Katharina Gorgi: Der Erfolg der Allgemeingültigkeit
Wie erarbeitet man eine Rolle, zu der alle Fans eine Meinung haben? Katharina Gorgi spielt Isabella, Falcos große Liebe, im Erfolgsmusical. Ein Treffen mit einem Musicalstar, der Sologeige studiert hat.
Saalpläne lügen nicht. Das Falco-Musical ist ein Hit. Das sagt nicht die PR-Abteilung, sondern das Internet. „Restkarten“ steht da bei den meisten Terminen im Februar von „Rock Me Amadeus – Das Falco-Musical“. Sechsmal die Woche wird dem Kommissar gehuldigt. Meist ausverkauft. Dafür gibt es vier Hauptgründe:
✤ Die Hits des Falken, die die Kassettenrekorder- mit der Streaming-Generation verbinden.
✤ Ein Bühnenbild, auf das sogar die Staatsoper neidisch sein kann.
✤ Eine schlau erzählte Geschichte, die aus dem von Tragik, Drogen und dem Suchen nach Liebe geprägten Leben des Weltstars Hans Hölzel ein allgemeingültiges Popmärchen macht. Ein Plot, dem das Zauberkunststück gelingt, trotz des bekannt unerfreulichen Falco-Finales in der Dominikanischen Republik das Publikum hoffnungsvoll nach Hause zu entlassen.
✤ Ein hochsympathischer Cast, der eine geglückte Mischung aus Musical-Routiniers (wie Andreas Lichtenberger und Alex Melcher) und neuen Gesichtern (Moritz Mausser, Simon Stockinger u. a.) präsentiert.
Und da gibt es noch eine, die beides und viel mehr ist: Katharina Gorgi. Laut Jury des Österreichischen Musiktheaterpreises ist sie die beste Newcomerin 2023.
Hochverdient, aber nicht ganz richtig. Denn ihre erste Premiere feierte Gorgi bereits vor zwanzig Jahren an der Volksoper – da war sie zehn Jahre alt. Jetzt, mit 29, spielt und singt Gorgi die Rolle von Falcos Frau Isabella.
Wir treffen Katharina Gorgi in der Kantine des Ronachers – sie liegt hoch über den Dächern des ersten Wiener Bezirks. Es ist ruhig. Sie ist ein bisschen verschnupft. Wir auch. Aber im Gegensatz zu uns wird sie ein paar Stunden später wieder auf der Bühne stehen. „Es kann sein, dass man müde ist. Aber wenn die Show losgeht, dann schalte ich um, gehe raus und bin ganz in meiner Rolle Das ist die Magie meines Jobs“, sagt sie und rührt in ihrem Tee.
„Bei Katharina hat man das Talent schon im Kindesalter gesehen. Mir war klar: Das kann etwas ganz Großes werden“, hat uns Brigitte Lehr, legendäre Leiterin des Kinder- und Jugendchors der Volksoper, in Vorbereitung des Gesprächs erzählt.
„Brigitte hat mir gesagt, dass ich beim ersten Casting für die Trapp-Kinder so viel herumgeblödelt habe, dass mich der Regisseur fast nicht nehmen wollte, aber Brigitte hat sich sehr für mich eingesetzt“, berichtet Katharina Gorgi und lächelt. Sie ist zehn Jahre alt, als sie die Brigitta von Trapp in „The Sound of Music“ singt.
Es war großartig, dass wir beim Erarbeiten der Rolle Menschen fragen konnten, die Falco kannten.
Katharina Gorgi, Musical-Darstellerin
Sechs Jahre davor begann sie Geige zu spielen. „Zwei meiner älteren Geschwister spielten schon Geige, also wollte ich das auch.“ Später ist sie am Weg zur Sologeigerin. „Aber ich habe beschlossen, dass ich für dieses Acht-Stunden-am-Tag-allein-Üben nicht geschaffen bin. Es ist sehr einsam. Ich habe Konzerte gespielt und mir danach gedacht: Jetzt muss du noch eine Übungseinheit anhängen – es war ein verrückter Ehrgeiz. Beim Singen ist das anders: Nach einer Vorstellung mache ich mir auch meine Gedanken, aber es ist nie so, wie es bei der Geige war.“ In der Volksopern-Erfolgsproduktion „Roxy und ihr Wunderteam“ packte sie dann auf der Bühne die Geige aus und spielte. Ihr Regisseur damals ist auch jener von „Falco“: Andreas Gergen.
Erfolge mit „Mamma Mia!“
Zu dem Zeitpunkt, 2021, hat Gorgi bereits die Tourneefeuertaufe hinter sich: Als Sophie in „Mamma Mia!“ tourt sie durch Europa, spielt monatelang im ausverkauften Theater des Westens in Berlin. „Tournee ist ein Dorf auf Reisen, nur die Aussicht ändert sich“, sagt Gorgi. „Wir hatten das Glück, dass wir relativ lange in jeder Stadt gespielt haben. Wir waren immer dasselbe Team, nur das Publikum war immer anders. Besonderen Spaß hatten wir in Köln.“
Gorgi spielt u. a. in „I am from Austria“, „Jesus Christ Superstar“. Irgendwann dazwischen macht sie eine mehrmonatige Ausbildung in New York. „Es war bereichernd, ich habe viel gelernt, habe viele großartige Shows gesehen, aber auch erkannt: Es wird auch in New York nur mit Wasser gekocht …“ Hier im Jetzt ist sie bei „Falco“ Teil einer Produktion, die aufgrund ihres Erfolges Potenzial hätte, in die Verlängerung zu gehen – und an der auch internationales Interesse besteht.
Alle glauben, Falco zu kennen
Wer sich in Wien an den Falco-Mythos herantastet, muss mit vielen Fallstricken rechnen – mit zu vielen Menschen hat Hans Hölzel gearbeitet, gefeiert und Affären gehabt. Und alle eint der Glaube um ihr Insiderwissen.
Autor Christian Struppeck und Regisseur Andreas Gergen haben diese Fallen umschifft und jede greifbare Falco-Instanz als Berater*in mit ins Boot geholt. Gorgi: „Ich war vier Jahre alt, als Falco starb, ich kannte seine Musik, aber nicht sein Leben. Es war großartig, dass wir beim Erarbeiten der Rollen Menschen wie Markus Spiegel, der Falco entdeckt hatte, fragen konnten, wie es damals war.“ Der zweite kluge Schachzug: „Es ist Absicht, dass Isabella keinen Nachnamen hat. Christian Struppeck wollte nicht genau die Lebensgeschichte von ihr erzählen, sondern generell von Beziehungen, die Falco geführt hat, und wie schwer er sich dabei tat.“
Gorgi nippt an ihrem Tee. „Die Beziehung zu seiner Mutter, sein Hang zum Rotlicht. Dieser Glaube, dass alles käuflich sein muss, damit er es bekommt. Dieses Nicht-Schaffen einer stabilen Beziehung, sein Alkoholkonsum. Dann auf der anderen Seite diese überbordende Liebe. Das hat mich alles sehr beschäftigt, und es war gut, mit Menschen zu sprechen, die ihm nahe waren.“
Das Musical hat den Nerv des Publikums getroffen. Die Vorstellungen sind voll. „Ich freu mich auf heute Abend“, sagt Gorgi. „Es macht mir unglaublich Spaß, jeden Tag aufs Neue in die Rolle der Isabella einzutauchen. Bei der letzten Nummer des Musicals sind wir jeden Abend tief berührt.“ So wie das Publikum.
Muss man erst einmal hinbekommen, bei einem öffentlichen Lebensfinale, das ohnehin (fast) jeder kennt.