Man will ja vorbereitet sein. Und wie bereitet man sich auf „Miranda im Spiegelland“ vor? In dem Stück geht es um – eh klar – Miranda, ein verwöhntes Kind, das eines Tages einen Spiegel geschenkt bekommt und nichts anderes mehr tut, als sich darin zu bewundern. Ihre beste Freundin wird aus dem Spiegelbild gestoßen – als aber eines Tages statt ihrer Reflexion ein Bub aus dem Spiegel schaut, muss Miranda ins Spiegelland (in dem alles verkehrt herum läuft), um ihr Spiegel-Ich zu suchen.

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Die schriftliche Vorbereitung auf das Gespräch mit Regisseurin Nicole Claudia Weber und Miranda-Darstellerin Charlotte Zorell endete in Fragen, die so begannen: „In der Verhaltensforschung gilt das Erkennen des eigenen Spiegelbildes ...“

Bla, Bla, Blupp.

Alles in der Sekunde gekübelt, als Weber und Zorell den Raum betreten – beide ein Wirbelsturm an Kreativität, Energie, Begeisterung. So richtig g’scheit, wie man sagt. Weber: „Miranda begibt sich auf eine Reise, um sich selber kennenzulernen und in der Spiegelung von anderen sich selbst zu erleben. Sie sieht sich im Spiegel und verliert sich im Spiegel – irgendwann ist sie die einzige Kontrollinstanz für sich selber. Ähnlich wie bei TikTok, wo man eine Projektion seiner selbst aufbaut, ohne dass man wirklich lebt. Zu Hause ist sie der Chef, sie hat die absolute Kontrolle über ihre Eltern – und dann wacht sie eines Tages auf und merkt, dass ihr Spiegelbild abgehauen ist, weil sie so nervig ist.“

Die Regisseurin atmet kurz ein, und weiter geht’s: „Miranda wird in dieses Spiegelland gezogen, sie muss eine neue Sprache lernen, weil alle rückwärts reden. Sie lernt Widerstände kennen, ihre Grenzen. Zugleich fordert sie. Sie ist kreativ. Sie will was vom Leben.“

Humor ist die zärtlichste Art, sich selber zu verzeihen.

Nicole Claudia Weber, Regisseurin
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Die perfekte Besetzung

Charlotte Zorell ist ein Glücksfall für die Rolle der Miranda. Zorell ist eine hochtalentierte Autorin, deren hochkomische und surreale Texte präzise zum Höhepunkt geschrieben sind. Einerseits.

Andererseits ist sie eine hochgelenke Schauspielerin, die von Kind auf das Theater mitgeatmet hat – ihre Eltern sind Clowns. „Diese Sprache ist eine Herausforderung. Wir drehen nicht die Worte in sich, sondern die Satzkonstruktionen, und die müssen dann mit den richtigen Emotionen unterlegt werden, damit sie noch verständlich sind. Ich finde Miranda mutig, sehr direkt. Das ist für das Spiel großartig, sehr kraftvoll und sehr energetisch. Sie hat auch eine große Verletzlichkeit. Dazu kommen ihre Tobsuchtsanfälle am Anfang – es macht Spaß, die zu spielen, denn sie tobt, um sich als Kind Raum zu schaffen, weil ihre Eltern die ganze Zeit an ihr kleben.“ Zorell lacht und schaut dabei sehr zufrieden aus.

Die Regisseurin ergänzt: „Mirandas erste Begegnung mit dem Spiegel gibt ihr das Gefühl, alles kontrollieren zu können. Es ist einer der vielen Gründe, warum ich Charlotte Zorell wollte – weil sie diese unfassbare Energie hat und auch diese Wandlung Mirandas spielen kann.“

Das Stück wurde in den 1980ern geschrieben und ist schon vor vielen, vielen Jahren am Theater der Jugend erfolgreich gelaufen. Wer es liest, den beschleicht das Gefühl, dass es ein wenig in die Zeit gekommen ist.

Miranda im Spiegelland
Charlotte Zorell ist in einem Haushalt voller Clowns (Theater Olé) in Wien-Landstraße aufgewachsen. Sie hat sich in der freien Szene durch Werk X, Theater Arche etc. gespielt und ist Teil des freien Performance-Ensembles „ensemble ehrlos“. Zorell schreibt u. a. großartig-witzige Dramolette, Theaterstücke, kann Tanz, Klavier und Ukulele. Nicole Claudia Weber ist eine wahre Allrounderin als Regisseurin. Die Wahlwienerin kann Theater, Musical, Kabarett, Konzert und Operette. Weber stand selber auf der Bühne – bis 2006, als sie mit der Uraufführung von „I will survive“ ihr Debüt als Regisseurin gab. Der Grund? „Ich mochte meinen Job, fand mich aber immer ein wenig zu verkrampft.“

Foto: Petra Rautenstrauch

Die Zärtlichkeit des Humors

„Ursprünglich hatte es mehrere Teile. Der Erzähler hat vorgelesen, und wenige Schauspieler*innen haben das dann gespielt. Wir haben es zu einem ganzen Stück gemacht und ein wenig die Patina entfernt“, sagt Nicole Claudia Weber.

Wer den Spiegel als Bildschirm denkt und auch daran, wie viel Zeit der geneigte Nachwuchs davor verbringt, liegt mit dieser Vermutung durchaus richtig. Charlotte Zorell: „Man kann den Spiegel durchaus als Bildschirm lesen. Diese große Selbstbeschäftigung, diese Selbstzentriertheit nimmt überhand – wir vergessen beim Starren auf den Schirm auf die Gefühle anderer. Aber es ist auch eine Geschichte über eine weibliche Hauptfigur, die sich anpassen muss.

Mir war wichtig, dass es am Ende nicht so ist, dass sich alle Mädchen anpassen müssen, indem sie ruhig und still sind und ihre Kraft verlieren. Ich finde, dass weibliche Wut eine enorme Kraft hat, und diese Wut ist wichtig, um stopp! sagen zu können: bis hierhin und nicht weiter. Ich versuche, das alles zu zeigen, diese Energie zu spielen und die Lust an der Begegnung und am Leben. Es ist ein sehr komödiantisches Stück, mit viel Tiefgang. Ich möchte auch, dass Mädchen aus dem Theater gehen und sagen: Ich finde mich gut so, wie ich bin.“

Einmal mehr nickt die Regisseurin zu den Worten ihrer Schauspielerin: „Für diese Rolle braucht man einen Freigeist, der nicht alles abnickt. Diese Figur muss aus den Impulsen gespielt werden, und das braucht sehr viel Humor. Daher, einmal mehr: Charlotte.“ Sie lacht.

Und Zorell? „Ich arbeite und probe sehr gerne und liebe diese Spannung in mir auf das, was kommt und wo einen die Arbeit – auch komödiantisch – hinträgt.“ Der letzte Satz gehört Nicole Claudia Weber: „Humor ist wahnsinnig wichtig, es ist einfach die zärtlichste Art, sich zu verzeihen. Alle werden durch Humor offener ...“

Sie sehen: Es war klug, die vorbereiteten Fragen zu kübeln.

Hier zu den Spielterminen von "Miranda im Spiegelland" im Theater der Jugend!