im Ohr. Mittlerweile ist es eher so ein Grundgefühl. Er hat einen gelehrt, groß zu denken, für Visionen zu brennen und zu begeistern, die Menschen in den Werkstätten und auf der Bühne mitzunehmen. Und demütig zu sein. Aus dem Spagat zwischen der manchmal einschränkenden Realität wie Zeit, Etat, Tragbarkeit usw. gestärkt mit Lösungen herauszugehen. Und dass man im Theater einander braucht. Nur gemeinsam kann man den Theatergeist wecken! Ein typischer Satz vielleicht – wenn, zum Beispiel, ein roter Schuh zu dominant erscheint und sich alles nur noch darum dreht und man auch visuell gar nicht mehr woanders hinschauen kann, war seine Antwort immer: „Nimm den roten Schuh weg! Das Stück heißt doch nicht ‚Der rote Schuh‘!“ Oder dieser Satz: In der Oper gibt es fast immer zwei Fußballmannschaften, die soll man erst mal herausfinden im Stück!
Jürgen Rose ist es wichtig, dass jede*r Studierende seine eigene künstlerische Identität entdeckt. Welche ist – wenn Sie Ihre Werke von außen betrachten – die Ihre?
Das ist schwer für mich zu beantworten, da müssen Sie lieber andere fragen. Mir ist wichtig, den Personen, den Beziehungen und Konflikten des Stoffes auf den Grund zu gehen. Das Herausschälen der Schichten des Stückes. Wenn ich das inhaltlich und dramaturgisch greifen kann, dann entstehen die Kostüme. Farbpaletten und Silhouetten sind wichtig. Und der Umgang der Darsteller mit den Kostümen, die enge Zusammenarbeit mit der Regie! Dabei interessiert mich sehr, welcher Schnitt und welches Material zum bestmöglichen Ausdruck führt. In welcher Zeit siedeln wir es an? Und wie wird der Raum? Benötigt er Ruhe oder Farben, Muster …? Die Kostüme sollten uns heute in unserer Realität abholen, aber nicht dem Vorabendprogramm des Fernsehens gleichen. Sie müssen auch abheben und fliegen können! Geträumte Realität ist vielleicht eine treffende Bezeichnung.
Hier geht es zu den Spielterminen von Il trittico!
Il trittico von Giacomo Puccini
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