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Eigentlich ist sie schüchtern. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch klingt, ist gar nicht so selten für Menschen, deren Kunst darin besteht, sich vor den Augen des Publikums zu entäußern. Auch Emma Watson, weltberühmt dank „Harry Potter“, Pop-Diva Lady Gaga oder Oscar-Preisträger Tom Hanks bezeichnen sich als zurückhaltend im Umgang mit anderen Menschen. „Ich stehe gerne auf der Bühne und gebe das wieder, was ein Autor oder Librettist geschrieben hat“, erzählt Julia Koci, „aber von mir selbst, meinen Gedanken oder Gefühlen zu sprechen fällt mir schwer.“ Nun singt sie die Hauptrolle in Kurt Weills Lady in the Dark an der Wiener Volksoper.

Wobei sich das mit den Jahren zum Besseren verändert habe. „Man denkt nicht mehr so viel darüber nach, ob das Gesagte besonders klug war. Und es ist einem weniger wichtig, ob man gemocht wird oder nicht.“ Und auch wenn Interviews nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der Sopranistin zählen, das damit einhergehende Fotoshooting hat ihr großen Spaß gemacht. „Wann hat man schon die Gelegenheit, von einem ganzen Team ausgestattet und derart aufwendig geschminkt zu werden? Das war für mich keine Pflichterfüllung, sondern eine tolle Möglichkeit.“ Vielen Dank. Es hat auch uns gefreut. 

Star in der Manege. Auch der „Circus Dream“ ist zentraler Bestandteil des Musicals. Julia Koci freut sich auf dessen aufwendige Inszenierung.

Foto: Luise Reichert

Vienna–New York City–Vienna

Seit zwanzig Jahren lebt Julia Koci nun wieder in Österreich. Zwar kam sie in Wien zur Welt, doch zog ihre ­Mutter mit ihr und ihrem Zwillingsbruder schon in jungen Jahren nach New York. „Ich habe meine gesamte Schulzeit in den USA verbracht. Dass ich überhaupt Deutsch spreche, verdanke ich meiner Mutter, denn sie hat darauf bestanden.“ 

Ein leichter Akzent ist ihr ebenso geblieben wie so manche typisch amerikanische Lebensart. Zum Beispiel eine Vorliebe für Ketchup: „Wenn man einen Burger bestellt, muss eine ganze Flasche auf dem Tisch stehen!“ An hiesige Mini­portionen hat sie sich bis heute nicht gewöhnt.

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Das Aufwachsen in New York, für viele das kulturelle Herz Amerikas, hat sie natürlich auch künstlerisch geprägt. Schon mit acht Jahren spielte sie im Schultheater in „Wizard of Oz“, es folgte ein Musical nach dem anderen. Später lernte sie steppen, ging zum Ballett, trainierte Broadway Dance. „Das war einfach Teil meines Lebens. Jeder an der Schule war an irgendeinem Musikprojekt beteiligt. Zweimal jährlich fanden Abende statt, wo man seine Talente zeigen konnte.“ Dass sie beruflich etwas anderes machen könnte, kam ihr gar nie in den Sinn. Es folgte ein Studium am Mannes College of Music. Und dann die Ernüchterung. 

Als Chefredakteurin eines Modemagazins sehr erfolgreich, erlebt die Hauptfigur schließlich ein Burn-out, das ihre Welt aus den Fugen geraten lässt.

Foto: Luise Reichert

Große Konkurrenz

„Die Konkurrenz ist wahnsinnig groß. Die meisten Künstler üben ihre Kunst nebenbei aus, weil sie sich sonst kein Apartment leisten könnten. Um zu überleben, hatte auch ich in New York immer zwei Jobs parallel. Zum Beispiel als Kellnerin oder als Rezeptionistin bei einem plastischen Chirurgen. Wenn man dauernd überlegen muss, wie man seine Miete bezahlt, kann man sich seinem eigentlichen Beruf aber nicht hundertprozentig widmen.“ 

Die Wende brachte ein Zufall. Julia Koci wurde in New York für eine Ernst-Krenek-Oper engagiert, die auch auf Tournee nach Deutschland ging. „Dabei kam mir die Idee, nach Wien umzuziehen, denn hier hatte ich noch Familie.“ Gesagt, getan, war sie seither nie wieder arbeitslos. „Ich habe mit Touristenkonzerten begonnen, wofür ich das gesamte Operettenrepertoire lernen musste.“ Ein Segen für spätere Auditions.

Keine Scheu vor E & U

Seit acht Jahren ist sie nun fix an der Volksoper engagiert. Ihr Hausdebüt gab sie in Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“, bald wurde sie aber auch für Operetten und Musicals angefragt. Da amerikanisch sozialisiert, war das auch nie ein Problem für sie, im Gegenteil. „Es erweitert die Arbeitsmöglichkeiten. Und wenn man gesund singt, also ohne hohen Kehlkopf, ohne zu pressen oder zu forcieren, immer mit fließendem Atem darunter, sodass die Stimme schwebt, ist das okay.“ Zudem fordere gerade diese Gesamtheit sie heraus, könne sie doch so all ihren Talenten Raum geben. „Ich wäre unglücklich, wenn ich nur ein Genre singen dürfte.“

Hauptrolle in Lady in the Dark

Im Dezember feiert Julia Koci Premiere in Kurt Weills Lady in the Dark. Sie singt die Hauptrolle der Liza Elliott, einer in die Krise geratenen Chefredakteurin, geplagt von einem Burn-out, enttäuscht von Männern, die sie nur als Geliebte sehen. Schließlich vertraut sie sich einem Psychoanalytiker an. „Sie ist an einem Punkt in ihrem Leben angelangt, wo sie nach dem Sinn fragt. 1941, als das Stück entstand, war das revolutionär: eine Frau in einer Führungsposition, die keine Kinder hat, nicht verheiratet ist und offen gesteht, dass sie eine Geliebte ist.“ Auf der Couch liegend, offenbaren sich Liza in Traumsequenzen andere ebenso faszinierende wie verstörende Welten. Das verlangt auf der Bühne rasche Umzüge und einige raffinierte Tricks – ohne zu viel zu verraten. 

In „Axel an der Himmelstür“ spielt sie Filmstar Gloria Mills. Liegt ihr also das Mondäne? „Sagen wir so, meine Mutter war Designerin im Garment District, ich kann für das Stück also viele Geschichten, die ich erlebt habe, rekonstruieren“, lacht sie. Privat hat sie mit beiden Damen aber wenig gemeinsam. Denn statt Partys zu feiern, frönt Julia Koci der Stille: „Ich gehe am liebsten wandern.“

Zur Wiener Volksoper