Hätte eigentlich eine Komödie werden sollen: Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig
Zwischen Muppet Show und Selbstanalyse, zwischen Fassungslosigkeit und skurriler Überzeichnung: In diesen Zwischenräumen findet Aslı Kışlals und Anna Schobers neues Stück „Nach der Wahl sind nicht mehr so lustig“ statt. Bis 21. Februar ist die Inszenierung der „Minihorror“-Truppe noch im Kosmos Theater zu sehen.
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Foto: Bettina Frenzel
„Ich will den Trash und den Anarchismus, mit denen ich angefangen habe, zu inszenieren, wieder aus mir herauskitzeln“, sagte Regisseurin Aslı Kışlal im vergangenen Jahr in einem Interview. Als wir sie darauf ansprechen, lacht die Theatermacherin und Mitbegründerin des diverCITYLAB. „Ich habe in letzter Zeit viel an deutschen Staatstheatern gearbeitet. Ich bin also aus der freien Szene in Österreich in eine Maschinerie hineingeraten, in der so lange an Ecken und Kanten gefeilt wird, bis es ein Abend wird, bei dem alles rund läuft. Irgendwann meinte mein Mann dann zu mir, dass ich als Regisseurin brav geworden sei. Das hat mir so einen Stich gegeben, dass ich das unbedingt sofort ändern wollte.“
Das Ergebnis dieser Kehrtwende und Rückbesinnung (im allerbesten Sinne) war das Stück „Minihorror“, das 2024 zwei NESTROY-Nominierungen abstaubte. „Das war ein Befreiungsschlag“, sind sich Aslı Kışlal und die Dramaturgin und Autorin Anna Schober einig. Wir sitzen im Besprechungsraum des Kosmos Theaters kurz vor der zweiten Hauptprobe jener Arbeit, die nun auf „Minihorror“ folgt. „Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig“ heißt das Stück, das Kışlal mit der „Minihorror“-Truppe erarbeitet hat. Eine wichtige Rolle spielt aber auch der Untertitel: „Eigentlich hätte es eine Komödie werden sollen.“
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Foto: Bettina Frenzel
Muppet Show trifft Therapiesitzung
Gleichzeitig möchten sich die Regisseurin und ihr Team das Lachen keinesfalls nehmen lassen. Auch nicht in einer Zeit, in der zunehmend Rechtspopulisten an die Macht kommen und rechtextremistische Stimmen immer lauter werden.
Der Abend gliedert sich in zwei Teile, erklärt die Regisseurin. Im ersten Teil treffen sich vier vermeintliche Helden der europäischen Zeitgeschichte an einem geheimen Ort, um sich gegenseitig in ihren faschistischen Ansichten zu überbieten. Robinson Crusoe ist ebenso darunter wie Pippi Langstrumpfs Vater Efraim Langstrumpf, Old Shatterhand oder Tim von „Tim und Struppi“. „Der erste Teil erinnert ein bisschen an die Muppet Show“, hält Aslı Kışlal fest. „Und endet mit einer Schlacht der faschistischen Aussagen.“
Der zweite Teil ist eine Auseinandersetzung mit der eigenen Situation. Selbstironisch und überspitzt werden unter anderem folgende Fragen verhandelt: Wovor haben wir eigentlich Angst? Was verlieren wir eigentlich gerade? Wo befinden sich unsere eigenen blinden Flecken?
Diese Fragen hätten sie während der gesamten Probenzeit umgetrieben, erklären Aslı Kışlal und Anna Schober. „Wir hatten das Gefühl, dass wir so etwas wie eine Therapie brauchen, nachdem wir uns durch diese ganzen rechten Aussagen gewühlt haben.“
Der Grundton des zweiten Teiles ist vom Gefühl der Irritation bestimmt. „Die Dinge, die uns früher Halt gegeben haben, verrutschen. Man bewegt sich zunehmend auf unsicherem Boden. Ein Beispiel: Früher war man links, wenn man gegen das System gekämpft hat, heute sind wir links, wenn wir versuchen, das System vehement zu verteidigen“, so die Regisseurin über den Ursprung der Irritation.
Auch Lethargie, Ohnmacht und Fassungslosigkeit als Reaktionen auf eine zunehmend wankende Welt werden im Stück thematisiert. Dieser stellen Kışlal und ihr Team allerdings skurrile Überzeichnung und die für die Truppe typische Verspieltheit entgegen. „Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig“ ist ein ständiges Oszillieren zwischen diesen beiden Zuständen.
„Natürlich ist uns bewusst, dass wir uns in einem feministischen Theater im siebten Bezirk befinden und sich im Publikum eigentlich alle einig sind. Vielleicht kann diese Auseinandersetzung aber dennoch hilfreich sein – gerade, wenn es um das gerade beschriebene Ohnmachtsgefühl geht“, so Kışlal.
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Foto: Bettina Frenzel
Sind wir doch wieder lustig?
Der Ausgangspunkt für das Stück sei jedoch ein etwas anderer gewesen, fügt Anna Schober hinzu. „Ich habe meine Tochter einige jener Kinderbücher vorgelesen, mit denen ich aufgewachsen bin. Dabei habe ich gemerkt, wie eurozentristisch das Weltbild eigentlich ist, das in diesen Büchern vermittelt wird. Daraufhin begann ich, mir vorzustellen, inwiefern die Menschen, die jetzt an der Macht sind, möglicherweise von der in den Büchern vermittelten Weltsicht beeinflusst wurden.“
Danach folgte eine lange Phase des Sammelns von Zitaten, die bis zum Premierentag andauerte. „Ich bin da total hineingekippt“, sagt Anna Schober lachend. „Es war wichtig, dass irgendwann der Punkt kam, an dem wir ein bisschen auf Distanz gegangen sind.“
Trotzdem sind bis zum Premierentag – an dem die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP platzten – immer wieder neue politische Entwicklungen in die Fassung miteingeflossen. Und Anna Schober und Aslı Kışlal schließen auch nicht aus, dass das im Laufe der Vorstellungen auch noch weiterhin passieren wird. Dass das Theater jene Kunstform ist, die unmittelbar und im Moment stattfindet, wurde erst selten auf solch klare Weise deutlich. „Sind wir doch wieder lustig? Noch nicht ganz. Ganz und gar nicht“, hieß es deshalb am Tag der Premiere im Kosmos Theater.
Theaterfamilie
Wenn Aslı Kışlal über ihr Ensemble und Team spricht, leuchten ihre Augen. „Wir haben eine gemeinsame Sprache gefunden – einen gemeinsamen Humor und ein gemeinsames Anliegen. Wenn es so etwas wie eine Theaterfamilie gibt, dann ist das definitiv eine solche. Für mich als Regisseurin ist es ein Genuss, mit dieser Gruppe zu arbeiten, weil es einfach sprudelt. Ich habe das Gefühl, das alles nur sortieren zu müssen.“ Sie lacht und blickt zu ihrer Kollegin Anna Schober, die daraufhin einwirft: „Wobei man sagen muss, dass Aslı einfach eine Regisseurin ist, die von ihren Spieler*innen geliebt wird. Weil sie die Menschen bei der Arbeit so furchtbar ernst nimmt und dadurch Sachen aus ihnen rausholt, die, glaube ich, anders nicht zu kriegen sind.“
Ob und in welcher Form sie mit diesem Ensemble weiterarbeiten kann, hängt auch davon ab, wie es (kultur-)politisch in Österreich weitergeht. „Heute ist nicht aller Tage, ich komm wieder, keine Frage“, verkündete Herbert Kickl am 12. Februar. Und schon wieder stellt es sich ein – dieses beklemmende Ohnmachtsgefühl. Sollte seine Drohung tatsächlich wahr werden, wird es nicht einfach wegzulachen sein. Bleibt zu hoffen, dass Aslı Kışlal und das diverCITYLAB uns auch weiterhin dabei helfen werden.